Deutschlands Zukunft gestalten Die Koalition aus CDU, CSU und SPD will dafuer Sorge tragen, dass die Grundlagen fuer unseren Wohlstand und den Zusammenhalt gesichert und ausgebaut werden. Wir wollen, dass alle Menschen in Deutschland – Kinder, Frauen und Maenner, Junge und Alte, in Ost und West ein gutes Leben fuehren koennen und unser Land auf seinem guten Weg weiter vorankommt. Deutschland hat sich in den letzten Jahren wirtschaftlich so gut entwickelt wie kaum ein anderer Staat in Europa. Die Wirtschaft geht in das fuenfte Wachstumsjahr in Folge, die Beschaeftigung liegt auf Rekordniveau, die Einnahmen von Staat und Sozialversicherungen sind gestiegen und haben die oeffentlichen Finanzen spuerbar entspannt, die Neuverschuldung im Bund konnte fast auf null reduziert werden. Deutschland ist in guter Verfassung – auch dank einer gezielten Reformpolitik der Vergangenheit. Unser Land konnte auf die internationale Finanzmarktkrise und den darauf folgenden Konjunktureinbruch sowie die Schuldenkrise in Europa entschieden reagieren. Die Politik hat dabei die Rahmenbedingungen geschaffen, die die Menschen in Deutschland entschlossen genutzt haben. Die Tarifpartner haben durch verantwortungsvolles Handeln Arbeitsplaetze gesichert. Gemeinsam haben wir es geschafft, dass unser Land gestaerkt aus der Krise herausgekommen ist. Das ist Grund fuer Zuversicht. Nicht alle Menschen haben jedoch an dieser positiven Entwicklung teilhaben koennen. Mit unsicheren Beschaeftigungsverhaeltnissen und Einkommen, die nicht zum Leben reichen, mit der sich nur langsam schliessenden Schere der Einkommensungleichheit sowie mit der grossen Zahl von Familien und aelteren Menschen, die nicht ohne Grundsicherung auskommen, finden wir uns nicht ab. Das gilt auch fuer die zu geringe Zahl von Frauen in Fuehrungspositionen und den Lohnabstand zwischen Frauen und Maennern. Bildungsund Zukunftschancen junger Menschen duerfen nicht mehr von ihrer sozialen Herkunft abhaengen. Steigende Energiepreise duerfen weder private Haushalte noch Unternehmen ueberfordern. All das ist ein Grund fuer politische Anstrengungen. Wir wollen in den naechsten Jahren die guten Entwicklungen fortfuehren und Missstaende ueberwinden. In vier Jahren soll unser Land noch besser dastehen als heute. Diese Aufgabe ist gross. Unsere exportorientierte Wirtschaft ist auf vielfaeltige Weise international verflochten und steht im Wettbewerb mit anderen Industrielaendern sowie einer wachsenden Zahl dynamisch, aufstrebender Volkswirtschaften in den Schwellenlaendern. Globale Ungleichgewichte, Klimawandel und der Verbrauch knapper Ressourcen erfordern ein neues, nachhaltiges Wohlstandsmodell. Die Weltwirtschaft erholt sich nur langsam von den Folgen der grossen Finanzkrise. Jeder Erfolg muss hart erarbeitet werden. Die europaeische Schuldenkrise ist noch nicht ueberwunden und fordert auch in den kommenden Jahren Anstrengungen von uns. Gleichzeitig stehen wir mit dem demografischen Wandel, dem Fachkraeftemangel und der fortschreitenden Digitalisierung unseres Lebens vor neuen tiefgreifenden Herausforderungen. Von hundert Menschen auf der Welt lebt nur einer in Deutschland, un- Praeambel 8 sere Bevoelkerung ist die aelteste in Europa und unsere Gesellschaft wird vielfaeltiger, weil der Anteil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte waechst. Das Internet und digitale Technologien veraendern nicht nur unseren Alltag, sondern fuehren auch in Wirtschaft und Arbeitswelt zu umwaelzenden Veraenderungen. Nach der Erfindung der Dampfmaschine, der Industrialisierung und dem Start des Computerzeitalters, sind wir jetzt mit dem „Internet der Dinge“ schon mitten in der vierten industriellen Revolution. Wir wollen die damit verbundenen Chancen nutzen, um den Menschen in unserem Land gute Perspektiven eroeffnen. Die Soziale Marktwirtschaft ist ein wesentlicher Teil unserer freiheitlichen, offenen und solidarischen Gesellschaft. Mit ihr haben wir einen bewaehrten Kompass, der Wohlstand und Vollbeschaeftigung ermoeglicht und zugleich den sozialen Ausgleich und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land festigt. Wir wollen die Soziale Marktwirtschaft staerken, ihre Prinzipien in Europa und darueber hinaus verankern und die Rahmenbedingungen so gestalten, dass unser Land allen Menschen faire Chancen auf eine gute Zukunft eroeffnet. Dazu wollen wir: Neuverschuldung stoppen und Schuldenstandsquote senken Solide Finanzen mit ausgeglichenen Haushalten sind fuer uns unerlaesslich. Die Neuverschuldung wollen wir dauerhaft stoppen, die Schuldenstandsquote senken und dabei die Investitionskraft von Bund, Laendern und Kommunen sicherstellen. Nur so werden wir unserer Verantwortung gegenueber unseren Kindern und Enkeln gerecht. Wir sind uns einig, dass die Bekaempfung von Steuerhinterziehung, ein wirksamer Steuervollzug und die konsequente Einhaltung der Schuldenbremse fuer die Sicherung der Einnahmen und der Handlungsfaehigkeit des Staates unerlaesslich sind. Mit einer soliden und gerechten Haushaltspolitik schaffen wir auch weiter die Voraussetzungen fuer eine stabile Waehrung, fuer Wachstum und sichere Arbeitsplaetze. Wettbewerbsfaehigkeit staerken und Investitionen erhoehen Wir sehen Deutschlands Chancen in einer mittelstaendisch gepraegten und international wettbewerbsfaehigen Wirtschaft, deren Kern auch weiterhin eine moderne, dynamische Industrie ist. Unser Land braucht Exportstaerke und eine von Investitionen und Kaufkraft getragene wirtschaftliche Entwicklung. Wir wollen verlaessliche Rahmenbedingungen schaffen, damit die Innovationskraft und die Wettbewerbsfaehigkeit unserer Wirtschaft gestaerkt werden und sie mit gut qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hochwertige Produkte und Dienstleistungen entwickeln und anbieten kann. Es ist uns gelungen, die Lohnzusatzkosten unter 40 Prozent halten. Regeln fuer die Finanzmaerkte – Schutz fuer Steuerzahler und Sparer Unser Grundsatz heisst: „Kein Finanzmarkt, kein Finanzprodukt, kein Finanzmarktakteur ohne Aufsicht“. Wer grosse Risiken eingeht, muss auch die Haftung uebernehmen – das sind die Spielregeln der Sozialen Marktwirtschaft. Wir wollen daher die vorrangige Haftung von Eigentuemern und Glaeubigern der Banken. Das besondere deutsche Modell mit Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken hat in der Finanzkrise zur Stabilitaet beigetragen. Wir wollen es sichern. Die Einfuehrung einer Finanztransaktionssteuer auf europaeischer Ebene staerkt die Beteiligung des Finanz- Praeambel 9 sektors an den Kosten der Krise und an den Zukunftsaufgaben von Wachstum und Beschaeftigung. Mindestlohn einfuehren, Missbrauch von Werkvertraegen und Leiharbeit verhindern Wir wollen: Gute Arbeit fuer alle sicher und gut bezahlt. Dazu setzen wir auf den Ideenreichtum und die Tatkraft der Menschen in unserem Land. Wir vertrauen auf verantwortungsbewusste und risikobereite Unternehmerinnen und Unternehmer, und auf gut ausgebildete, leistungsstarke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Mit einer klugen Wirtschaftsund Arbeitsmarktpolitik wollen wir die Rahmenbedingungen fuer ein gutes Investitionsklima, fuer sichere und gute Arbeit mit einer fairen Bezahlung und fuer eine starke Sozialpartnerschaft von Arbeitgebern und Gewerkschaften schaffen. Mit einem gesetzlichen Mindestlohn und allgemein verbindlichen Tarifvertraegen sorgen wir fuer faire Loehne. Tarifautonomie, Tarifeinheit und Mitbestimmung sind fuer uns ein hohes Gut. Den Missbrauch von Werkvertraegen und Leiharbeit werden wir verhindern. Chancengerechtigkeit durch Bildung staerken Bildung, Wissenschaft und Forschung sind Kernanliegen der Koalition. Sie sind die Grundlage um Teilhabe, Integration und Bildungsgerechtigkeit zu verwirklichen und unseren Wohlstand auch fuer kuenftige Generationen zu erhalten. Deshalb wollen wir die Mittel fuer Bildung im Zusammenwirken von Bund und Laendern nochmals erhoehen. Ausbau und Qualitaet von Kitas und Ganztagsschulen verbessern den Bildungserfolg der Kinder. Fuer Forschungsinvestitionen werden wir drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes bereitstellen. Wir wollen, dass die Ergebnisse unserer Forschungsanstrengungen in Deutschland und Europa neuen Wohlstand schaffen. Dafuer wollen wir ein technikfreundliches Land bleiben, das Ja sagt zu neuen Ideen und Innovationen und verantwortungsvoll mit Risiken umgeht. Standortvorteil Infrastruktur mit mehr Investitionen staerken Eine leistungsfaehige Verkehrsinfrastruktur ist die Grundlage fuer die Wettbewerbsfaehigkeit unserer Volkswirtschaft. Deshalb werden wir besondere Anstrengungen unternehmen, um zusaetzliche Ausgaben fuer eine moderne, sichere und leistungsstarke Verkehrsinfrastruktur auf den Weg zu bringen. Damit wollen wir Strassen, Bahnen und Wasserwege erhalten und wo noetig ausbauen. Diesem Ziel dient auch eine Ausweitung der LKW-Maut sowie eine europarechtskonforme PKW-Maut, mit der wir Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW an der Finanzierung zusaetzlicher Ausgaben fuer das Autobahnnetz beteiligen wollen, ohne im Inland zugelassene Fahrzeuge hoeher als heute zu belasten. Energiewende voranbringen – Wirtschaftsstandort sichern Fuer die Lebensqualitaet heutiger und zukuenftiger Generationen sowie fuer den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes ist die Energiewende eine der groessten Herausforderungen. Sie schuetzt Umwelt und Klima, macht uns unabhaengiger von Importen und sichert Arbeitsplaetze und Wertschoepfung in Deutschland. Wir wollen sie zu einer Erfolgsgeschichte machen und Deutschland zu einem der modernsten Energiestan- Praeambel 10 dorte der Welt entwickeln. Wir wollen bei ihrer Umsetzung Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Umweltvertraeglichkeit miteinander in Einklang bringen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfaehigkeit sichern. Dazu werden wir zuegig das Erneuerbare Energien Gesetz mit dem Ziel reformieren, den Kostenanstieg wirksam zu begrenzen, den Leitungsausbau der Trassen zu beschleunigen und Ausbaukorridore fuer die Erneuerbaren Energien festzulegen. Hoehere Effizienz ist ein wesentlicher Faktor eines modernen Industrielandes, das international Vorbildcharakter hat. Flaechendeckendes Breitbandangebot und WLAN-Ausbau Das Internet und die digitalen Technologien sind heute unverzichtbar und Wachstumstreiber fuer unser Land. Damit jeder in unserem Land die Vorteile des schnellen Internets nutzen kann, wollen wir es bis 2018 flaechendeckend in allen Teilen unseres Landes verfuegbar machen. Netzneutralitaet sichern wir. In den Staedten wollen wir ausserdem die Voraussetzungen fuer kostenlose WLAN-Angebote schaffen. Wir wollen die Chancen auf Innovation, Fortschritt und neue Beschaeftigung nutzen und Deutschland zum fuehrenden digitalen Standort in Europa ausbauen. Altersarmut verhindern – Lebensleistung wuerdigen Die Menschen in unserem Land muessen sich auf die sozialen Sicherungssysteme verlassen koennen. Sie sind entscheidend fuer die gerechte Anerkennung der vielfaeltigen Leistungen der Menschen, ob in der Arbeit oder fuer die Familie. Sie leisten Vorsorge, sichern Menschen mit Benachteiligungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, schuetzen vor Armut und sind Ausdruck des Zusammenhalts unserer Gesellschaft. Die Erfolgsgeschichte der steigenden Beteiligung aelterer am Erwerbsleben in Folge der Rentenreformen wollen wir fortschreiben. Wir wollen, dass sich Lebensleistung und langjaehrige Beitragszahlung in der Rente auszahlt. Wir werden daher eine solidarische Lebensleistungsrente einfuehren. Angesichts verlaengerter Lebensarbeitszeit ermoeglichen wir langjaehrig Beschaeftigten einen um zwei Jahre frueheren abschlagsfreien Rentenzugang. Die Erziehungsleistung der Muetter und Vaeter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, werden wir staerker wuerdigen. Unsere Gesundheitsund Pflegesysteme muessen allen Versicherten gleichermassen ueberall und jederzeit eine gute Versorgung auf hohem Niveau sichern. Dazu werden wir die Leistungen der Pflegeversicherung ausweiten und so den Beduerfnissen pflegebeduerftiger Menschen und ihrer Angehoerigen besser entsprechen. Starke Kommunen – zukunftsfeste Finanzbeziehungen von Bund und Laendern Wir treten fuer eine lebenswerte Heimat und gute Zukunftsperspektiven ueberall in Deutschland ein – in der Stadt und auf dem Land. Mit einem Bundesteilhabegesetz wollen wir die Kommunen bei der Eingliederung von Menschen mit Behinderung staerker als bisher finanziell unterstuetzen. Auch die Laender brauchen eine vernuenftige Finanzausstattung, um gemeinsam mit ihren Kommunen die vielfaeltigen Aufgaben erfuellen zu koennen. Handlungsfaehig in Bund und Laendern, Staedten und Gemeinden, in allen Regionen Deutschlands, das ist unser Ziel. In einer Kommission wollen wir die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Laendern neu ordnen. Praeambel 11 Zusammenhalt sichern und Buergerrechte stark machen Wo Menschen dauerhaft Verantwortung fuereinander uebernehmen, wollen wir sie unterstuetzen. Unsere Gesellschaft braucht starke Familien. Deshalb wollen wir Ehe und Familie staerken. In einer von Vielfalt gepraegten Gesellschaft wollen wir gleiche Rechte fuer alle Buergerinnen und Buerger. Wir unternehmen neue Anstrengungen fuer die Gleichstellung der Frauen, etwa durch die Einfuehrung einer Frauenquote und durch das Recht, aus einer Teilzeitbeschaeftigung wieder in eine Vollzeitstelle zurueckzukehren. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sollen Respekt und Anerkennung erfahren. Zuwanderer sollen Staatsbuerger werden. Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, soll seinen deutschen Pass nicht verlieren und keiner Optionspflicht unterliegen. Zivilgesellschaftliches Engagement fuer die Demokratie foerdern wir. Wir pflegen den Dialog mit den christlichen Kirchen, Religionsgemeinschaften und religioesen Vereinigungen. Sie bereichern das gesellschaftliche Leben und vermitteln Werte, die zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft beitragen. Die Rechte und Beteiligungsmoeglichkeiten der Buerger sind uns ein zentrales Anliegen. Wir werden auch im digitalen Zeitalter Sorge fuer Datensicherheit und Datenschutz tragen. Kriminalitaet bekaempfen und Sicherheit gewaehrleisten Wir wollen einen Staat, der Freiheit und Sicherheit fuer die Menschen ueberall gewaehrleistet. Zur Lebensqualitaet gehoert, dass die Menschen sicher und vor Kriminalitaet geschuetzt leben koennen. Wir wollen Kinder und Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution besser beschuetzen. An Kriminalitaetsschwerpunkten, wie etwa auf Bahnhoefen, soll der Einsatz von Videokameras verstaerkt werden. Der Schutz vor Wohnungseinbruechen soll verbessert werden. Polizisten und andere Einsatzkraefte brauchen einen staerkeren Schutz bei gewalttaetigen uebergriffen. Extremistischen, rassistischen und demokratiefeindlichen Handlungen treten wir entschieden entgegen. Starkes und stabiles Europa – Deutschlands Zukunft Gerade Deutschland – als groesster Volkswirtschaft in Europa – kommt eine besondere Verantwortung fuer unseren Kontinent zu. Wir wissen, dass es Deutschland nur gut gehen kann, wenn auch Europa eine gute Zukunft hat. Unser Ziel ist es, Europa gestaerkt aus der Krise zu fuehren – als ein Europa der Stabilitaet und des nachhaltigen Wachstums. Der Euro als starke und stabile Waehrung ist dafuer eine zentrale Voraussetzung. Unser Grundsatz ist dabei: Solidaritaet und Eigenverantwortung gehoeren zusammen. Dieser Weg waere mit einer Vergemeinschaftung von Schulden unvereinbar. Vielmehr brauchen wir mehr Wettbewerbsfaehigkeit durch Strukturreformen und neue Wachstumsimpulse in allen Mitgliedsstaaten. Das soziale Europa ist fuer uns von gleichrangiger Bedeutung wie die Marktfreiheiten im Binnenmarkt. Wir helfen, die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa gezielt zu bekaempfen. Wir werden mit unseren Partnern dafuer arbeiten, dass jeder junge Mensch eine Chance und Perspektive bekommt. Verantwortung in der Welt fuer Frieden und Menschenrechte uebernehmen Auch international ist sich Deutschland seiner Verantwortung bewusst. Wir stellen uns den internationalen Herausforderungen: Der Sicherung von Frieden und Freiheit und der Wahrung von Menschenrechten, der Unterstuetzung der Entwicklung von Praeambel 12 Staaten und Regionen und dem Schutz des Klimas und der Umwelt. Stabilitaet wollen wir nicht zuletzt durch neue Initiativen der Abruestung und durch eine zurueckhaltende Ruestungsexportpolitik foerdern. Gemeinsam mit unseren Partnern in Europa wollen wir die globale Ordnung mitgestalten und zur Loesung von Krisen und Konflikten beitragen. Dabei leiten uns die Werte und Interessen unseres Landes. Deutschlands Zukunft gestalten Gemeinsam mit den Menschen in unserem Land wollen wir Deutschland in eine gute Zukunft fuehren. Unser Massstab fuer eine erfolgreiche Politik ist die Lebensqualitaet der Menschen in Deutschland und Europa und die Wirksamkeit unseres Handelns. Die Aufgabe der von uns getragenen Bundesregierung ist es, die Weichen richtig zu stellen und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich unser Land gut entwickelt und die Menschen ihr Leben frei und sicher gestalten koennen. In diesem Koalitionsvertrag haben wir beschrieben, welche Grundsaetze uns leiten, welche Ziele wir haben und wie wir sie bis 2017 erreichen wollen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 13 1. Wachstum, Innovation und Wohlstand 1.1. Deutschlands Wirtschaft staerken Die Koalition aus CDU, CSU und SPD sieht Deutschlands Chancen in einer mittelstaendisch gepraegten und international wettbewerbsfaehigen Wirtschaft, deren Kern auch weiterhin eine moderne, dynamische Industrie ist. Die Fundamente der Sozialen Marktwirtschaft wollen wir mit Blick auf neues Wachstum und mehr Beschaeftigung staerken. Wir werden unternehmerische Verantwortung und gute Sozialpartnerschaft gleichermassen staerken. Auf den Finanzmaerkten wollen wir uns weiterhin fuer eine wirksame Regulierung einsetzen und das Prinzip von Risiko und Haftung sicherstellen. Wir wollen staerkere Anreize fuer nachhaltiges Handeln innerhalb von Unternehmen setzen. Dazu werden wir im Dialog mit der Wirtschaft wirksame Massnahmen zur Langfristorientierung der Verguetungsund Bonisysteme pruefen. Wir bekennen uns zum Industrieund Wirtschaftsstandort Deutschland, in dem grosse und kleine Unternehmen ihre Chancen nutzen koennen. Wir setzen auf eine Doppelstrategie aus Haushaltskonsolidierung und Wachstumsimpulsen – in Deutschland und Europa. Unser Land braucht eine „Neue Gruenderzeit“. Wir wollen Unternehmertum und Gruendungsgeist staerken und zu mehr gesellschaftlicher Anerkennung verhelfen. Wir werden die Rahmenbedingungen fuer Innovationen und Investitionen insbesondere fuer kleine und mittlere Unternehmen verbessern. Wir erhalten die bewaehrte Flexibilitaet auf den Arbeitsmaerkten und passen die soziale Sicherung den demografischen Notwendigkeiten an – es geht um sichere und gute Arbeitsplaetze, wirtschaftliche Dynamik, gerechte Teilhabe und eine hohe Lebensqualitaet. Unsere Strategie fuer nachhaltigen Fortschritt Verschaerfte internationale Konkurrenz, auch aus den schnell wachsenden Schwellenlaendern, ein rasanter wissenschaftlicher und technischer Fortschritt, insbesondere die Digitalisierung, der demografische Wandel u. a. mit dem Fachkraeftemangel, und die Knappheit natuerlicher Ressourcen stellen uns vor neue Herausforderungen. Deshalb stellen wir in den kommenden Jahren Innovation, Investitionen, Integration in gute und produktive Arbeit und Internationalisierung in den Mittelpunkt unserer Strategie. Auf diesen vier Handlungsfeldern wollen wir eine vorausschauende und wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik gestalten: Innovation: Fuer neue Produkte, Verfahren und Beschaeftigung braucht unsere Wirtschaft Innovationen. Wir wollen mit unseren privaten und oeffentlichen Ausgaben fuer Forschung und Entwicklung zu den globalen Spitzenreitern gehoeren. Deshalb wollen wir 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung investieren. Wir wollen die Chancen der Digitalisierung zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft nutzen. Nur so bleibt Deutschland ein wettbewerbsfaehiger Industrieund Produktionsstandort und erschliesst gleichzeitig die Potenziale fuer neue Arbeitsplaetze in industriebezogenen und staerker wissensbasierten Dienstleistungen – vor allem im Mittelstand. Wachstum, Innovation und Wohlstand 14 Investitionen: Innovationen brauchen Investitionen. Nur mit einem Investitionsschub in Deutschland sichern wir Wachstum und Beschaeftigung. Das schafft auch die Grundlage fuer eine robuste Einkommensentwicklung. Die deutsche Wirtschaft braucht eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung. Wachstum in Deutschland erfordert eine nachhaltige Modernisierung der Infrastruktur. Wir setzen sowohl auf mehr Investitionen der oeffentlichen Hand als auch auf bessere Rahmenbedingungen fuer private Investitionen. Unser Ziel ist eine Gesamtinvestitionsquote, die oberhalb des Durchschnitts der OECD liegt. Integration in gute und produktive Arbeit: Die Sicherung einer qualifizierten Fachkraeftebasis wird angesichts des demografischen Wandels zur zentralen Aufgabe. Die berufliche und die akademische Bildung spielen dabei eine entscheidende Rolle. Alle Qualifizierungsreserven in Deutschland muessen genutzt werden. Mit einer Allianz fuer Fachkraefte wollen wir das Thema noch staerker buendeln und in den Mittelpunkt der Diskussion von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften stellen. Wir wollen Tarifeinheit, Tarifbindung und Tariftreue staerken. Unser Ziel ist Vollbeschaeftigung mit guten und produktiven Arbeitsplaetzen. Internationalisierung: Ein zentraler Pfeiler unseres Erfolgs ist die Staerke der deutschen Unternehmen auf den internationalen Maerkten. Ihre internationale Wettbewerbsfaehigkeit entscheidet massgeblich ueber unseren Erfolg und Wohlstand. Deshalb setzen wir uns fuer globale Maerkte und stabile Finanzsysteme ein, weil sie Voraussetzung fuer ein wachstumsfreundliches Investitionsklima sind. Dafuer muessen wir internationale Regeln konsequent umsetzen und weiterentwickeln. Die Wachstumschancen, die sich aus dem Freihandel ergeben, wollen wir durch eine intensivere internationale Koordination nutzen. Im Kreis der groessten Industriestaaten (G8 und G20) – insbesondere im Zuge der deutschen G8-Praesidentschaft 2015 – wollen wir eine bessere Abstimmung in der internationalen Wirtschaftspolitik erreichen. Bei allen neuen Chancen der deutschen Wirtschaft auf den wachsenden Maerkten ausserhalb unseres Kontinents bleiben die europaeischen Absatzmaerkte von zentraler Bedeutung fuer die deutschen Exporte. Unser Land braucht Exportstaerke, eine starke Binnenwirtschaft und eine von Investitionen und Kaufkraft getragene Inlandsnachfrage. Mit dieser Strategie geben wir die richtigen Antworten auf die wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Die erste Grosse Koalition vor fast 50 Jahren hat als Antwort auf die damalige wirtschaftspolitische Herausforderung das Stabilitaetsund Wachstumsgesetz verabschiedet. Wir wollen im Lichte der heutigen Herausforderungen – des demografischen Wandels, der Internationalisierung, der Digitalisierung und der Ressourcenknappheit – eine neue wirtschaftsund wachstumspolitische Strategie entwickeln. Wir werden deshalb gemeinsam mit dem Sachverstaendigenrat das bestehende Stabilitaetsund Wachstumsgesetz ueberpruefen. Fuer die Bewaeltigung der grossen oekonomischen Herausforderungen setzen wir dabei auf ein intelligentes Zusammenspiel von Markt und Staat in Kooperation mit Unternehmern und Arbeitnehmern, Unternehmen und Gewerkschaften. Wir setzen auf nachhaltigen Fortschritt. Fortschritt, Lebensqualitaet und Wohlstand haben viele Facetten: Gute Arbeit, ein gutes Einkommen, Gesundheit aber auch immaterielle Werte wie Familie, Freunde und Freiheit. Wir wollen unser Regierungshandeln staerker an den Werten und Zielen der Wachstum, Innovation und Wohlstand 15 Buergerinnen und Buerger ausrichten und fuehren daher einen Dialog mit ihnen ueber ihr Verstaendnis von Lebensqualitaet durch. Die vorliegenden Gutachten und Indikatorensysteme, z. B. der entsprechenden Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages und des Sachverstaendigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, beziehen wir mit ein. Auf dieser Basis werden wir ein Indikatorenund Berichtssystem zur Lebensqualitaet in Deutschland entwickeln. Es soll im regelmaessigen Abstand in verstaendlicher Form ueber Stand und Fortschritt bei der Verbesserung von Lebensqualitaet in Deutschland Auskunft geben. Wir wollen damit die Information ueber die sozialen, oekologischen und oekonomischen Dimensionen von Lebensqualitaet und Fortschritt verbessern. Wir wollen die Erkenntnisse in einen ressortuebergreifenden Aktionsplan „gut leben“ zur Verbesserung der Lebensqualitaet in Deutschland einmuenden lassen. Europaeische Wirtschaftspolitik Wir treten fuer die Vollendung des europaeischen Binnenmarktes ein. Fuer den gemeinsamen Markt ist der Ausbau grenzueberschreitender Infrastrukturen unabdingbar. Noch bestehende Hindernisse muessen beseitigt werden, insbesondere fuer kleine und mittlere Unternehmen. Innerhalb der Europaeischen Union wollen wir Steuerdumping verhindern, Steueroasen austrocknen und die Steuerharmonisierung voranbringen. Buerokratieabbau muss auch auf europaeischer Ebene stattfinden. Wir wollen EUVorgaben „eins zu eins“ umsetzen – das sichert auch Chancengleichheit im europaeischen Binnenmarkt. Europaeische Gesetzgebung darf sich in den verschiedenen Politikfeldern nicht widersprechen. Sie muss kohaerent sein, um Europas Rolle im globalen Wettbewerb langfristig zu staerken. Aussenwirtschaft Die ueberragende Bedeutung der Aussenwirtschaft fuer die deutsche Volkswirtschaft, die zunehmende Verflechtung mit Auslandsmaerkten, aber auch der zunehmende Staatseinfluss auf die Wirtschaft in vielen Laendern verlangen einen staerkeren Einsatz der Politik fuer die internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Der kluge Einsatz vertrauensbildender Massnahmen, vertraglicher Vereinbarungen, wirtschaftsund entwicklungspolitischer Instrumente sowie menschenrechtlicher Prinzipien kann auch dazu beitragen, aussenpolitische Spannungen abzubauen. Staerkung des Freihandels und Handelsabkommen Wir sehen mit Sorge die zunehmende Zahl von Massnahmen, mit denen der freie Handel begrenzt oder sogar verhindert wird. Auch die wachsenden Verstoesse gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO erfuellen uns mit Sorge. Ein freier und fairer Welthandel muss im multilateralen Rahmen der Welthandelsorganisation WTO verlaesslich geregelt werden. Das erleichtert auch die weitere Einbeziehung der Entwicklungslaender in das globale Handelssystem nach Grundsaetzen, die fuer alle Beteiligten gleichermassen gelten. Wir streben deshalb eine Staerkung der WTO an und setzen uns weiterhin fuer einen vollstaendigen Abschluss der laufenden Doha-Runde ein. Wachstum, Innovation und Wohlstand 16 Genauso wie den Erfolg der Verhandlungen der Europaeischen Union ueber ein Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) streben wir auch den zuegigen Abschluss weiterer Handelsabkommen mit dynamisch wachsenden Schwellenlaendern an. Unser Ziel ist eine Vertiefung der Wirtschaftsund Handelsbeziehungen. Dabei setzen wir auf multilaterale Handelsregeln. Bei EU-Handelsabkommen soll die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO)-beruecksichtigt werden, damit der Freihandel nicht zum Einfallstor fuer Lohnund Sozialdumping wird. Aussenwirtschaftsfoerderung Mittelstaendische Unternehmen wollen wir bei ihren Schritten ins Ausland gezielt unterstuetzen. Die bewaehrten Instrumente der Aussenwirtschaftsfoerderung (Germany Trade and Invest, deutsche Auslandsvertretungen, Auslandshandelskammern, Messefoerderung, Beratung und andere) werden wir fortentwickeln und vorrangig an den Zielen Wohlstand und Beschaeftigung ausrichten. Antragsund Pruefverfahren fuer Exportgenehmigungen wollen wir verbessern. Wir werden die internationalen Regeln fuer Exportkredite sachgerecht weiterentwickeln und uns dafuer einsetzen, dass alle internationalen Wettbewerber diese anwenden. Kuenftige europaeische Investitionsschutzabkommen muessen den bewaehrten hohen Schutzstandards entsprechen. Insgesamt setzen wir in der Aussenwirtschaftspolitik auf ein „level playing field“ und internationale Standards. Ruestungsexporte Bei Ruestungsexportentscheidungen in sogenannte Drittstaaten sind die im Jahr 2000 beschlossenen strengen „Politischen Grundsaetze fuer den Export von Kriegswaffen und sonstigen Ruestungsguetern“ fuer unser Regierungshandeln verbindlich. ueber ihre abschliessenden Genehmigungsentscheidungen im Bundessicherheitsrat wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag unverzueglich unterrichten. Die Entscheidung darueber, wem gegenueber die Unterrichtung erfolgt, liegt beim Deutschen Bundestag. Darueber hinaus werden wir die Transparenz gegenueber Parlament und oeffentlichkeit durch Vorlage des jaehrlichen Ruestungsexportberichtes noch vor der Sommerpause des Folgejahres und eines zusaetzlichen Zwischenberichts verbessern. Wir setzen uns fuer eine Angleichung der Ruestungsexportrichtlinien innerhalb der EU ein. Europaeische Harmonisierungen muessen so umgesetzt werden, dass sie die Mindestanforderungen des Gemeinsamen Standpunkts der EU aus dem Jahr 2008 nicht unterschreiten. Verantwortungsvolle Unternehmensfuehrung auf internationalen Maerkten Zu unserem Leitbild des verantwortlichen Unternehmertums gehoert es auch, freiwillig und aus eigenem Interesse gesellschaftliche Verantwortung fuer soziale, kulturelle und oekologische Belange zu uebernehmen. Um das verantwortliche unternehmerische Handeln der deutschen Wirtschaft im Ausland weiter zu staerken, werden wir uns fuer eine moeglichst breite Wahrnehmung und Anwendung der OECD-Leitsaetze fuer multinationale Unternehmen einsetzen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 17 Wettbewerbsrecht Fairer Wettbewerb und der Schutz vor wettbewerbsverzerrenden Absprachen sind fuer das Funktionieren der Sozialen Marktwirtschaft unabdingbar. Die Weiterentwicklung des Europaeischen Wettbewerbsund Kartellrechts ist massgeblich fuer die internationale Wettbewerbsfaehigkeit Deutschlands und Europas. Das Wettbewerbsrecht ist so zu optimieren, dass Wettbewerbsverstoesse weitgehend ausgeschlossen sind. Wir werden die Wirkungen der Regelungen der achten GWB-Novelle auswerten und weitere Schritte zur Straffung des behoerdlichen und gerichtlichen Verfahrens bei Kartellverstoessen pruefen. Ausserdem werden wir uns sowohl auf europaeischer als auch auf nationaler Ebene fuer eine Staerkung der Kartellrechtsdurchsetzung einsetzen. Durch eine Reform des Kartellrechts werden wir die Moeglichkeiten der betriebswirtschaftlichen Zusammenarbeit von Verlagen unterhalb der redaktionellen Ebene erleichtern. Damit wollen wir den Gefahren fuer die Pressevielfalt im Umbruch der digitalen Medienlandschaft begegnen. Post: Wir werden eine qualitativ hochwertige, flaechendeckende und bezahlbare Versorgung der Buergerinnen und Buerger mit Postdienstleistungen sicherstellen. Am Postuniversaldienst werden wir festhalten. Transparenz bei Managergehaeltern Um Transparenz bei der Feststellung von Managergehaeltern herzustellen, wird ueber die Vorstandsverguetung kuenftig die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats entscheiden. Rohstoffsicherung Deutschland ist bei vielen wichtigen Rohstoffen wie Seltenen Erden und Metallen auf Importe angewiesen. Angesichts der weltweit steigenden Nachfrage sowie der wachsenden Zahl staatlicher Eingriffe in Rohstoffmaerkte und damit verbundener Wettbewerbsverzerrungen ist gezieltes Handeln geboten, um moegliche negative Auswirkungen auf die Wertschoepfung in Deutschland zu vermeiden. Es ist zuallererst Aufgabe der Unternehmen selbst, ihren Bedarf an Rohstoffen am Markt zu decken und sich vorausschauend auf kuenftige Entwicklungen einzustellen. Wir werden diese Anstrengungen mit politischen Initiativen flankieren, um verlaessliche rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen fuer einen fairen Wettbewerb auf den internationalen Rohstoffmaerkten zu gewaehrleisten. Wir werden eine integrierte Rohstoffstrategie verfolgen, die die gesamte Rohstoffkaskade umfasst, von der Steigerung der Rohstoffeffizienz, der Substitution und dem Recycling wertvoller Stoffe, der Nutzung heimischer Rohstoffvorkommen bis hin zur Sicherung der Rohstoffversorgung auf den Weltmaerkten. Rohstofffoerderung im Inland Wir werden den wirtschaftlichen und umweltvertraeglichen Abbau heimischer Rohstoffe sowie deren Verarbeitung in Deutschland unterstuetzen. Wir werden fuer mehr Buergerakzeptanz gegenueber der heimischen Rohstoffgewinnung werben und uns entschieden fuer die Sicherheit und Umweltvertraeglichkeit der heimischen Rohstofffoerderung einsetzen. Es gilt, die Raumordnung staerker auf die Beruecksichtigung verschie- Wachstum, Innovation und Wohlstand 18 dener Nutzungskonkurrenzen auszurichten und dabei der Rohstoffgewinnung einen angemessenen Stellenwert im Rahmen der Abwaegung beizumessen. Zudem wollen wir die Datengrundlagen fuer die Rohstoffgewinnung weiter verbessern. Kooperationen und strategische Partnerschaften ausbauen Wir werden uns dafuer einsetzen, dass keine Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher oder europaeischer Unternehmen in der Rohstofflieferkette entstehen. Wir werden die deutsche Wirtschaft dabei unterstuetzen, wieder international in der gesamten Rohstoffwertschoepfungskette praesent zu sein und begleiten daher neue Initiativen der deutschen Wirtschaft zur Rohstoffsicherung. Rohstoffpartnerschaften zwischen Staaten und Rohstoffallianzen zwischen Unternehmen sind eine sinnvolle Ergaenzung eines gemeinsamen europaeischen Ansatzes zur internationalen Rohstoffsicherung. Im Rahmen einer Internationalen Rohstoffkonferenz in Deutschland werden wir den globalen Dialog von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft organisieren. Dabei werden wir unter Einbeziehung aller Beteiligten verbesserte freiwillige Zertifizierungssysteme erarbeiten. Abbau von Handelshemmnissen Wir werden auf eine starke Rohstoffstrategie auf europaeischer Ebene und die aktive Vertretung deutscher und europaeischer Rohstoffinteressen in der WTO und G20Runde hinwirken. Es gilt, tarifaere und nicht-tarifaere Handelshemmnissen bei Rohstoffen abzubauen und im Rahmen der Entwicklungspolitik Umweltund Sozialstandards im auslaendischen Rohstoffabbau zu verbessern. Monitoring ausbauen Wir werden die Deutsche Rohstoffagentur beauftragen, ein Monitoring kritischer Rohstoffe durchzufuehren und regelmaessig ueber die Verfuegbarkeit der fuer die deutsche Wirtschaft kritischen Rohstoffe zu berichten. Die Aussenwirtschaftsinstrumente zur Unterstuetzung der Rohstoffbezugssicherung wie ungebundene Finanzkredite wollen wir weiterentwickeln, um den Unternehmen langfristige Liefervertraege fuer Rohstoffe zu erleichtern. Weiterhin werden wir pruefen, wie das Antragsverfahren verbessert werden kann, um das Instrument fuer mehr Unternehmen nutzbar zu machen. Industrie Deutschland verdankt seine starke wirtschaftliche Rolle einer besonders leistungsfaehigen Industrie, die weltweit einen hervorragenden Ruf geniesst. Waehrend in anderen Laendern der Anteil der Industrie in den letzten Jahrzehnten weiter zurueckging, hat Deutschland seine Industrie nicht aufgegeben, sondern weiterentwickelt. Dank einer vorausschauenden Politik und eines guten Zusammenspiels der Sozialpartner bildet der industrielle Sektor mit einem starken Mittelstand das Fundament fuer Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplaetze. Die Gueterproduktion ist der Anker fuer die industrielle Wertschoepfungskette, die Zulieferer und zahlreiche Dienstleister miteinander verbindet. Gleichzeitig aber nimmt das oeffentliche Bewusstsein fuer die Bedeutung der Industrie ab. Wir werden deshalb einen Dialog ueber die Rolle und das Selbstverstaendnis sowie die gesellschaftliche Akzeptanz einer zukunftsorientierten Industrie anstossen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 19 Strategische Innovationspolitik Wir treten fuer eine strategische Innovationspolitik ein, die von Deutschlands traditionellen industriellen Kernkompetenzen ausgeht. Wir werden neue branchenuebergreifende Netzwerke und die Bildung von Innovationsclustern staerker als bisher unterstuetzen. Wir wollen Verfahrensinnovationen foerdern, die das Zusammenspiel von Industrie und industrienahen Dienstleistungen (etwa IT und Logistik) weiter verbessern. Wir wollen, dass sich Partner aus Wirtschaft, Gewerkschaft, Wissenschaft und Bildung in Innovationsbuendnissen zusammenschliessen. Die Initiierung von Innovationsprozessen zum Beispiel durch Spitzenclusterwettbewerbe oder durch Netzwerke wie die Nationale Plattform Elektromobilitaet wollen wir auf alle Leitmaerkte – auch in Europa – ausweiten. Zu diesen Leitmaerkten gehoeren vor allem:   der Maschinenund Anlagenbau sowie die Produktionstechnik als wesentliche Innovationstreiber fuer systemische, energieund ressourcensparende Produktionsprozesse;   die Neuen Werkstoffe, mit besonderem Potenzial fuer die Vernetzung klassischer Branchen mit den Schluesseltechnologien Nanotechnologie, Mikrosystemtechnik, Photonik und Biotechnologie;   Mobilitaet und Logistik mit ihren breiten Wertschoepfungsketten;   die Informationsund Kommunikationswirtschaft als Querschnittstechnologie;   die Energieund Umweltwirtschaft mit ihren zahlreichen Schnittmengen zu anderen Clustern und der hohen weltweiten Nachfrage nach nachhaltigen Systemloesungen;   die Medienund Kreativwirtschaft mit ihrem wichtigen Beitrag fuer die zukunftsweisende Gestaltung materieller und immaterieller Produkte und Dienstleistungen;   die Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik, denen durch den demografischen Wandel eine besondere Bedeutung zukommt. Die Querschnittsbereiche Industrie 4.0, Leichtbautechnologien und Elektromobilitaet sind von besonderer Bedeutung:   Das Internet der Dinge haelt Einzug in die Fabriken. Durch die intelligente Vernetzung innerhalb von Wertschoepfungsketten kann auch der Ressourcenverbrauch reduziert werden. Um die Technologiefuehrerschaft im Maschinenbau zu erhalten, wollen wir das Feld Industrie 4.0 aktiv besetzen.   Die Foerderung von Leichtbautechnologien ist ein wichtiger Beitrag zur Ressourceneffizienz. Wir wollen Deutschland zum Leitanbieter in diesem Sektor entwickeln. Wir werden deshalb branchenuebergreifend die materialund technologieoffene Industrialisierung von Leichtbaukonzepten weiter foerdern und ausbauen.   Wir halten an dem Ziel fest, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter fuer E-Mobilitaet zu machen. Dabei verfolgen wir einen technologieoffenen Ansatz inklusive der Wasserstoff-, Hybrid-, Batterieund Brennstoffzellentechnologie. Wir Wachstum, Innovation und Wohlstand 20 werden aus vorhandenen Eigenmitteln der KfW ein Programm mit zinsguenstigen Krediten zur Anschaffung besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge auflegen und damit insbesondere auch Elektrofahrzeuge foerdern. Schluesselindustrien weiter unterstuetzen Unser Ziel ist, bei Schluesseltechnologien und IT-Kernkompetenzen (IT-Sicherheit, Netzwerktechnik, Embedded Systems, Prozessund Unternehmenssoftware, Kryptographie, Machine-to-Machine-Kommunikation etc.) eigene Technologieplattformen und Produktionslinien in Deutschland bzw. im europaeischen Verbund zu halten. Als Alternative zu den geschlossenen digitalen oekosystemen unterstuetzt und foerdert der Bund im Software-Bereich gerade auch die Entwicklung von offenen Plattformen und Open-Source-Loesungen und setzt sich dafuer auch auf europaeischer Ebene ein. Wir wollen im globalen Wettbewerb „Software made in Germany“ als Qualitaetsversprechen bzgl. Sicherheit, Datenschutz, Design und Nutzerfreundlichkeit staerken. Wir unterstuetzen Prozesse der Standardisierung, Interoperabilitaet und Zertifizierung als wichtige Parameter fuer den Markterfolg deutscher Produkte. Auch die Mikroelektronik wollen wir mit Blick auf die Digitalisierung unserer Industrie und der Sicherung eigener Faehigkeiten in diesem Sektor als eine der Schluesselindustrien fuer die Zukunft sichern und die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland weiter verbessern. Die Luftund Raumfahrt spielt eine wichtige strategische Rolle fuer unseren Wirtschaftsstandort und ist ein Eckpfeiler der europaeischen Kooperation. Sie ist Vorreiter fuer die Entwicklung und Erprobung neuer Technologien und wirkt ueber den Technologietransfer als Innovationstreiber in andere Wirtschaftsbereiche. Wir werden daher die Foerderung entsprechend der Hightech-Strategie fortsetzen und die nationalen Foerderund Begleitstrukturen konsequent weiterentwickeln. Das Luftfahrtforschungsprogramm des Bundes werden wir weiterentwickeln und ausbauen. Der Bereich Sicherheitsund Verteidigungsindustrie ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, sondern auch aus technologieund sicherheitspolitischer Sicht von nationalem Interesse. Daher werden wir sicherstellen, dass Kernkompetenzen und Arbeitsplaetze in Deutschland erhalten bleiben sowie Technologien und Faehigkeiten weiterentwickelt werden. Wir werden die maritime Wirtschaft staerken, Deutschland weiter zu einem maritimen Hightech-Standort ausbauen und die Nationalen Maritimen Konferenzen fortfuehren. Die Zukunftsstrategie „LeaderSHIP Deutschland“ wird weiterentwickelt. An den bestehenden Finanzierungsinstrumenten, insbesondere den CIRRZinsausgleichsgarantien und Exportgarantien (Hermesdeckungen), fuer den Schiffbau halten wir fest. Die Schiffbauund Meerestechnik wird in die Hightech-Strategie einbezogen, die Vernetzung der maritimen Wirtschaft mit der Offshore-WindenergieBranche vorangebracht. Wachstum, Innovation und Wohlstand 21 Mittelstand, Handwerk, Handel und Freie Berufe Mittelstand Der Mittelstand ist der innovationsstarke Beschaeftigungsmotor fuer Deutschland. Er verbindet regionale Verbundenheit und Internationalisierung. Er leistet einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Wertschoepfungskette am Wirtschaftsstandort Deutschland. Mittelstaendische Unternehmen, insbesondere das Handwerk, haben auch als „Ausbilder der Nation“ eine zentrale Rolle. Wir wollen die Rahmenbedingungen zur Entfaltung von Mittelstand, Selbstaendigkeit und Existenzgruendungen verbessern. Mittelstandsfoerderung: Wir werden die Mittelstandsfoerderung zielgerichtet fortsetzen. Wir wollen die Thesaurierungsregelungen fuer Einzelunternehmen pruefen. Das Programm „Unternehmen Region“ fuehren wir fort. Wir werden Foerderprogramme buendeln und Antragsverfahren vereinfachen, damit noch mehr kleine und mittlere Unternehmen daran teilhaben koennen. Das Zentrale Innovationsfoerderprogramm Mittelstand (ZIM) stoesst als Instrument zur Foerderung innovationsstarker kleiner und mittlerer Unternehmen auf eine gute Akzeptanz. Es soll auch nach 2014 fortgeschrieben werden, um noch mehr Innovationen aus dem Mittelstand zu ermoeglichen. Mittelstandsfinanzierung: Hemmnisse bei der Mittelstandsfinanzierung werden wir abbauen und dafuer sorgen, dass keine neuen entstehen. Wir werden uns fuer die Sicherstellung der klassischen Mittelstandsfinanzierung ueber Sparkassen, Volksund Genossenschaftsbanken, Privatbanken und Foerderbanken sowie Buergschaftsbanken stark machen. Exportorientierte deutsche Unternehmen brauchen auch in Zukunft die Unterstuetzung bei der Absicherung des Aussenhandels durch Hermesdeckungen. Die Exportund Projektfinanzierung der staatseigenen KfW-Bank fuer mittelstaendische Unternehmen muss fortgefuehrt werden. Wir werden die Einfuehrung von Basel III kritisch begleiten und uns gegebenenfalls fuer Nachbesserungen einsetzen. Die aktuell guten Finanzierungskonditionen muessen von den Banken an den Mittelstand weitergegeben werden. Handwerk Wir wollen ein starkes Handwerk. Deutschland wird die europaeische Diskussion ueber eine verstaerkte oeffnung des Dienstleistungsbinnenmarktes konstruktiv begleiten. Wir werden allerdings unveraendert darauf hinwirken, dass der Meisterbrief nicht durch Massnahmen des europaeischen Binnenmarktes beeintraechtigt wird und erhalten bleibt. Wir bekennen uns zu den Kammern. Wir bestaerken sie darin, ihre Dienstleistungsfunktion fuer die Mitgliedsunternehmen weiterzuentwickeln. Die Kammern muessen einen spuerbaren Beitrag fuer ihre Akzeptanz bei den Mitgliedsunternehmen leisten, indem sie sich noch staerker am Gedanken der Selbstverwaltung und der Interessenwahrnehmung, vor allem fuer kleine und mittlere Unternehmen orientieren. Transparenz von Entscheidungen ist dabei ein wichtiger Bestandteil des demokratischen Prinzips. Die Tarifautonomie macht einen grossen Teil der Erfolgsgeschichte des Handwerks aus. Damit das Handwerk zukunftsfaehig bleibt, wollen wir die Sozialpartnerschaft und die Tarifbindung staerken. Wir appellieren an die Innungen als Koerperschaften des oef- Wachstum, Innovation und Wohlstand 22 fentlichen Rechts, die wichtige gesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung zu uebernehmen, als Tarifpartner zur Verfuegung zu stehen. Einzelhandel Der Einzelhandel befindet sich derzeit in einem Strukturwandel. Wir werden gemeinsam mit den Unternehmen und Verbaenden, den Kommunen und den Gewerkschaften eine Plattform ins Leben rufen, um neue Perspektiven fuer den Einzelhandel aufzuzeigen – sowohl um die Veroedung unserer Innenstaedte zu verhindern, als auch um die Versorgung im laendlichen Raum zu gewaehrleisten. Freie Berufe Selbstaendige und Freiberufler stehen als wesentlicher Teil des Mittelstands im Fokus unserer Wirtschaftspolitik. Wir werden uns fuer den Erhalt der Selbstverwaltung von Kammern und Verbaenden in den Freien Berufen auf europaeischer Ebene einsetzen. Existenzgruender und Wachstumsfinanzierung Die Existenzgruender von heute sind der Mittelstand von morgen. Deshalb wollen wir Existenzgruendungen foerdern. Wir wollen eine zielgerichtete Foerderung des bewaehrten Gruendercoachings, insbesondere fuer Gruendungen aus Arbeitslosigkeit. Wir wollen die Attraktivitaet von Beteiligungsinvestitionen insbesondere bei neu gegruendeten Unternehmen steigern. Dazu werden wir entsprechend der vorhandenen Mittel die Rahmenbedingungen fuer Investoren verbessern, die mit ihrem Geld junge, wachstumsstarke Unternehmen vor allem im High-Tech-Bereich unterstuetzen. Mit dem High-Tech Gruenderfonds steht ein gutes Instrument fuer die Fruehphasenfinanzierung zur Verfuegung, das auskoemmlich fortgesetzt werden soll. Wir wollen die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen fuer Wagniskapital international wettbewerbsfaehig gestalten und Deutschland als Fondsstandort attraktiv machen. Hierfuer ist ein eigenstaendiges Regelwerk erforderlich. Auch neue Finanzierungsformen wie Crowdfunding („Schwarmfinanzierung“) brauchen einen verlaesslichen Rechtsrahmen. Wir werden die Gruendung von Genossenschaften wie andere Existenzgruendungen foerdern. Dazu werden wir geeignete Foerderinstrumente entwickeln und bestehende anpassen. Wir werden Genossenschaften die Moeglichkeit der Finanzierung von Investitionen durch Mitgliederdarlehen wieder eroeffnen. Regionale Strukturpolitik – Deutsche Einheit staerken Regionale Strukturpolitik Wir erhalten die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) als eigenstaendiges Instrument zur Foerderung strukturschwacher Regionen. Die unterschiedlichen Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der Agrarstruktur und Kuestenschutz“ (GAK) sowie die GRW muessen miteinander koordiniert werden. Angesichts des Rueckgangs der Mittel aus den europaeischen Strukturfonds und durch den vorgesehenen Wegfall der Investitionszulage Ende 2013 wird die Bedeutung der Wachstum, Innovation und Wohlstand 23 GRW zur Reduzierung regionaler oekonomischer Unterschiede wachsen. Wir wollen sie auf dem Niveau von 2009 durch ressortinterne Haushaltsumschichtung erwirtschaften. Ab 2020 ist ein weiterentwickeltes System der Foerderung strukturschwacher Regionen erforderlich. Ein solches System muss sich auf die strukturschwachen Regionen in den jeweiligen Bundeslaendern konzentrieren und daher die Differenzierung zwischen Ost und West beseitigen. Die Grundlagen fuer ein solches System wollen wir in dieser Legislaturperiode erarbeiten, damit Planungssicherheit fuer die Zeit nach 2019 fuer die Laender und Regionen herrscht. Unser Ziel sind gleichwertige Lebensverhaeltnisse in ganz Deutschland. Deutsche Einheit staerken Durch grosse finanzielle Anstrengungen und das Engagement der Menschen in Ost und West ist es gelungen, die neuen Laender zu lebenswerten und attraktiven Regionen zu entwickeln. Die wirtschaftliche Wettbewerbsfaehigkeit hat zugenommen. Dabei hat die gute wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes dazu gefuehrt, dass die Arbeitslosigkeit in den neuen Laendern auf dem niedrigsten Niveau seit der Wiedervereinigung liegt. Trotz aller Fortschritte sind aber immer noch deutlich mehr Menschen arbeitslos als in Westdeutschland. Zugleich sind die Auswirkungen des Bevoelkerungswandels im Osten stark zu spueren. Vor diesem Hintergrund ist die Schaffung gleichwertiger Lebensverhaeltnisse eine grosse gesamtstaatliche Herausforderung, der sich die Koalition bewusst ist. Wir wollen eine stabile und gute wirtschaftliche sowie soziale Entwicklung Ostdeutschlands erreichen. Investitionen in die gewerbliche Wirtschaft, in Forschung und Entwicklung sowie in die Chancen des laendlichen Raumes haben einen hohen Stellenwert, um dieses Ziel zu erreichen. Wir wollen die Foerderung im Solidarpakt II vereinbarungsgemaess umsetzen. Ob und wie wir die speziellen Foerderprogramme der ostdeutschen Bundeslaender nach und nach in ein gesamtdeutsches System fuer strukturschwache Regionen ueberfuehren, beraet die einzurichtende Bund-Laender-Finanzkommission. Die Bund-LaenderGemeinschaftsaufgabe GRW soll hierbei als Ausgangspunkt dienen. Die Investitionsfoerderung wollen wir auf hohem Niveau fortfuehren und weiterentwickeln. Wir wollen die Antragsverfahren vereinfachen und ihre Abwicklung verstaerkt elektronisch anbieten. Wir werden uns auf europaeischer Ebene dafuer einsetzen, dass der Aufbau Ost weiterhin unterstuetzt wird. Das in Ostdeutschland bewaehrte Instrument der Forschungs-GmbH wollen wir fortfuehren. Die Wirtschaftsfoerdergesellschaften der ostdeutschen Laender sollen bei der Erschliessung internationaler Maerkte und der Gewinnung geeigneter Investoren seitens der Germany Trade & Invest Gesellschaft weiterhin unterstuetzt werden. Die Erfolgsgeschichte „Wissenschaftsstandort Neue Laender“ wollen wir fortschreiben. Wir wollen die Forschung und insbesondere den Transfer der gewonnenen Erkenntnisse in neue Produkte und Verfahren weiter unterstuetzen, weil nur so ein selbsttragender Aufschwung mit hoeherer Produktivitaet und Einkommenszuwaechsen erreicht werden kann. Wachstum, Innovation und Wohlstand 24 Wir erinnern an den Beschluss der Foerderalismuskommission, demzufolge neue Bundeseinrichtungen bevorzugt in den ostdeutschen Laendern angesiedelt werden sollen. Die Energiewende ist fuer die neuen Laender sowohl als Produktionsstandort fuer Anlagen als auch fuer die Erzeugung Erneuerbarer Energien eine grosse Chance. Auch die Braunkohle spielt nach wie vor eine bedeutende Rolle fuer die Wirtschaftsstruktur. Kaum eine Region in Europa war und ist so stark von Bevoelkerungsveraenderungen betroffen wie die ostdeutschen Laender. Vor allem in den laendlichen, strukturschwachen Regionen sind die Folgen deutlich zu spueren. Wir wollen zeigen, wie eine Gesellschaft mit geringerer Bevoelkerungszahl und einem hoeheren Anteil aelterer Menschen dennoch eine leistungsfaehige Infrastruktur erhalten kann. Dazu wollen wir weitere Pilotprojekte auf den Weg bringen, bei denen Erkenntnisse gewonnen werden, die auch fuer andere Regionen unseres Landes, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vor gleichen Entwicklungen stehen, hilfreich sind. Eine leistungsfaehige Verkehrsinfrastruktur ist die Grundlage fuer eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Die Anbindungen der Ostseehaefen und Flughaefen an die nationalen und europaeischen Verkehrsrouten ebenso wie die Schienenverkehrsverbindungen nach Polen und Tschechien wollen wir verbessern. Dies gilt gerade mit Blick auf die dynamische wirtschaftliche Entwicklung und die damit verbundenen grossen Chancen einer engeren Zusammenarbeit mit unseren oestlichen Nachbarn. Dazu gehoert auch die Realisierung der von der Ostsee bis an die Adria und das Schwarze Meer reichenden transeuropaeischen Achse, die wir weiter unterstuetzen werden. Kulturund Kreativwirtschaft Die Kulturund Kreativwirtschaft eroeffnet grosse wirtschaftliche und kulturelle Chancen fuer unser Land. Um sie entsprechend ihrer Bedeutung und ihres Potenzials zu foerdern und weiterzuentwickeln bedarf es eines umfassenden Konzeptes. So wird die Koalition die Unterstuetzung im Rahmen der „Initiative Kulturund Kreativwirtschaft“ der Bundesregierung fortsetzen und intensivieren. Programme der Wirtschaftsfoerderung sind staerker auch fuer Kulturbetriebe zu oeffnen. Gleichzeitig sollte der in den Foerderprogrammen des Bundes zugrunde gelegte Innovationsbegriff fuer die Kulturund Kreativwirtschaft geoeffnet und erweitert werden. Neben besserer Beratung bedarf es neuer Modellprojekte und Foerderung von Forschung, Entwicklung und Technologie. Foerdermoeglichkeiten fuer die Kulturund Kreativwirtschaft sollten in einer Datenbank dargestellt werden. Die Beteiligung Deutschlands an EU-Foerderprogrammen muss durch bessere Beratung erhoeht werden. Tourismus Der Tourismus in Deutschland ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der vielen Menschen Beschaeftigung gibt, gerade auch in laendlichen Regionen. Dazu benoetigt der Tourismus ein gutes Preis-Leistungsverhaeltnis, Qualitaet und Freundlichkeit im Service und weitere Anstrengungen mit Blick auf die Barrierefreiheit. Um qualifizierte Fachkraefte muss sich das Gastgewerbe, etwa durch verbesserte Ausbildungsanstrengungen, verstaerkt bemuehen. Der Ausbau der touristischen Infrastruktur muss mit den vorhandenen und bewaehrten Foerderinstrumentarien weiter unterstuetzt werden. Wachstum, Innovation und Wohlstand 25 Die Deutsche Zentrale fuer Tourismus (DZT) soll die internationale Vermarktung des Reiselandes Deutschlands auf dem bisherigen Niveau weiter unterstuetzen und auch dazu beitragen, die Bekanntheit von bislang weniger frequentierten Tourismusgebieten zu erhoehen. Wir wollen eine „Initiative Kulturtourismus“ ins Leben rufen und in Zusammenarbeit mit den Ressorts Kultur und Wirtschaft gestalten. Wesentliche Ziele sind Akteure aus den Feldern Kultur und Tourismus in ihrem Zusammenwirken zu qualifizieren sowie Modellprojekte und innovative Kooperationsformen zu foerdern. Unternehmensnachfolge Um die Unternehmensnachfolge zu erleichtern, werden wir Vermittlungsplattformen, wie die von den Kammern betriebene „nexxt change“, unterstuetzen und weiter ausbauen. Unternehmensnachfolge soll auch kuenftig durch die Erbschaftsbesteuerung nicht gefaehrdet werden. Notwendig ist daher eine verfassungsfeste und mittelstandsfreundlich ausgestaltete Erbschaftsund Schenkungsteuer, die einen steuerlichen Ausnahmetatbestand bei Erhalt von Arbeitsplaetzen vorsieht. Rechtsrahmen Im Gewaehrleistungsrecht wollen wir dafuer sorgen, dass Handwerker und andere Unternehmer nicht pauschal auf den Folgekosten von Produktmaengeln sitzen bleiben, die der Lieferant oder Hersteller zu verantworten hat. Im Interesse mittelstaendischer Unternehmen setzen wir uns dafuer ein, eine Europaeische Privatgesellschaft („Europa-GmbH“) zu schaffen. Wir werden dabei sicherstellen, dass die nationalen Vorschriften ueber die Mitbestimmung, des Steuerund des Handelsregisterrechts nicht umgangen werden. Insolvenzen in einem Unternehmensverbund sollen kuenftig durch intensivere Abstimmung der Einzelinsolvenzverfahren effizienter bewaeltigt werden. Zudem werden wir das Insolvenzanfechtungsrecht im Interesse der Planungssicherheit des Geschaeftsverkehrs sowie des Vertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ausgezahlte Loehne auf den Pruefstand stellen. Buerokratieabbau und bessere Rechtsetzung Der Abbau von unnoetiger Buerokratie staerkt die Wettbewerbsfaehigkeit unserer Unternehmen, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen. Eine leistungsfaehige oeffentliche Verwaltung und geringer Erfuellungsaufwand sind ein wesentlicher Standortvorteil. Wir wollen Wirtschaft und Buerger weiter spuerbar von unnoetiger Buerokratie entlasten. Dazu wollen wir Projekte foerdern, in denen Unternehmen und Verbaende, Normenkontrollrat und Bundesministerien, Landesbehoerden und Kommunen gemeinsam Vereinfachungsmoeglichkeiten identifizieren und fuer eine entsprechend bessere Rechtsetzung sorgen. In geeigneten Faellen werden wir Regelungen praktisch erproben, bevor sie beschlossen werden. Gesetze muessen einfach, verstaendlich und zielgenau ausgestaltet werden, damit Buerokratielasten vermieden oder so gering wie moeglich gehalten werden. Notwendig sind auch Initiativen fuer eine unternehmensfreundliche Verwaltung etwa durch eine konsequente Umsetzung von E-Government zur elektronischen Kommu- Wachstum, Innovation und Wohlstand 26 nikation zwischen Unternehmen und Behoerden. Wir wollen bei den Informationsund Nachweispflichten zu einer Entlastung kommen und den Erfuellungsaufwand verringern. Wir setzen uns fuer einen wirksameren Normenkontrollmechanismus auf europaeischer Ebene ein. Die Europaeische Union muss sich bei der Normsetzung selbst zuruecknehmen. Dies betrifft sowohl bereits bestehende als auch die Verabschiedung neuer Regelungen. Weiterhin werden wir darauf hinwirken, dass in allen kuenftigen EUGesetzgebungen geprueft wird, ob kleine und mittlere Unternehmen von bestimmten Regelungen ausgenommen werden koennen. 1.2. In Deutschlands Zukunft investieren: Bildung und Forschung Hochschulen Bildung, Wissenschaft und Forschung sind von ueberragender Bedeutung fuer die gesellschaftliche Entwicklung, gleiche Lebenschancen der Menschen und die internationale Wettbewerbsfaehigkeit unserer Volkswirtschaft. Die klare Prioritaetensetzung zugunsten von Bildung, Wissenschaft und Forschung, die im 10-Prozent-Ziel zum Ausdruck kommt, haben. Bund, Laender und Gemeinden in den letzten Jahren erfolgreich umgesetzt. Sie muss in den naechsten Jahren fortgefuehrt und verstaerkt werden. Wir wollen die Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung im Zusammenwirken von Bund, Laendern und Gemeinden verstaerken, damit in unserer Gesellschaft Teilhabe, Integration und Bildungsgerechtigkeit verwirklicht werden und unser Wohlstand auch kuenftigen Generationen erhalten bleibt. Zukunft des Wissenschaftssystems Das deutsche Wissenschaftssystem leistet einen entscheidenden Beitrag zur Zukunftsfaehigkeit unseres Landes und unserer Gesellschaft. Im Zentrum dieses Wissenschaftssystems stehen die Hochschulen, die in einzigartiger Form Forschung und Lehre vereinbaren. Sie sind von besonderer Bedeutung und erbringen herausragende Leistungen in der Bildung, Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie der Wissenschaft und Forschung. Wir wollen die Dynamik der Exzellenzinitiative, des Hochschulpaktes und des Pakts fuer Forschung und Innovation erhalten, deren Leistungen fuer das Wissenschaftssystem weiterentwickeln und die Wissenschaftsfoerderung insgesamt ausbauen. Unsere Kernanliegen sind die Staerkung der Hochschulen, die Staerkung der Wissenschaftsorganisationen und die Foerderung strategischer Profile und Kooperationen im Wissenschaftssystem. Wir gewaehrleisten Planungssicherheit und schaffen eine nachhaltige Perspektive fuer das deutsche Wissenschaftssystem. Fortsetzung des Hochschulpakts Wir wollen den Hochschulpakt fortsetzen und zuegig die Verhandlungen ueber die dritte Phase aufnehmen. Dabei sollen Hochschulen fuer gute Lehre und Angebote, die mehr Studierende qualitaetsgesichert zu einem erfolgreichen Abschluss fuehren, staerker honoriert werden. Das Ziel, mehr beruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule zu eroeffnen, werden wir ebenfalls im Hochschulpakt verankern. Wachstum, Innovation und Wohlstand 27 Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative Die Exzellenzinitiative von Bund und Laendern hat in sehr erfolgreicher Art und Weise eine neue Dynamik in das deutsche Wissenschaftssystem gebracht, die wir erhalten und ausbauen wollen. Wir werden dabei auch die Foerderlinien, die sich besonders bewaehrt haben, in wissenschaftsgeleiteten Verfahren weiterentwickeln und in neue Foerderformate ueberfuehren. Dabei wollen wir die besondere Situation erfolgreicher Projekte aus der zweiten Runde der Exzellenzinitiative beruecksichtigen. Darueber hinaus werden wir regionale Verbuende staerker foerdern. Fortsetzung des Pakts fuer Forschung und Innovation Mit dem Pakt fuer Forschung und Innovation (PFI) konnten die internationale Wettbewerbsund Innovationsfaehigkeit der deutschen Forschungslandschaft deutlich gesteigert werden. Wir werden die Foerderung der fuenf Wissenschaftsorganisation Deutsche Forschungsgemeinschaft, Max-Planck-Gemeinschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft durch verlaessliche Aufwuechse ueber das Jahr 2015 hinaus fortfuehren. Wir werden mit den Wissenschaftsorganisationen konkrete Ziele beispielsweise zur Gleichstellung, Nachwuchsfoerderung und zu mehr Kooperation insbesondere im Wissenschaftssystem vereinbaren. Verbesserung der Grundfinanzierung der Hochschulen Die Hochschulen stehen im Zentrum des Wissenschaftssystems. Ihnen verlaessliche Perspektiven und Planungssicherheit zu geben, muss im Zentrum der Wissenschaftspolitik der naechsten Jahre stehen. Wir werden in den naechsten vier Jahren seitens des Bundes den Hochschulen mehr Geld zur Grundfinanzierung zur Verfuegung stellen. Planbare und verlaessliche Karrierewege in der Wissenschaft Befristete Beschaeftigungsverhaeltnisse aufgrund von Qualifizierungsphasen, zeitlich befristeten Forschungsprojekten und anderen Sachgruenden liegen in der Natur des Wissenschaftsbetriebs; ihr Anteil – insbesondere ueber sehr kurze Zeitraeume – hat in den letzten Jahren ein Mass erreicht, das Handlungsbedarf entstehen laesst. An erster Stelle ist ein aktives Gegensteuern Aufgabe der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in ihrer Rolle als Arbeitgeber. Wir begruessen entsprechende Aktivitaeten der Wissenschaftsorganisationen und werden deren Bemuehungen durch eine Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes flankieren. Wir wollen fuer den wissenschaftlichen Nachwuchs planbare und verlaessliche Karrierewege schaffen. Der Bund wird im Rahmen seiner Foerderung und bei Vereinbarungen zu neuen Instrumenten auf angemessene Laufzeiten der Anstellungsvertraege achten. Chancengleichheit im Wissenschaftssystem Frauen sind trotz wichtiger Fortschritte in den letzten Jahren auch im deutschen Wissenschaftssystem noch immer strukturell benachteiligt. Vom Studium ueber die Promotion, die Post-Doc-Phase und weitere Qualifizierung bis hin zur Professur nimmt ihr Anteil kontinuierlich ab. Zukunftsorientierte Politik muss die Voraussetzungen dafuer schaffen, dass Frauen auf allen Ebenen des Wissenschaftssystems, vor allem auch in Fuehrungspositionen, angemessen vertreten sind. Deshalb werden wir bei Vereinbarungen ueber neue Foerderinstrumente fuer die Wissenschaft kuenftig verstaerkt Wachstum, Innovation und Wohlstand 28 die Einhaltung von Gleichstellungsstandards und die Festlegung konkreter Ziele fuer mehr Frauen in Fuehrungspositionen verankern. Die Festsetzung von Zielquoten ueber das Kaskadenmodell ist unerlaesslich, ihre konsequente Umsetzung bei den Forschungsorganisationen werden wir nachdruecklich einfordern. Das erfolgreiche Professorinnen-Programm fuehren wir fort. Zur Foerderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen wir Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen bei der Etablierung familienfreundlicher Strukturen weiter unterstuetzen. Durchlaessigkeit des Bildungssystems staerken – akademische und berufliche Bildung besser verzahnen Wir nehmen besonders die uebergaenge zwischen beruflicher und akademischer Bildung in den Blick, bei denen es in Deutschland trotz mancher Fortschritte nach wie vor Nachholbedarf gibt. Wir werden die Akteure beider Bereiche bei der Entwicklung und Verbreitung von Brueckenangeboten unterstuetzen, die beruflich Qualifizierten den Zugang zu einem Hochschulstudium und zu akademischen Weiterbildungsangeboten eroeffnen. Durch die Ausweitung des Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung – offene Hochschule“ werden wir die Hochschulen bei der Entwicklung passgenauer Angebote fuer die Zielgruppe der beruflich Qualifizierten unterstuetzen. Ebenso werden wir die Akteure unterstuetzen, ihre Angebote fuer Menschen, die aus einem Studium in eine berufliche Bildung wechseln, weiterzuentwickeln und zu systematisieren. Geistes-, Kulturund Gesellschaftswissenschaften staerken Wir werden die Foerderung der Geistes-, Kulturund Gesellschaftswissenschaften in Deutschland insbesondere mit interdisziplinaeren und sektoruebergreifenden Initiativen ausbauen. Bei der Foerderung der Geistes-, Kulturund Gesellschaftswissenschaften in Deutschland werden wir europaeische und internationale Aspekte in den Vordergrund ruecken, Nachwuchs gezielt foerdern, Informationsinfrastrukturen ausbauen und im aussereuropaeischen Ausland internationale Kollegs fuer Geistesund Sozialwissenschaften etablieren. Die erfolgreiche Foerderung der „Kleinen Faecher“ wird durch [neue Initiativen zur Vernetzung erweitert. Digitalisierung und Infrastruktur in der Wissenschaft Wir werden eine Strategie fuer den digitalen Wandel in der Wissenschaft initiieren, zum Beispiel um Zugang und Nutzbarkeit von komplexen Forschungsdaten zu verbessern. Gemeinsam mit den Laendern werden wir einen Rat fuer Informationsinfrastrukturen gruenden, in dem sich die Akteure des Wissenschaftssystems ueber die Erarbeitung disziplinenund institutionenuebergreifender Strategien und Standards verstaendigen. Zudem wollen wir virtuelle Forschungsumgebungen staerken, die es Forscherinnen und Forschern erlauben, mithilfe digitaler Medien ueber disziplinaere, institutionelle und geografische Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten und daraus auch neue Forschungsmethoden und -gegenstaende zu entwickeln. Den Nationalen Roadmap-Prozess fuer grosse Forschungsinfrastrukturen wollen wir unter Beruecksichtigung neuer Kooperationsmoeglichkeiten zwischen Bund und Laendern weiter entwickeln. Dabei sollen – auch vor dem Hintergrund der Bedeutung der Nutzung solcher Infrastrukturen insbesondere fuer Hochschulen – alle Wissenschaftseinrichtungen und Forschungsorganisationen einbezogen werden. Wachstum, Innovation und Wohlstand 29 Wir werden weiterhin auf europaeischer und internationaler Ebene aktiv an der Gestaltung von Forschungsinfrastrukturen von europaeischer und globaler Bedeutung mitwirken. Internationalisierung der Wissenschaft Wir wollen eine neue Qualitaet der internationalen Wissenschaftszusammenarbeit erreichen und die Internationalisierungsstrategie weiterentwickeln. Dabei werden wir mit den deutschen Wissenschaftsund Forschungsorganisationen eine verstaerkte Vernetzung ihrer Aktivitaeten der Internationalisierung vereinbaren und sie hierbei unterstuetzen. Zudem werden wir die Forschungszusammenarbeit mit den Schwellen-, Entwicklungsund Transformationslaendern strategisch weiter entwickeln. Deutschland ist bereits heute nach den USA und Grossbritannien das drittwichtigste Gastland fuer Studierende aus dem Ausland. Bis zum Ende des Jahrzehnts wollen wir dafuer sorgen, dass die Zahl auslaendischer Studierender um rund ein Drittel auf etwa 350.000 gesteigert wird. Die Mobilitaet deutscher Studierender wollen wir gezielt erweitern. Wir wollen, dass jeder zweite Studienabsolvent und jede zweite Studienabsolventin studienbezogene Auslandserfahrung gesammelt hat. Zentrale Impulsgeber fuer das Thema Mobilitaet an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Alexander von Humboldt Stiftung mit ihren zahlreichen Aussenstellen, die im Rahmen des Internationalen Hochschulmarketings fuer den Bildungsund Wissenschaftsstandort Deutschland werben. Ihre Schlagkraft wollen wir erhoehen und Synergien nutzen. Begabtenfoerderung Mit Erfolg foerdert der Bund seit Jahrzehnten begabte junge Leute, indem er die Begabtenfoerderwerke und die Stiftung Begabtenfoerderung Berufliche Bildung unterstuetzt. Um den hochqualifizierten Nachwuchs zu sichern, werden wir dieses Engagement fortfuehren. Das Deutschlandstipendium werden wir mit der Zielmarke von 2 Prozent der Studierenden in dieser Legislaturperiode fortfuehren. Allgemeine Bildung Kulturelle Bildung in die Breite tragen Kulturelle Bildung erschliesst neue Welten und traegt massgeblich zur Persoenlichkeitsbildung bei. Alle Kinder und Jugendlichen muessen deshalb Zugang zu kultureller Bildung haben. Mit dem Programm „Kultur macht stark“ leisten wir einen Beitrag dazu, dass kulturelle Bildung in der Breite ankommt. Politische Bildung Die Politische Bildung ist ein zentrales Element zur Staerkung unserer Demokratie. Auch die ausserschulische politische Bildung, nicht zuletzt durch die politischen Stiftungen, wollen wir staerken. Wachstum, Innovation und Wohlstand 30 Fuer die Fachkraefte von morgen: MINT-Bildung ausbauen Wir werden die MINT-Bildung staerken, Innovationsfaehigkeit foerdern und dem Fachkraeftemangel im MINT-Bereich frueh entgegenwirken. Wir unterstuetzen gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. Wir wollen 80 Prozent aller Kindertagesstaetten bis 2015 erreichen. Digitale Bildung Wir werden mit den Laendern und Akteuren aus allen Bildungsbereichen eine gemeinsame Strategie „Digitales Lernen“, die die Chancen der neuen Medien fuer gute Bildung entschlossen nutzt, entwickeln und umsetzen. Die digitale Lehrmittelfreiheit muss gemeinsam mit den Laendern gestaerkt werden. Grundlage hierfuer ist ein bildungsund forschungsfreundliches Urheberrecht und eine umfassende Open-Access-Politik. Schulbuecher und Lehrmaterial auch an Hochschulen sollen, soweit moeglich, frei zugaenglich sein, die Verwendung freier Lizenzen und Formate ausgebaut werden. Nicht nur in Schulen und Kitas moechten wir die IT-Fertigkeiten und den Umgang mit den Medien vermitteln. Eine starke digitale Wirtschaft braucht starke Fachkraefte, deshalb werden wir in einem kooperativen Miteinander von Bund und Laendern die Bildung und Ausbildung in den Bereichen IT und Technologie praxisorientiert staerken. Wir unterstuetzen die Foerderung von Wissenschaftskompetenz von der Grundschule bis zur Hochschule. Dabei foerdern wir Programme und Wettbewerbe in den MINTFaechern und einen zeitgemaessen Informatikunterricht ab der Grundschule. Damit das Wissen entsprechend vermittelt werden kann, sind Fortbildungsmoeglichkeiten fuer Lehrerinnen und Lehrer zur Medienkompetenz dringend notwendig. Wir streben ausserdem die Verfuegbarkeit ausreichender Master-Studienplaetze im Bereich IT an. Zielgerichtet sollen vor allem Maedchen und junge Frauen fuer diese Berufsfelder begeistert werden. Der Aufbau eines Mentorinnen-Netzwerks in der digitalen Wirtschaft ist dabei eine geeignete Massnahme. Der Anteil von Studentinnen zum Beispiel bei Informatik und Elektrotechnik soll erhoeht werden. Auch in den MINT-Faechern legen wir den Fokus verstaerkt auf die jungen Schuelerinnen und Studentinnen. Nach dem Vorbild der Eliteschulen des Sports werden wir mit den Laendern Gespraeche aufnehmen, um die Einfuehrung von Profilschulen IT/Digital mit dem Schwerpunktprofil Informatik anzuregen. Dabei ist die Kooperation mit Hochschulen oder Forschungseinrichtungen sowie gegebenenfalls privaten Partnern obligatorisch. Bildungsforschung Die empirische Bildungsforschung liefert wichtige Erkenntnisse ueber Bildungsverlaeufe und die Wirksamkeit von Massnahmen. Neue Schwerpunkte wollen wir in den naechsten Jahren in den Bereichen der Inklusion im Bildungssystem sowie der beruflichen Bildung und der Frage von uebergaengen setzen. Die Bildungsstatistik wird die Bundesregierung durch eine Novellierung der entsprechenden Gesetze sichern. Berufliche Bildung Wachstum, Innovation und Wohlstand 31 Die berufliche Bildung in Deutschland ist ein Erfolgsmodell und bietet vielen Menschen eine hervorragende Qualifizierung und damit einhergehende positive Karriereund Lebenschancen. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Sicherung unseres kuenftigen Fachkraeftebedarfs und Wohlstands. Die Koalition wird einen Schwerpunkt auf die Staerkung der beruflichen Bildung legen. Chance Beruf Angesichts des demografischen Wandels koennen wir es uns heute weniger denn je leisten, dass junge Menschen hinter ihren Moeglichkeiten zurueck bleiben. Wir wollen alle jungen Menschen erreichen. Die Beratung setzt praeventiv an, orientiert sich an der individuellen Bildungsbiographie und bricht auch geschlechtsspezifische Muster auf. Schuelerinnen und Schueler, Auszubildende, Studierende sowie Weiterbildungsinteressierte sollen systematisch beraten werden, damit ihnen verschiedene Bildungspfade eroeffnet werden. Wir werden dafuer ein lokal verankertes Netzwerk von Beratungsund Informationsangeboten auf den Weg bringen. In Kooperation mit den Laendern werden wir die erfolgreiche Initiative „Bildungsketten“ ausbauen, damit moeglichst viele Jugendliche frueh ihre Potenziale wahrnehmen, berufliche Optionen kennen lernen und so einen Schulund Berufsabschluss erreichen. Am uebergang zur Ausbildung werden wir die Berufseinstiegsbegleitung ausbauen, die Chancen der assistierten Ausbildung nutzen und mehr Anschlussmoeglichkeiten zwischen den verschiedenen Bildungswegen schaffen. Allianz fuer Ausund Weiterbildung Wir werden den Ausbildungspakt gemeinsam mit den Sozialpartnern und den Laendern zur „Allianz fuer Ausund Weiterbildung“ weiterentwickeln. Ziel der Allianz ist die Umsetzung der Ausbildungsgarantie in Deutschland. Kein junger Mensch darf zurueckbleiben oder wertvolle Lebenszeit in Warteschleifen verlieren. Zusammen mit den Partnern in der Allianz unterstuetzen wir Jugendliche mit schlechteren Startchancen insbesondere durch ausbildungsbegleitende Hilfen und die assistierte Ausbildung. Die Ausbildungsqualitaet wollen wir in den Blick nehmen und Ausbildungsabbruechen vorbeugen. Die Eingliederung junger Menschen mit Behinderungen in eine Berufsausbildung (Inklusion) ist uns dabei ein besonderes Anliegen. Die Massnahmen des uebergangssystems und zur Foerderung beruflicher Ausbildung werden wir gemeinsam mit den Laendern ueberpruefen und auf eine vollqualifizierende betriebliche Berufsausbildung hin ausrichten. Duale Ausbildung staerken Wir wollen die duale Ausbildung staerken und modernisieren. Wir werden das Berufsbildungsgesetz evaluieren und Anpassungen pruefen, insbesondere in Hinblick auf die Erhoehung der Durchlaessigkeit, die Staerkung der Ausbildungsqualitaet und gestufter Ausbildungen, die Bildung von Berufsfamilien und die Sicherung des Ehrenamtes in den Pruefungsgremien. Wir bekraeftigen zudem den hohen Wert des Konsensprinzips in der Berufsordnungsarbeit von oeffentlicher Hand und Sozialpartnern. Wachstum, Innovation und Wohlstand 32 Die ueberbetrieblichen Berufsbildungsstaetten und Kompetenzzentren leisten wichtige Beitraege zur Berufsorientierung und zur Unterstuetzung des ausbildenden Mittelstands. Wir werden sie daher auf dem bisherigen Niveau weiter foerdern. Kompetenzen anerkennen Wir werden das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen („Anerkennungsgesetz“) wo notwendig anpassen. Migrantinnen und Migranten, die noch Qualifizierungsmassnahmen absolvieren muessen, damit ihr Abschluss als gleichwertig anerkannt wird, [wollen wir finanziell unterstuetzen. Wir werden die Beratungsstrukturen im Inund Ausland verstaerken und die Betreuung verbessern. Fuer Menschen, die sogenannte informelle Kompetenzen erworben haben, die sie nicht durch Zertifikate belegen koennen, wollen wir neue Verfahren entwickeln und erproben, die zu Transparenz und Anerkennung fuehren. Internationale Bildungskooperationen Auf europaeischer und internationaler Ebene gehen wir mit unserem Beitrag voran, um die Berufsperspektiven der Jugendlichen zu verbessern und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in der EU zu senken. Wir unterstuetzen die Europaeische Ausbildungsallianz der EU-Mitgliedsstaaten durch Beratung und Leuchtturmprojekte. Wir kooperieren weltweit mit Partnerlaendern, die an dualer Ausbildung interessiert sind, bei Aufbau und Modernisierung von erfolgreichen Berufsbildungssystemen. Unsere Auszubildenden und ausgebildeten Fachkraefte sollen sich auf internationalen Maerkten erfolgreich bewegen und interkulturelle Kompetenzen entwickeln. Deswegen wollen wir den Anteil der Jugendlichen, die waehrend ihrer Ausbildung einen Auslandsaufenthalt absolvieren, verdoppeln. Weiterbildung ausbauen Angesichts des demographischen Wandels ist das lebenslange Lernen so wichtig wie nie. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe wollen wir im Rahmen der „Allianz fuer Ausund Weiterbildung“ bewaeltigen.
Wir sind von der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ueberzeugt. Das haben wir mit dem Deutschen Qualifikationsrahmen dokumentiert. Wir werden dafuer sorgen, dass neue Abschlusszeugnisse das jeweilige Qualifikationsniveau ausweisen. Wir werden die Durchlaessigkeit staerken und Berufstaetige, die ihren beruflichen Aufstieg durch Bildung in die Hand nehmen wollen, unterstuetzen. Die Koalition wird dazu das Aufstiegsfortbildungsfoerderungsgesetz (AFBG) mit dem Ziel novellieren, die Foerderleistungen zu verbessern und die Foerdermoeglichkeiten zu erweitern. Im Sinne der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung wollen wir Bachelor-Absolventen und -Absolventinnen den Zugang zur gefoerderten Aufstiegsfortbildung eroeffnen, wenn sie entsprechende berufliche Erfahrungen vorweisen koennen. Das Aufstiegsstipendium werden wir fortfuehren. Ein demokratisches Gemeinwesen ist auf muendige Buergerinnen und Buerger angewiesen. Es ist uns deshalb ein wichtiges Anliegen, die allgemeine Weiterbildung zu staerken. Die Koalition will den Kampf gegen Bildungsarmut fortsetzen und intensivie- Wachstum, Innovation und Wohlstand 33 ren. Wir werden die Alphabetisierungsstrategie von Bund und Laendern zu einer Dekade der Alphabetisierung weiterentwickeln und die Foerderung ausbauen. Die erfolgreiche Bildungspraemie wollen wir fortfuehren. Forschung Deutschland hat in den vergangenen Jahren in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Laendern und Wirtschaft einen deutlichen Zuwachs bei den Investitionen fuer Forschung und Entwicklung verzeichnen koennen. Diese gute Entwicklung werden wir durch eine konsequente Unterstuetzung der Hochschulforschung, den Ausbau der Programmfoerderung und die Foerderung der ausseruniversitaeren Forschungsorganisationen vorantreiben. Wir streben an, die Forschungsinvestitionen bei drei Prozent des BIP konstant zu halten. Hightechund Innovationsstrategie fuer Deutschland Die Hightech-Strategie werden wir zu einer umfassenden ressortuebergreifenden Innovationsstrategie fuer Deutschland weiterentwickeln. Zu den grossen gesellschaftlichen Herausforderungen, die wir mit dieser Innovationsstrategie bewaeltigen wollen, gehoeren vor allem Veraenderungen wie die demographische Entwicklung, die Digitalisierung und die Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Wir wollen diese Zukunftsaufgaben im Verbund von Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gestalten und dabei technologische wie gesellschaftliche Innovationen in den Blick nehmen. Wir werden geistesund sozialwissenschaftliche Begleitforschung sowie die interdisziplinaere Zusammenarbeit unterstuetzen, um den verantwortungsbewussten Umgang mit der Forschung und ihren Ergebnissen zu staerken. Den Ausbau der europaeischen und internationalen Forschungskooperationen werden wir vertiefen. Forschung fuer die Gesundheit der Menschen Die Gesundheitsforschung wird weiter eine herausgehobene Stellung in unseren Foerderanstrengungen einnehmen. Das Konzept der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung werden wir in einem wissenschaftsgeleiteten Verfahren fortentwickeln. Wir werden unter der ueberschrift „Gesundheit im Lebensverlauf“ den Patienten in den Mittelpunkt stellen und neue Initiativen fuer eine moderne Kinderund Jugendmedizin, Arbeitsmedizin sowie die Geschlechterund Altersmedizin auch unter dem Gesichtspunkt der Praevention und Gesunderhaltung starten. Die individualisierte Medizin wollen wir mit innovativen Strukturen und breit angelegter Forschung weiter staerken. Die Versorgungsforschung werden wir staerken, um vor allem die Alltagsversorgung von Patienten zu verbessern. Dazu gehoeren vor allem die Pflegewissenschaft, aber auch die Biometrie, Epidemiologie und Medizininformatik sowie der Aufbau von klinischen Registern, sofern eine dauerhafte Finanzierung im Versorgungssystem garantiert wird. Wir werden die Wirkstoffforschung staerken, um beispielsweise im Bereich der Antibiotika zur Bekaempfung von Multiresistenz und Sepsis die Entwicklung neuer Medikamente zu foerdern. Ebenso werden wir die Medizintechnik foerdern. Wachstum, Innovation und Wohlstand 34 Mit der Staerkung von Forschung zu vernachlaessigten, armutsassoziierten Erkrankungen und durch Forschungskooperationen mit betroffenen Regionen, besonders in Afrika, tragen wir dazu bei, den Teufelskreis von Armut und Krankheit in Entwicklungslaendern zu durchbrechen. Forschung fuer Energieversorgung, Klima und Ressourcen Die Energieforschung wird konsequent auf die Energiewende ausgerichtet. Voraussetzung hierzu sind Forschung und Entwicklung fuer intelligente Loesungen insbesondere in den Bereichen Energieeffizienz, Energieeinsparung, Erneuerbare Energien und Versorgungssysteme (u. a. Speicher, Netze und Systemdienstleistungen durch erneuerbare Energien). Die Koalition wird im Energieforschungsprogramm neue, thematisch uebergreifende und systemorientierte Forschungsansaetze aufgreifen, um zusaetzliche Potenziale fuer den Innovationsprozess entlang der gesamten Wertschoepfungskette zu erschliessen. Die Projektfoerderung ist dabei das geeignete Steuerungsinstrument, um ein zielgerichtetes politisches Handeln zu ermoeglichen. Wir werden daher die Mittel im Energieforschungsprogramm verstetigen. Wir werden auch die europaeische Dimension des Themas durch eine geeignete Vernetzung der Forschungsmassnahmen beruecksichtigen und dabei auch die Entwicklungen der Digitalisierung und des Internets einbeziehen. Die Klimaforschung wollen wir mit den Schwerpunkten Klimamodellierung und regionale Klimafolgenabschaetzung staerken. Gleiches gilt fuer Forschung zu Chancen und Risiken sowie zu Handlungsoptionen. Mit der Foerderung der Biooekonomie wollen wir den Wandel von einer ueberwiegend auf fossilen Rohstoffen basierenden Wirtschaft zu einer auf erneuerbaren Ressourcen beruhenden, rohstoffeffizienten Wirtschaft vorantreiben und damit die Energiewende unterstuetzen. Die Meeresund Polarforschung leistet ebenfalls wichtige Beitraege zur Erforschung des Klimawandels. Deshalb werden wir die Forschung auf diesen Gebieten staerken und dazu auch die Erneuerung der deutschen Forschungsflotte konsequent fortfuehren Forschungsergebnisse muessen zuegig in Form von innovativen und marktfaehigen Produkten verwertet werden. Auch mit Blick auf eine weltweit steigende Nachfrage nach innovativen Energietechnologien und der Staerkung des exportorientierten Technologiestandortes Deutschland soll der Innovationsprozess bis hin zur Markteinfuehrung erheblich beschleunigt werden. Die Foerderung der Fusionsforschung werden wir auf dem festgelegten, begrenzten Niveau fortfuehren.
Nukleare Sicherheitsund Entsorgungsforschung Die Koalition wird die Nuklearforschung auf wichtige Zukunftsthemen fokussieren. Durch die institutionell und projektgefoerderte nukleare Sicherheitsund Entsorgungsforschung werden wir einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit im Inund Ausland zur Loesung der nuklearen Entsorgungsfragen und zum Kompetenzerhalt in Deutschland leisten, der besonders auch fuer die internationale Zusammenarbeit erforderlich ist. Wir werden nach dem Neubeginn der Endlagersuche die Endlagerforschung verstaerken. Wachstum, Innovation und Wohlstand 35 Forschungsprogramm IT-Sicherheit Es wird ein Foerderprogramm „Innovation in IT-Forschung und Sicherheit“ zur Staerkung der nationalen F&E-Aktivitaeten in diesen Bereichen weiterentwickelt, wobei Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit fuer unterschiedliche Anwendergruppen in Einklang gebracht werden. Bei der Ausschreibung werden Open-Source-Ansaetze priorisiert, die ihre Ergebnisse und die entwickelten Systeme offen zur Verfuegung stellen. Die Einfuehrung einheitlicher Standards zur Verfuegbarmachung von Daten und Ergebnissen wird geprueft. Wir starten ein neues Forschungsprogramm zur IT-Sicherheit „Selbstbestimmt und sicher in der digitalen Welt“. Zudem gilt es, ITSicherheitkompetenzen in der Ausbildung des Fachkraeftenachwuchses auszubauen. Rohstoffforschung Rohstoffe und ihre effiziente Nutzung sind fuer die deutsche Hightech-Industrie von strategischer Bedeutung. Wir werden durch eine gezielte Forschungsfoerderung die Verfuegbarkeit von Rohstoffen fuer die deutsche Hightech-Industrie weiter verbessern helfen. Forschung fuer die Mobilitaet der Zukunft Die von uns gefoerderte Mobilitaetsforschung wird zukuenftig verstaerkt die gesamte Breite von Mobilitaetsangeboten auch unter gesellschaftsund sozialwissenschaftlichen Aspekten in den Blick nehmen. Bei der Automobilforschung sehen wir die Herausforderungen fuer die Forschung – im Kontext der Plattform Elektromobilitaet – weiterhin vor allem bei der Energiespeicherung und dem Energieverbrauch unter Praxisbedingungen. Wir setzen zudem auf die Nutzung moderner. Informationsund Kommunikationstechnik fuer eine vernetzte, sichere und effiziente Mobilitaet. Innovative Loesungen fuer die Sicherheit der Buergerinnen und Buerger entwickeln Durch die Foerderung der kooperativen Forschung von Wissenschaft, Wirtschaft und Anwendern wollen wir Loesungen entwickeln, die beispielsweise Krisensituationen aufgrund von Naturkatastrophen und Unfaellen besser beherrschbar machen und die Folgen all dieser Ereignisse fuer die Buergerinnen und Buerger so gering wie moeglich halten. Wir werden daher die zivile Sicherheitsforschung mit dem Ansatz der Anwenderorientierung weiterentwickeln. Forschung fuer die Arbeit von morgen Wir wollen, dass Deutschland seine fuehrende Rolle als Industrie-, Produktions-, und Dienstleistungsstandort und Exportnation behaelt. Dies gelingt nur durch Innovationen, durch fortwaehrende organisatorische und technische Veraenderung von Produktionsund Dienstleistungsprozessen. In enger Abstimmung mit den Sozialpartnern wollen wir die Arbeits-, Produktionsund Dienstleistungsforschung staerken und hierzu ein neues Foerderprogramm auflegen. Dies traegt zur Sicherung einer hohen Beschaeftigungsquote und zur Humanisierung der Arbeitswelt bei. Wachstum, Innovation und Wohlstand 36 Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Validierungsfoerderung Deutschland verstaerkt und beschleunigt den Transfer neuer Erkenntnisse aus der Forschung in Gesellschaft und Wirtschaft. Wir wollen regionale und thematische Clusterstrukturen ausbauen und ihre wirtschaftliche Schlagkraft durch eine verstaerkte europaeische und internationale Vernetzung erhoehen. Zudem werden wir neue Instrumente schaffen, um einen besseren Transfer von Innovationen aus der Grundlagenforschung an den Hochschulen in nutzbare Dienstleistungen und Produkte zu realisieren. Eine Weiterentwicklung der Validierungsfoerderung soll diesen Transfer entscheidend voranbringen. Wir wollen das grosse Potenzial fuer wirtschaftliche und gesellschaftliche Veraenderungen, ob in Form neuer Geschaeftsmodelle, Dienstleistungen oder Kooperationen, durch den Aufund Ausbau geeigneter Open-Innovation-Plattformen fuer neue kreative Loesungsansaetze erschliessen. Wir richten uns dabei insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen, damit sie gemeinsam mit Anwendern, internationalen Partnern, grossen Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen neue Entwicklungen vorantreiben koennen. Spitzenfoschung fuer die neuen Laender Wir werden den Aufund Ausbau einer breit aufgestellten Wissenschaftslandschaft und einer leistungsfaehigen Spitzenforschung in den neuen Bundeslaendern staerken. Die Programme, die insbesondere regionale Cluster von Wissenschaft und Wirtschaft unterstuetzen – wie „Unternehmen Region“ und „Zwanzig20 – Partnerschaft fuer Innovation“ – setzen wir fort. Europaeischer Forschungsraum Wir werden unsere Verantwortung bei der Vollendung des Europaeischen Forschungsraumes (EFR) wahrnehmen und unsere EFR-Strategie auf nationaler und europaeischer Ebene konsequent umsetzen. Hierzu wollen wir die Mobilitaetsbedingungen der Forscherinnen und Forscher verbessern, die gemeinsame Programmplanung fortentwickeln, gemeinsame Forschungsinfrastrukturen aufbauen, den Wissenstransfer erleichtern, die Gleichstellung der Geschlechter im europaeischen Wissenschaftssystem unterstuetzen und die Kooperation mit Drittstaaten ausserhalb Europas ausbauen. Wir halten daran fest, dass fuer die Gestaltung des EFR fuer jeden Mitgliedstaat eine auf die unterschiedlichen Gegebenheiten der nationalen Systeme angepasste Strategie erforderlich ist; harmonisierende Gesetzgebungsinitiativen der Europaeischen Kommission sind der Vielfalt der Forschungssysteme in Europa, die den Wettbewerb und damit Wissenschaft und Innovation foerdern, abtraeglich. Wir wollen die Beteiligung der deutschen Wissenschaft und Wirtschaft am neuen Forschungsrahmenprogramm „Horizont 2020“ unterstuetzen und ausbauen. Zugleich soll die deutsche Wissenschaft eine aktive Rolle uebernehmen, um das europaeische Wissenschaftsund Innovationssystem insgesamt zu staerken. Dabei setzen wir auch auf bilaterale Innovationsberatung sowie gemeinsame Forschungsund Wachstum, Innovation und Wohlstand 37 Entwicklungsprojekten mit den neuen Mitgliedstaaten Ostund Suedosteuropas und besonders von der Wirtschaftskrise betroffenen EU-Mitgliedstaaten. Forschungsfoerderung fuer den Mittelstand Kleinen und mittleren Unternehmen werden wir verstaerkt den Zugang zur Foerderung von Forschung und Entwicklung auch durch Kooperationen mit Hochschulen und ausseruniversitaeren Forschungseinrichtungen eroeffnen, um das technologieorientierte Innovationsgeschehen in Deutschland zu unterstuetzen. Ressortforschung Die Ressortforschung leistet wichtige Beitraege im Gefuege der bundesdeutschen Wissenschaftslandschaft. Wir streben eine Staerkung der Ressortforschung an und werden dafuer sorgen, dass alle Ressortforschungseinrichtungen von den Vorteilen des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes profitieren koennen. Forschung an Fachhochschulen ausbauen Die Foerderung der Forschung an Fachhochschulen bietet insbesondere fuer kleine und mittlere Unternehmen in regionalen Kooperationen grosse Chancen zur Innovationsfoerderung. Wir werden die Foerderung des Bundes fuer die angewandte Forschung an Fachhochschulen ausbauen und die Foerdermoeglichkeiten ausweiten sowie die Moeglichkeiten gemeinsamer Promotionen mit Universitaeten im Sinne einer Profilschaerfung im Wissenschaftssystem staerken. Von der DFG erwarten wir, die Beteiligung von Fachhochschulen an ihren Programmen zu staerken. Fachkraeftesicherung Der demografische Wandel beruehrt unmittelbar das Arbeitskraefteangebot und damit die Leistungsfaehigkeit der deutschen Wirtschaft ebenso wie unsere Sozialsysteme. Wir werden alles daran setzen, den Wohlstand zu erhalten sowie Wachstum und Chancengerechtigkeit zu foerdern, indem wir den Fachkraeftebedarf decken und zugleich den Menschen bessere Erwerbschancen eroeffnen. Dies begreifen wir als grosse gesamtgesellschaftliche Aufgabe dieser Legislaturperiode. Dazu nehmen wir an erster Stelle die Menschen im Inland in den Blick. Aber auch die Chancen, auf dem globalen, insbesondere dem europaeischen Arbeitsmarkt qualifizierte Fachkraefte fuer unser Land zu gewinnen, sind uns wichtig. Wir setzen im Fachkraeftekonzept folgende Schwerpunkte: Die arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen sollen verstaerkt auf junge Menschen ausgerichtet sein, die wir so frueh wie moeglich auf einen erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben vorbereiten wollen. Wir werden die nachhaltige Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt foerdern. Instrumente hierfuer sind eine verstaerkte Bildungsbeteiligung, Netzwerke, Programme zur Integration und Nachqualifizierung, eine bessere Anerkennung von Bildungsabschluessen sowie eine fachgerechte Beratung. Um Beschaeftigungsfaehigkeit zu erhalten, wollen wir das Prinzip des lebenslangen Lernens staerken und die Weiterbildungsbeteiligung aelterer steigern. Wachstum, Innovation und Wohlstand 38 Wir setzen uns dafuer ein, dass die Bundesagentur fuer Arbeit ihre Unterstuetzungsangebote fuer Berufsrueckkehrende weiterentwickelt. Vor allem in der Grundsicherung fuer Arbeitsuchende wird ein besonderer Fokus auf Alleinerziehenden und Langzeitarbeitslosen gelegt. Personen in der „Stillen Reserve“ sollen durch gezielte Ansprache aktiviert werden. Fuer viele junge Eltern sind arbeitsmarktpolitische Massnahmen und Berufsausbildung in Teilzeit der richtige Weg. All das wollen wir zusammen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern zum Gegenstand einer neuen Qualifizierungsoffensive machen, die ein zentraler Baustein des Paktes fuer Ausbildung und Fachkraeftesicherung werden soll, der mit dem bestehenden und fortzusetzenden Ausbildungspakt verbunden werden kann. Dabei wollen wir auch die duale Ausbildung und den Erhalt des Meisterbriefs sicherstellen. Insbesondere die Betriebe sind in der Pflicht, ihre Anstrengungen fuer eine altersund alternsgerechte Arbeitswelt und demografiesensible Personalpolitik zu verstaerken. Wir werden sie dabei mit der Initiative „Neue Qualitaet der Arbeit“ (INQA) und mit der Fortfuehrung von Initiativen zur Beschaeftigung von ueber-50-Jaehrigen unterstuetzen. Wir setzen uns fuer bedarfsgerechte qualifizierte Zuwanderung ein und wollen insbesondere eine groessere Mobilitaet im europaeischen Arbeitsmarkt erreichen. Flankierend wollen wir die Willkommensund Bleibekultur fuer auslaendische Fachkraefte in Deutschland verbessern. Deswegen werden wir die Dachkampagne „FachkraefteOffensive“ fortfuehren und die regionalen Netzwerke zur Fachkraeftesicherung staerker professionalisieren. Wir werden die bereits eingeleiteten Massnahmen zur Fachkraeftegewinnung und Integration in den Arbeitsmarkt (insbesondere die Blaue Karte EU einschliesslich der aenderungen im Aufenthaltsgesetz, die Beschaeftigungsverordnung und das Gesetz zur verbesserten Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschluessen) innerhalb der Wahlperiode auf ihre Wirksamkeit ueberpruefen und daraus gegebenenfalls Konsequenzen ziehen. Teilhabe von Zuwanderern staerken Wir setzen uns dafuer ein, die beruflichen Befaehigungen von Migranten nachtraeglich zu verbessern. Damit wollen wir ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhoehen und dem Fachkraeftebedarf Rechnung tragen. Zuwanderer verfuegen vielfach ueber im Ausland abgeschlossene Berufsund Hochschulausbildungen. Dieses Potenzial liegt aber noch zu oft brach, waehrend unserem Arbeitsmarkt zunehmend qualifizierte Fachkraefte fehlen. Ein wichtiger Schritt, um hier gegenzusteuern, sind die Anerkennungsgesetze des Bundes und der Laender fuer im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen. Dabei ist die Qualitaet der Beratung zu verbessern. Wir setzen uns fuer sozialvertraegliche Verfahrenskosten ein. Die Umsetzung der Gesetze weist auf steigende Bedarfe individueller Anpassungsund Ergaenzungsqualifizierungen hin. Wir werden daher vorhandene Foerdermoeglichkeiten im Rahmen der Ausbildungsfoerderung (BAfoeG, AFBG, SGB III) und der aktiven Arbeitsmarktpolitik noch besser ausschoepfen und wo notwendig ausweiten unter anderem im Rahmen eines ESF-Programms „Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten im Kontext Wachstum, Innovation und Wohlstand 39 des Anerkennungsgesetzes“. Wir werden darueber hinaus pruefen, ob ergaenzend mittelfristig ein bundesweites Stipendienprogramm zur finanziellen Foerderung von Ausgleichsmassnahmen fuer Antragsteller mit Wohnsitz in Deutschland aufgelegt werden kann, die keine Ansprueche nach SGB II oder III haben. 1.3. In Deutschlands Zukunft investieren: Infrastruktur Verkehr Mobilitaet ist eine wesentliche Voraussetzung fuer persoenliche Freiheit, gesellschaftliche Teilhabe sowie fuer Wohlstand und Wirtschaftswachstum. Grundlage hierfuer ist eine leistungsfaehige Verkehrsinfrastruktur. Sie sichert unsere europaeische und globale Wettbewerbsfaehigkeit. Die Verkehrspolitik der vergangenen Jahrzehnte hat hier grosse Erfolge aufzuweisen, insbesondere bei der weitgehenden Vollendung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Angesichts der seit vielen Jahren bestehenden strukturellen Unterfinanzierung werden wir die Planung und Finanzierung unserer Verkehrswege durch eine grundlegende Reform auf eine neue, dauerhaft verlaessliche und effiziente Grundlage stellen. Netzorientierte Bundesverkehrswegeplanung Die Aufstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans 2015 – 2030 (BVWP) als verkehrstraegeruebergreifende Netzplanung werden wir zuegig, transparent und unter Beteiligung der oeffentlichkeit vorantreiben. Dabei werden wir auf eine bedarfsgerechte Dimensionierung von Neuund Ausbauprojekten achten. Nicht jeder Wunsch ist erfuellbar. Fuer besonders dringende und schnell umzusetzende ueberregional bedeutsame Vorhaben wird im neuen BVWP und in den Ausbaugesetzen fuer die Verkehrstraeger Schiene, Strasse und Wasserstrasse ein „nationales Prioritaetenkonzept“ definiert. In diese Projekte sollen kuenftig als Zielgroesse 80 Prozent der Mittel fuer den Neuund Ausbau fliessen. Dazu gehoeren der Ausbau hoch belasteter Knoten, Seehafenhinterlandanbindungen und Hauptachsen, die Schliessung wichtiger ueberregional bedeutsamer Netzluecken sowie die Einbindung transeuropaeischer und in voelkerrechtlichen Vertraegen vereinbarter Verkehrsachsen. Aufstockung der Investitionsmittel Fuer die Verkehrsinfrastruktur des Bundes schaffen wir eine verlaessliche Finanzierungsgrundlage. Wir werden in den naechsten vier Jahren die Bundesmittel fuer Verkehrsinfrastruktur substanziell erhoehen. Diese werden wir durch zusaetzliche Mittel aus der Nutzerfinanzierung durch LKW ergaenzen. Die bestehende LKW-Maut wird auf alle Bundesstrassen ausgeweitet. Die LKW-Maut wird – unter Beruecksichtigung der Ergebnisse des neuen Wegekostengutachtens – weiter entwickelt. Orientierungspunkte hierbei koennen sein: die Tonnage, das Netz, externe Kosten. Wir stellen sicher, dass die Netto-Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung ohne Abstriche in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Zur zusaetzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW erheben (Vignette) mit der Massgabe, dass kein Fahrzeughalter in Wachstum, Innovation und Wohlstand 40 Deutschland staerker belastet wird als heute. Die Ausgestaltung wird EUrechtskonform erfolgen. Ein entsprechendes Gesetz soll im Verlauf des Jahres 2014 verabschiedet werden. Zur Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur sowie zur Gewaehrleistung ueberjaehriger Planungsund Finanzierungssicherheit werden im Bundeshaushalt die notwendigen haushaltsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Nicht verbrauchte Investitionsmittel im Verkehrsbereich werden ueberjaehrig und ungekuerzt zur Verfuegung gestellt. Zwischen den Verkehrstraegern wird eine wechselseitige Deckungsfaehigkeit mit Ausgleichspflicht ermoeglicht. Die Nettoeinnahmen aus der Nutzerfinanzierung werden ohne Abstriche der Verkehrsinfrastruktur zugefuehrt. oeffentlich-Private Partnerschaften Die Fortentwicklung von oeffentlich-Privaten-Partnerschaften (oePP) braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Wir wollen die Moeglichkeiten der Zusammenarbeit von oeffentlichen und privaten Geldgebern oder Infrastrukturgesellschaften als zusaetzliche Beschaffungsvariante nutzen, wenn dadurch Kosten gespart und Projekte wirtschaftlicher umgesetzt werden koennen. Dies muss ebenso wie bei Betriebsvergaben in jedem Einzelfall transparent und unabhaengig nachgewiesen werden. Wir gestalten oePP mittelstandsfreundlicher aus. Die Methodik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen werden wir evaluieren und standardisieren. Verhaeltnis von Erhalt und Ausbau Nach Jahrzehnten des Netzausbaus steht nun die Substanzsicherung an erster Stelle. Unsere oberste Prioritaet lautet deshalb: Erhalt und Sanierung vor Ausund Neubau. Die Strategie zur Ertuechtigung von Bruecken, Tunneln und Schleusen werden wir fortschreiben und verstaerken. Zukunft der Leistungsund Finanzierungsvereinbarung Schiene Vor Auslaufen der geltenden Leistungsund Finanzierungsvereinbarung Schiene (LuFV) werden wir mit der DB AG eine neue Vereinbarung schliessen. Sie muss durch Festlegung zusaetzlicher Qualitaetsmerkmale sicherstellen, dass Umfang und Kapazitaet des Schienennetzes erhalten bleiben. Verkehrsinfrastrukturbericht Als Grundlage fuer die kuenftige Priorisierung von Investitionen in Erhalt und Sanierung werden wir alle zwei Jahre einen Verkehrsinfrastrukturbericht vorlegen, der den Zustand der Bundesverkehrswege transparent macht, Nachholbedarf dokumentiert und Aufschluss ueber die erforderlichen Investitionen gibt. Gemeindeverkehrsfinanzierung Der Bund bleibt ein verlaesslicher Partner der Kommunen bei der Finanzierung des kommunalen Verkehrs. Von den Laendern erwarten wir im Gegenzug, dass sie die Mittel zweckgebunden fuer Verkehrswegeinvestitionen einsetzen (oePNV-Infrastruktur und kommunaler Strassenbau). Wir streben eine verlaessliche Anschlussfinanzierung fuer das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz-Bundesprogramm fuer die Zeit nach Wachstum, Innovation und Wohlstand 41 2019 an. Wir werden diese Frage im Rahmen der Reform der Bund-LaenderFinanzbeziehungen beraten. Laermschutz Die Akzeptanz fuer Mobilitaet und die weitere Modernisierung der Infrastruktur haengt entscheidend davon ab, dass die Laermbelastung reduziert wird. Wir werden deshalb den Schutz vor Verkehrslaerm deutlich verbessern und Regelungen fuer verkehrstraegeruebergreifenden Laermschutz an Bundesfernstrassen und Bundesschienenwegen treffen. Der Gesamtlaerm von Strasse und Schiene muss als Grundlage fuer Laermschutzmassnahmen herangezogen werden. Das freiwillige Laermsanierungsprogramm fuer Bestandsstrecken wird ausgebaut und rechtlich abgesichert. Der Stand der Technik zur Geraeuschminderung muss konsequenter in die Praxis eingefuehrt werden. Den Schienenlaerm wollen wir bis 2020 deutschlandweit halbieren. Ab diesem Zeitpunkt sollen laute Gueterwagen das deutsche Schienennetz nicht mehr befahren duerfen. Die Bezuschussung fuer die Umruestung auf laermmindernde Bremsen setzen wir fort. Den Stand der Umruestung werden wir 2016 evaluieren. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt nicht mindestens die Haelfte der in Deutschland verkehrenden Gueterwagen umgeruestet sein, werden wir noch in dieser Wahlperiode ordnungsrechtliche Massnahmen auf stark befahrenen Gueterstrecken umsetzen – z. B. Nachtfahrverbote fuer nicht umgeruestete Gueterwagen. Wir ergreifen zudem auf europaeischer Ebene die Initiative fuer ein ab dem Jahr 2020 zu erlassendes EU-weites Einsatzverbot fuer laute Gueterwagen sowie fuer ein EUProgramm zur Foerderung der Umruestung lauter Gueterwagen. Das laermabhaengige Trassenpreissystem werden wir durch eine staerkere Spreizung der Trassenpreise wirksamer gestalten. Wir werden rechtlich klarstellen, dass die in der vergangenen Legislaturperiode fuer Schienenneubaustrecken um 5 dB(A) verschaerften Laermgrenzwerte auch fuer umfassende Streckenertuechtigungen im Bestandsnetz, die neue Planfeststellungsverfahren erforderlich machen, gelten. Die Mittel fuer die Laermschutzprogramme im Bereich Strasse und Schiene werden erhoeht. Beim Luftverkehr setzen wir vorrangig auf eine Reduzierung des Fluglaerms an der Quelle, eine bestmoegliche Flaechennutzung im Umfeld sowie auf laermreduzierende flugbetriebliche Verfahren. Bei Festlegung von Flugverfahren und Flugverkehrskontrollfreigaben wird der Laermschutz insbesondere in den Nachtstunden verbessert. Die berechtigten Anliegen der an Flughaefen lebenden Menschen nehmen wir ebenso ernst wie die Sorge um die wirtschaftliche Zukunft des Luftverkehrsstandorts und die damit verbundenen Arbeitsplaetze. Die Grenzwerte des Fluglaermschutzgesetzes werden wir in dieser Legislaturperiode ueberpruefen. Bei der Festlegung von Flugrouten werden wir rechtlich sicherstellen, dass die Anwohnerinnen und Anwohner in einem transparenten Verfahren fruehzeitig informiert und beteiligt werden. Wir schaffen verbesserte Transparenz und Beteiligung der Kommunen und oeffentlichkeit bei der Festlegung von Flugrouten. Eine Schluesselrolle kommt dabei den Fluglaermkommissionen zu, die wir staerken wollen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 42 Laermund Schadstoffminderungsziele sollen insbesondere auch durch technische Innovationen im Luftverkehr erreicht werden. Von den Fluggesellschaften erwarten wir, dass sie die Modernisierung der Flotten mit emissionsarmen Flugzeugen intensivieren. Im Luftverkehrsgesetz verankern wir eine staerkere Differenzierung nach Flugzeugtypen und eine deutlichere Spreizung der Tagund Nachttarife bei laermabhaengigen Flughafenentgelten. Generelle Betriebsbeschraenkungen mit einem Nachtflugverbot lehnen wir ab. Die Verschaerfung der Laermzulassungsgrenzwerte fuer neue Flugzeuge auf internationaler Ebene (ICAO) befuerworten wir. Schiene, Strasse, Wasserstrasse verzahnen Fuer die kuenftige Verkehrsbewaeltigung muessen die einzelnen Verkehrstraeger ihre jeweiligen Systemvorteile bestmoeglich nutzen koennen. Dazu wollen wir sie besser verzahnen und mehr Verkehr auf die Verkehrstraeger Schiene und Wasserstrasse verlagern. System Schiene Den Verkehrstraeger Schiene wollen wir weiter staerken und ausbauen. Wir wollen eine leistungsfaehige Schieneninfrastruktur und moderne sowie barrierefreie Bahnhoefe. Puenktlichkeit und Zuverlaessigkeit muessen Markenzeichen der Bahn sein. Wir werden die Geschaeftspolitik der DB AG noch staerker an diesen Zielen ausrichten, ohne die Wirtschaftlichkeit in Frage zu stellen. Dazu werden wir das Steuerungskonzept fuer die DB AG unter Beruecksichtigung des Aktienrechts ueberarbeiten. Vorstandsboni sollen an das Erreichen der genannten Ziele gebunden sein. Die Steuerung der DB AG im Aufsichtsrat wird von dem im fuer Verkehr zustaendigen Bundesministerium angesiedelten Staatssekretaer koordiniert. Die Planung der Schienenwege werden wir am Ziel eines Deutschland-Takts mit bundesweit aufeinander abgestimmten Anschluessen sowie leistungsfaehigen Gueterverkehrstrassen ausrichten. Wir bringen zeitnah Planungen auf den Weg, um durch gezielte Engpassbeseitigung die Kapazitaet des Schienengueterverkehrs deutlich zu erhoehen. Wir stehen zum integrierten Konzern DB AG. Die Eisenbahninfrastruktur ist Teil der oeffentlichen Daseinsvorsorge und bleibt in der Hand des Bundes. Wir werden sicherstellen, dass alle Gewinne der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes in die Infrastruktur zurueckfliessen. Die Chancen privater Bahnen im Wettbewerb wollen wir weiter staerken, z. B. durch Fortsetzung der Foerderung der fuer das Schienengueterverkehrsnetz relevanten Infrastruktur nichtbundeseigener Bahnen. Neben einem erhoehten Investitionsniveau werden wir fuer einen sachgerechten Planungsvorrat sorgen, der einen Ausund Neubau wichtiger Schienenverkehrsverbindungen sichert. Mit Effizienzsteigerungen wollen wir die Planfeststellungsund Genehmigungsverfahren fuer Schieneninfrastrukturprojekte beschleunigen. Bei der anstehenden Revision der Regionalisierungsmittel im Jahr 2014 streben wir eine zuegige Einigung mit den Laendern an. Um die Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs langfristig zu sichern, werden wir die Regionalisierungsmittel fuer den Zeitraum ab 2019 in der Bund-Laender-Finanzkommission auf eine neue Grundlage stellen. Von den Laendern erwarten wir, dass sie einen effizienten Mitteleinsatz nachweisen und Anreize fuer gute Qualitaet und fuer einen Zuwachs an Fahrgaesten schaffen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 43 Durch eine Eisenbahnregulierung mit Augenmass sichern wir Transparenz und den diskriminierungsfreien Marktzugang zur Eisenbahninfrastruktur. Zudem muss sie eine sachgerechte Entgeltregulierung und die nachhaltige Finanzierung der Infrastruktur gewaehrleisten. Die eingeleiteten Schritte zur Beschleunigung und effizienteren Gestaltung der Zulassungsverfahren fuer Schienenfahrzeuge werden wir fortsetzen und die hierzu erforderlichen gesetzlichen Grundlagen schaffen. Zudem draengen wir auf eine EU-weit einheitliche Zugzulassung. Der Schienenverkehr ist besonders umweltfreundlich und energieeffizient. Unternehmen des schienengebundenen Nahund Fernverkehr unterfallen deshalb weiterhin der Ausnahmeregelung bei der EEGUmlage. Strasse – Innovationen fuer mehr Effizienz nutzen Wir wollen den Verkehrstraeger Strasse leistungsfaehiger und effizienter machen und so den Verkehrsfluss erhoehen. Mit dem Konzept „Strasse des 21.Jahrhunderts“ setzen wir auf eine intelligente Verkehrsinfrastruktur sowie den verstaerkten Einsatz von Verkehrstelematik und modernsten Informationsund Kommunikationssystemen. Den Ausbau von Verkehrssteuerungsanlagen werden wir bei der Infrastrukturplanung beruecksichtigen. Zur Vermeidung baustellenbedingter Staus werden wir die Bauzeiten durch Fortschreibung eines mit den Laendern verbindlich festgelegten effizienten Baustellenmanagements weiter verkuerzen. Zudem werden wir gemeinsam mit den Laendern Vorschlaege fuer eine Reform der Auftragsverwaltung Strasse erarbeiten und umsetzen. Der verstaerkte Einsatz von Anreizsystemen bei der Ausschreibung von Infrastrukturvorhaben erhoeht die Kostenund Termintreue („Bonus-Malus-System“). Bundeswasserstrassen Die Binnenschifffahrt verfuegt ueber erhebliche Kapazitaetspotenziale. Um diese bestmoeglich nutzen zu koennen, sind wir auf leistungsfaehige Bundeswasserstrassen angewiesen, fuer die wir klar definierte Investitionsprioritaeten setzen. Auf Grundlage des neuen BVWP und der Verkehrsinfrastrukturberichte werden wir in regelmaessigen Abstaenden einen nach Dringlichkeitsstufen geordneten Massnahmenplan fuer den Erhalt der Bundeswasserstrassen erarbeiten. Neben der Tonnage werden weitere Kriterien fuer die Prioritaeteneinstufungen beruecksichtigt. Den angestossenen Reformprozess der Wasserund Schifffahrtsverwaltung des Bundes werden wir unter Einbindung der Beschaeftigten so entwickeln, dass die notwendigen regionalen Kompetenzen gesichert werden. Wir werden ein Wassertourismuskonzept vorlegen. Das Gebuehrensystem fuer die Nutzung der (technischen) Anlagen der Bundeswasserstrassen werden wir wettbewerbsneutral vereinheitlichen. Die Gebuehren fuer den NordOstsee-Kanal werden wir anpassen. Die Foerderrichtlinie fuer abgasaermere Motoren in der Binnenschifffahrt wird attraktiver gestaltet, um die Modernisierung der Flotte zu beschleunigen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 44 Konventionelle und alternative Antriebe und Kraftstoffe Wir unterstuetzen die technologieoffene Entwicklung neuer Antriebe und Kraftstoffe bzw. Energietraeger und setzen damit Anreize fuer die Marktetablierung innovativer Loesungen. Die Mobilitaetsund Kraftstoffstrategie entwickeln wir weiter. Die Produktion und Verwendung von Biokraftstoffen muessen sich an den Grundsaetzen der Nachhaltigkeit ausrichten. Hierfuer wollen wir eine an realistischen Mengenpotenzialen orientierte Biokraftstoffstrategie entwickeln. Wir werden zudem die Forschung an neuen Kraftstoffen sowie die Einfuehrung verfluessigten Erdgases (LNG, „liquefied natural gas“) in der Schifffahrt vorantreiben. Die bis Ende 2018 befristete Energiesteuerermaessigung fuer klimaschonendes Autogas und Erdgas wollen wir verlaengern. Elektromobilitaet Am Ziel, eine Mio. Elektroautos in allen unterschiedlichen Varianten fuer Deutschlands Strassen bis zum Jahr 2020, wollen wir festhalten. Den Aufbau der entsprechenden Ladeund Tankstelleninfrastruktur treiben wir voran. Die Nationale Organisation Wasserstoffund Brennstoffzellentechnologie (NOW) wird ab 2016 ihre Arbeit auf die Implementierung und den Markthochlauf der Brennstoffzellentechnologie im stationaeren und mobilen Bereich konzentrieren. Bei der Unterstuetzung des Markthochlaufs der Elektromobilitaet setzen wir auf nutzerorientierte Anreize statt auf Kaufpraemien. Wir schaffen die Rahmenbedingungen fuer eine schnelle Kennzeichnung und Markteinfuehrung elektrisch betriebener Fahrzeuge. Der Bund wird seinen Fuhrpark sukzessive umruesten. Die Zustaendigkeit fuer die Verkehrsforschung werden wir bei dem fuer Verkehr zustaendigen Ministerium buendeln. Neue Mobilitaetskultur und Vernetzung Unser Ziel ist eine nachhaltige Mobilitaetskultur und eine nutzerfreundliche Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel. Dazu foerdern wir verkehrstraegeruebergreifende Datenplattformen auf open-data-Basis, die ueber Mobilitaetsangebote, Staus, Verspaetungen und Fahrplandaten informieren. Mit der Vernetzung von Verkehrsinformationen und Ticketsystemen koennen den Menschen innovative digitale Mobilitaetsdienste zur Verfuegung gestellt werden. oePNV in Stadt und Land Wir werden Innovationen vorantreiben, um den Umweltvorteil des oePNV auszubauen. Wir unterstuetzen die bundesweite Einfuehrung des Elektronischen Tickets und ein verbessertes bundesweites Fahrgastinformationssystem. Mit Blick auf den laendlichen Raum wollen wir die Rahmenbedingungen fuer alternative Bedienformen wie Rufund Buergerbusse verbessern und die Entwicklung innovativer Mobilitaetsansaetze vor Ort unterstuetzen. Im Strassenverkehrsrecht schaffen wir die Moeglichkeit, dass Kommunen Parkplaetze rechtssicher fuer Carsharing-Autos und Elektroautos ausweisen koennen. Fernlinienbusse Die Entwicklung auf dem Fernbusmarkt beobachten wir aufmerksam auch mit Blick auf die Auswirkungen auf den Schienenverkehr, die Einhaltung von Arbeitsund Sozialstandards und die Sicherheit. Mit Hilfe des Bundesamtes fuer Gueterverkehr gewaehrleisten wir eine ausreichende Kontrolldichte. Wir werden uns gemeinsam mit den Laendern fuer eine einheitliche Genehmigungspraxis fuer Fernbuslinien einsetzen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 45 Die Umsetzung der gesetzlich geforderten Barrierefreiheit unterstuetzen wir mit einem Handbuch, das wir gemeinsam mit den Akteuren erstellen werden. Fahrradverkehr Wir wollen den Anteil des Fahrradverkehrs als umweltfreundliche Mobilitaetsalternative weiter steigern. Ausgerichtet an den Zielen des Nationalen Radverkehrsplans 2020 werden wir den breiten gesellschaftlichen Dialog ueber neue Wege und Umsetzungsstrategien zur Radverkehrsfoerderung intensivieren. Das Radwegenetz an Bundesverkehrswegen werden wir weiter ausbauen und die gesetzliche Grundlage fuer den Radwegebau an Betriebswegen unserer Bundeswasserstrassen schaffen. Um die Verkehrssicherheit im Radverkehr zu staerken, wollen wir an Bundesfernstrassen durch eine optimierte Infrastrukturplanung der Bildung von Unfallschwerpunkten vorbeugen und bestehende beseitigen. Zukunftsweisende Projekte an der Schnittstelle oePNV/Carsharing/Fahrrad werden wir weiter foerdern. Wir wollen darauf hinwirken, dass deutlich mehr Fahrradfahrer Helm tragen. Barrierefreiheit Die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention im Verkehrsbereich werden wir vorantreiben. Unser Ziel ist es, dass alle Menschen in der gesamten Reisekette und in allen Verkehrstraegern ohne Barrieren mobil sein koennen. Neben dem weiteren Ausbau barrierefreier Fahrgastund Tarifinformationen werden wir ein Bahnhofsmodernisierungsprogramm mit einem verbindlichen Fahrplan zum barrierefreien Ausund Umbau aller groesseren Bahnhoefe vorlegen. Fuer kleinere Bahnhoefe und Haltepunkte wollen wir zusammen mit den Betroffenen geeignete, kostenguenstige Loesungen entwickeln. Verkehrssicherheit Mobilitaet fuer alle Die Verkehrssicherheit werden wir verbessern, um die Zahl der Verkehrsopfer weiter deutlich zu senken. Das ehrenamtliche Engagement sowie die Verbaende im Bereich der Verkehrssicherheitsarbeit unterstuetzen wir weiter, u. a. mit Sicherheitskampagnen. Wir wollen im Rahmen einer Bund-Laender-Arbeitsgruppe die strassenverkehrsrechtlichen Regelungen ueberpruefen, um die Belastungen der Bevoelkerung im Sinne eines Miteinanders von Mensch und Verkehr zu vermindern. Die Winterreifenpflicht werden wir weiter praezisieren. Die Ausbildung der Fahranfaenger wollen wir verbessern und die Qualitaet der paedagogischen Ausbildung der Fahrlehrer erhoehen. Das begleitete Fahren wollen wir optimieren und in der Fahranfaengerausbildung ein Mehr-Phasen-Modell auch unter Einbeziehung von Fahrsicherheitstrainings entwickeln. Die MedizinischPsychologische Untersuchung wird ueberarbeitet. Mit Blick auf die ansteigende Anzahl der aelteren Verkehrsteilnehmer setzen wir uns dafuer ein, dass die Anzahl der freiwilligen Gesundheitschecks erhoeht wird. Der verstaerkte Einsatz modernster Telematik leistet einen wichtigen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit. In diesem Zusammenhang messen wir auch dem erfolgreichen Start des europaeischen Satellitennavigationssystems Galileo eine grosse Bedeutung bei. Wachstum, Innovation und Wohlstand 46 Luftverkehr Wir werden den Luftverkehrsstandort Deutschland staerken und setzen uns fuer den Erhalt seiner internationalen Wettbewerbsfaehigkeit ein. Bei der Einfuehrung von fiskaloder ordnungspolitischen Massnahmen im Luftverkehr werden wir auf ein positives Nutzen-Kosten-Verhaeltnis achten. Die Folgen fuer die Mobilitaet in Deutschland und ihre Wirksamkeit fuer einen effektiven Laermund Umweltschutz muessen in einem angemessenen Verhaeltnis zueinander stehen. Dazu setzen wir auf Transparenz und den fruehzeitige Dialog mit allen Betroffenen. Wir streben ergaenzend zum neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 eine staerkere Rolle des Bundes bei der Planung eines deutschlandweiten Flughafennetzes an. Dazu erarbeiten wir im Dialog mit den Laendern und der interessierten oeffentlichkeit ein Luftverkehrskonzept. Der Bund bekennt sich zum Bau des Flughafens BerlinBrandenburg BER. Wir wollen eine zuegige wettbewerbsneutrale Umsetzung des europaeischen Emissionshandels im Luftverkehr und unterstuetzen seine ueberfuehrung in ein internationales Emissionshandelssystem auf ICAO-Basis. Auf europaeischer Ebene setzen wir uns fuer die Umsetzung des Einheitlichen Europaeischen Luftraumes (Single European Sky) ein. Vorgaben fuer Leistungsanforderungen an die europaeischen Flugsicherungsorganisationen muessen anspruchsvoll, zugleich aber auch realistisch sein. Bei der weiteren Liberalisierung der Bodenabfertigungsdienste an Flughaefen muessen die Wettbewerbsfaehigkeit der deutschen Flughaefen und die Interessen der Beschaeftigten in einem ausgewogenen Verhaeltnis stehen. Gueterverkehr und Logistik Das Netzwerk Gueterverkehr und Logistik werden wir weiter festigen und die Vermarktungsoffensive „Logistics made in Germany“ fortsetzen. Den Aktionsplan „Gueterverkehr und Logistik“ entwickeln wir weiter, u. a. mit einer Strategie zum sauberen, energieeffizienten Guetertransport. Wir unterstuetzen die Branche bei der Aufwertung der Gueterverkehrsund Logistikberufe und setzen uns gegen Lohndumping und fuer bessere Arbeitsbedingungen in der Transportund Logistikbranche ein. Bestehende Regelungen zum Marktzugang im grenzueberschreitenden Strassengueterverkehr und im Binnenverkehr werden wir ueberpruefen und einer weiteren Lockerung der Kabotageregelungen nur zustimmen, solange das Gefaelle bei Arbeitsund Sozialbedingungen nicht zu Marktverwerfungen fuehrt. Der verkehrssichere Zustand der Lkw und die Einhaltung der Lenkund Ruhezeiten muessen strikt kontrolliert werden. Wir werden die Parkleitsysteme fuer LKW an Autobahnen ausbauen und zusaetzlich 6.000 LKW-Stellplaetze in dieser Legislaturperiode einrichten und dabei den Einsatz von Telematiksystemen und die Einbindung privater Investoren forcieren. Fuer umweltfreundliche Euro VI-Fahrzeuge schaffen wir eine eigene guenstigste Mautklasse. Mit der Sicherung eines hohen Foerderniveaus von Anlagen fuer den kombinierten Verkehr staerken wir das intermodulare Transportwesen. Leistungsfaehige Schifffahrt, Haefen und maritime Wirtschaft Wir wollen einen starken maritimen Standort. Unser Ziel ist eine leistungsfaehige Schifffahrt, die ihre Vorteile in der Transportkette nutzt und den Klimaund Umweltschutzanforderungen entspricht. Wir wollen den Schadstoffausstoss der Schifffahrt in Wachstum, Innovation und Wohlstand 47 Nordund Ostsee wirksam begrenzen, ohne dabei Verkehr von oekologisch vorteilhaften Wasserwegen auf Landwege zu verdraengen. Dabei spielt ein funktionsfaehiger Nord-Ostsee-Kanal eine zentrale Rolle. Die Schifffahrt unterstuetzen wir dabei, die neuen Anforderungen zu Schiffsemissionen in Nordund Ostsee (SECA) zu erreichen. Den „Entwicklungsplan Meer“ werden wir umsetzen und weiterentwickeln. Das Maritime Buendnis fuer Beschaeftigung und Ausbildung entwickeln wir weiter. Die Schifffahrtsfoerderung fuer Ausbildung und Beschaeftigungssicherung fuehren wir bedarfsgerecht fort. Gemeinsam mit der Maritimen Wirtschaft und den Sozialpartnern entwickeln wir konkrete Massnahmen zur Sicherung des beruflichen Nachwuchses. Fuer den Erhalt der Traditionsschifffahrt werden wir dauerhafte Regelungen erarbeiten. Die Flaggenstaatsverwaltung wollen wir grundlegend modernisieren und vereinheitlichen. Das Schifffahrtsrecht werden wir modernisieren. Auf einseitige nationale oder europaeische Sonderregelungen verzichten wir. Die Tonnagesteuer bleibt erhalten. Hierzu erwarten wir von den Reedern, dass sie die EU-rechtlich zwingenden Voraussetzungen dafuer einhalten. Wir wollen daran festhalten, dass die Schiffserloespools bis Ende 2015 von der Versicherungssteuerpflicht befreit sind, und pragmatische Loesungen fuer die Zukunft pruefen. Um die Wettbewerbsfaehigkeit der deutschen Haefen zu staerken, entwickeln wir das Nationale Hafenkonzept unter Beruecksichtigung des Bundesverkehrswegeplans 2015 weiter und beseitigen Engpaesse bei der landund seeseitigen Anbindung deutscher Seeund Binnenhaefen mit internationaler Bedeutung. Das Sonderprogramm „Offshore-Windenergie“ der KfW Bankengruppe oeffnen wir fuer den Bereich der Hafenund Schiffskapazitaeten. Darueber hinaus werden wir ein gesondertes Kreditprogramm der KfW Bankengruppe zur Finanzierung von Spezialschiffen und Offshore-Strukturen pruefen, um den Ausbau der Offshore-Windenergie zu flankieren. Digitale Infrastruktur Breitbandausbau Fuer ein modernes Industrieland ist der flaechendeckende Breitbandausbau eine Schluesselaufgabe Deshalb werden wir die Breitbandstrategie weiterentwickeln. Es gilt, die digitale Spaltung zwischen den urbanen Ballungszentren und laendlichen Raeumen zu ueberwinden. Dazu wollen wir die Kommunen im Sinne einer kommunikativen Daseinsvorsorge in laendlichen Raeumen beim Breitbandausbau unterstuetzen. Wir werden Investitionshemmnisse und Wirtschaftlichkeitsluecken in den infrastrukturschwaecheren Regionen abbauen und setzen dabei verstaerkt auf Synergieeffekte und zusaetzliche Investitionsanreize fuer Telekommunikationsunternehmen. Beim Ausbau des schnellen Internets werden wir Technologieoffenheit sicherstellen. Dazu gehoert auch eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Funkfrequenzen fuer drahtlose Kommunikationsnetzwerke in allen Teilen Deutschlands. Die durch den Einsatz DVB-T2 kuenftig frei werdenden Frequenzen wollen wir im Einvernehmen mit den Bundeslaendern vorrangig fuer die Breitbandversorgung im laendlichen Raum bereitstellen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 48 Um hochleistungsfaehige Breitbandnetze auszubauen, bedarf es vor allem wettbewerbsund investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen im EUTelekommunikationsrecht und im Telekommunikationsgesetz, der verstaerkten Kooperation von Unternehmen, besserer Foerdermoeglichkeiten sowie einer gute Abstimmung zwischen Bund, Laendern und Kommunen. Wir wollen Regionen, die nicht mindestens eine Daten-Geschwindigkeit von 2 Mbit/s haben, so schnell wie moeglich erschliessen. Bis zum Jahr 2018 soll es in Deutschland eine flaechendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Mbit/s geben. Um mehr Investitionssicherheit fuer Netzbetreiber im laendlichen Raum zu schaffen werden wir die rechtlichen Rahmenbedingungen fuer laengerfristige Vertraege der Netzbetreiber mit den Netznutzern zu Ausbau und Finanzierung der Breitbandinfrastruktur pruefen und gegebenenfalls Vertragslaufzeiten von 3 bis 4 Jahren im laendlichen Raum ermoeglichen. Schnelle und sichere Datennetze sind die Grundlage fuer Innovation, Wachstum und Beschaeftigung in einer modernen Industrieund Dienstleistungsgesellschaft. Um den globalen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Herausforderungen zu begegnen, brauchen wir eine starke deutsche und europaeische Telekommunikationsund IT-Industrie. Wir werden darauf hinwirken, dass die Regulierung der Telekommunikationsmaerkte sowohl auf europaeischer als auch auf nationaler Ebene so gestaltet wird, dass sich Investitionen im laendlichen Raum lohnen. Wir setzen uns im Beihilfebereich bei der EU-Kommission fuer eine NGA-Rahmenregelung fuer Deutschland ein, die die Vectoring-Technologie einbezieht und es ermoeglicht, den Breitbandausbau im laendlichen Raum durch ein unbuerokratisches technologieneutrales und wettbewerbsfreundliches Foerderverfahren voranzubringen. Der Breitbandausbau muss auch zukuenftig in der EU foerderfaehig bleiben. Zudem muss es zu einer Vereinfachung der Foerderung wie im Rahmen der Daseinsvorsorge im EU-Recht kommen. Ein neues Sonderfinanzierungsprogramm „Premiumfoerderung Netzausbau“ bei der KfW-Bankengruppe soll bestehende Programme ergaenzen. Wir wollen ausserdem einen Breitband-Buergerfonds einrichten. In diesen Fonds sollen Privatpersonen zu soliden Renditen investieren koennen. WLAN Die Potenziale von lokalen Funknetzen (WLAN) als Zugang zum Internet im oeffentlichen Raum muessen ausgeschoepft werden. Wir wollen, dass in deutschen Staedten mobiles Internet ueber WLAN fuer jeden verfuegbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen fuer die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen. Rechtssicherheit fuer WLAN-Betreiber ist dringend geboten, etwa durch Klarstellung der Haftungsregelungen (Analog zu Accessprovidern). Gleichzeitig werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher ueber die Gefahren solcher Netze fuer sensible Daten aufklaeren. Neben der Klaerung der rechtlichen Fragen moechten wir die Etablierung heterogener, frei vernetzter und lokaler Communities und ihrer Infrastrukturen forcieren. Durch die Foerderung dieser sowie von Ad-hoc-Netzwerken im Rahmen der F&E-Strategie sollen lokale, dezentrale Netzwerke unterstuetzt werden, die eine komplementaere Infrastruktur fuer einen fest definierten Nutzerkreis umfassen. Damit verbessern wir die in- Wachstum, Innovation und Wohlstand 49 frastrukturellen Rahmenbedingungen fuer den Zugang zu leistungsfaehigem Internet fuer alle. Wir wollen eine gesetzliche Klarstellung fuer den Netzzugang von Telekommunikationsanbietern. Nutzerinnen und Nutzer muessen die freie Auswahl an Routern behalten. Daher lehnen wir den Routerzwang ab. Die zur Anmeldung der Router (TKEndeinrichtungen) am Netz erforderlichen Zugangsdaten sind den Kundinnen und Kunden unaufgefordert mitzuteilen. Netzneutralitaet Der Erhalt des offenen und freien Internets, die Sicherung von Teilhabe, Meinungsvielfalt, Innovation und fairer Wettbewerb sind zentrale Ziele der Digitalen Agenda. Der diskriminierungsfreie Transport aller Datenpakete im Internet ist die Grundlage dafuer. Dabei ist insbesondere auch sicherzustellen, dass Provider ihre eigenen inhaltlichen Angebote und Partnerangebote nicht durch hoehere Datenvolumina oder schnellere uebertragungsgeschwindigkeit im Wettbewerb bevorzugen. Neutralitaet ist auch von Suchmaschinen zu verlangen, die sicherstellen muessen, dass alle Angebote diskriminierungsfrei aufzufinden sind. Die Gewaehrleistung von Netzneutralitaet wird daher als eines der Regulierungsziele im Telekommunikationsgesetz verbindlich verankert und die Koalition wird sich auch auf europaeischer Ebene fuer die gesetzliche Verankerung von Netzneutralitaet einsetzen. Die Bundesnetzagentur wird ermaechtigt und technisch sowie personell in die Lage versetzt, die Einhaltung dieses Ziels zu ueberwachen. Zudem muessen Mobilfunkanbieter Internettelefonie gegebenenfalls gegen separates Entgelt ermoeglichen. Das so genannte Best-Effort-Internet, das fuer die Gleichberechtigung der Datenpakete steht, wird in seiner Qualitaet weiterentwickelt und darf nicht von einer Vielzahl von „Managed Services“ verdraengt werden. Netzwerkmanagement muss allerdings dort moeglich sein, wo es technisch geboten ist, damit bandbreitensensible Daten und Anwendungen verlaesslich und ohne Verzoegerung uebertragen werden bzw. zum Einsatz kommen koennen. Deep Packet Inspection (DPI) zur Diskriminierung von Diensten oder ueberwachung der Nutzerinnen und Nutzer werden wir dagegen gesetzlich untersagen. 1.4. Die Energiewende zum Erfolg fuehren Energiewende und Klimaschutz erfolgreich gestalten Die Energiewende ist ein richtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg in eine Industriegesellschaft, die dem Gedanken der Nachhaltigkeit und der Bewahrung der Schoepfung verpflichtet ist. Sie schuetzt Umwelt und Klima, macht uns unabhaengiger von Importen, sichert Arbeitsplaetze und Wertschoepfung in Deutschland. Eine der Hauptaufgaben der Grossen Koalition ist es deshalb, engagierten Klimaschutz zum Fortschrittsmotor zu entwickeln und dabei Wohlstand und Wettbewerbsfaehigkeit zu staerken. Wir wollen die Entwicklung zu einer Energieversorgung ohne Atomenergie und mit stetig wachsendem Anteil Erneuerbarer Energien konsequent und planvoll fortfuehren. Wir bekraeftigen unseren Willen, die internationalen und nationalen Ziele zum Schutz des Klimas einzuhalten, uns in der Europaeischen Union fuer 2030 fuer am- Wachstum, Innovation und Wohlstand 50 bitionierte Ziele auf der Grundlage der weltweiten langfristigen Ziele fuer 2050 einzusetzen und wir werden uns auch international fuer ambitionierte Klimaschutzziele und verbindliche Vereinbarungen engagieren. Die Erreichung ambitionierter europaeischer Klimaschutzziele darf nicht zu Nachteilen fuer energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Industrien fuehren und ist so zu gestalten, dass carbon leakage vermieden wird. Energiepolitisches Dreieck Die Ziele des energiepolitischen Dreiecks Klimaund Umweltvertraeglichkeit, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit sind fuer uns gleichrangig. Die Energiewende wird nur dann bei Buergern und Wirtschaft Akzeptanz finden, wenn Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit gewaehrleistet sowie industrielle Wertschoepfungsketten und Arbeitsplaetze erhalten bleiben. Beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien ist der Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems einschliesslich des Netzausbaus und der notwendigen Reservekapazitaeten eine hoehere Bedeutung zuzumessen. Dabei muss auch der europaeische Strommarkt verstaerkt in den Blick genommen werden. In diesem Rahmen muss zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Deutschland der wirtschaftliche Betrieb notwendiger Kapazitaeten konventioneller und flexibel einsetzbarer Kraftwerke in bezahlbarer Weise moeglich bleiben. Reform des EEG Die Koalition strebt eine schnelle und grundlegende Reform des ErneuerbareEnergien-Gesetzes (EEG) an und legt sie bis Ostern 2014 vor mit dem Ziel einer Verabschiedung im Sommer 2014, um verlaessliche Rahmenbedingungen in der Energiepolitik zu schaffen. Altanlagen geniessen Bestandsschutz. Der Vertrauensschutz im Hinblick auf getaetigte und in der Realisierung befindliche Investitionen ist entsprechend zu gewaehren. Klimaschutz Wir halten daran fest, dem Klimaschutz einen zentralen Stellenwert in der Energiepolitik zuzumessen. National wollen wir die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenueber dem Stand 1990 reduzieren. Innerhalb der Europaeischen Union setzen wir uns fuer eine Reduktion um mindestens 40 Prozent bis 2030 als Teil einer Zieltrias aus Treibhausgasreduktion, Ausbau der Erneuerbare Energien und Energieeffizienz ein. In Deutschland wollen wir die weiteren Reduktionsschritte im Lichte der europaeischen Ziele und der Ergebnisse der Pariser Klimaschutzkonferenz 2015 bis zum Zielwert von 80 bis 95 Prozent im Jahr 2050 festschreiben und in einem breiten Dialogprozess mit Massnahmen unterlegen (Klimaschutzplan). Die Koalition will einen wirksamen Emissionshandel auf europaeischer Ebene. Dabei muss die Reduzierung der emittierten Treibhausgasmengen zentrales Ziel des Emissionshandels bleiben. Korrekturen sollten grundsaetzlich nur erfolgen, wenn die Ziele zur Minderung der Treibhausgase nicht erreicht werden. Bei der von der EUKommission geplanten Herausnahme von 900 Mio. Zertifikaten aus dem Handel (backloading) muss sichergestellt werden, dass es sich um einen einmaligen Eingriff Wachstum, Innovation und Wohlstand 51 in das System handelt, die Zertifikate nicht dauerhaft dem Markt entzogen werden und nachteilige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfaehigkeit der betroffenen Branchen und industrielle Arbeitsplaetze ausgeschlossen werden. Wir setzen uns fuer ein ambitioniertes, weltweites Klimaschutzabkommen ein. Der Klimaschutz und der Ausbau erneuerbarer Energien wird weltweit durch Kooperationen und Programme mit anderen Staaten, insbesondere Schwellenund Entwicklungslaendern, vorangebracht. Erneuerbare Energien Der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien erfolgt in einem gesetzlich festgelegten Ausbaukorridor: 40 bis 45 Prozent im Jahre 2025, 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035. Jaehrlich wird der Fortgang des Ausbaus im Hinblick auf Zielerreichung, Netzausbau und Bezahlbarkeit ueberprueft (Monitoring). Auf der Basis dieser Korridore wird sich die Koalition mit den Laendern auf eine synchronisierte Planung fuer den Ausbau der einzelnen Erneuerbaren Energien verstaendigen. Wir werden die Erneuerbaren Energien so ausbauen, dass die Ausbauziele unter Beruecksichtigung einer breiten Buergerbeteiligung erreicht und die Kosten begrenzt werden. Wir werden auch unverzueglich den Dialog mit der Europaeischen Kommission und den Mitgliedstaaten darueber beginnen, wie diesen Zielen dienende Foerderbedingungen europarechtskonform weiterentwickelt werden koennen. Zusaetzliche Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen in dem Bereich der Erneuerbaren Energien eingesetzt werden. Effizienz als zweite Saeule einer nachhaltigen Energiewende Die Senkung des Energieverbrauchs durch mehr Energieeffizienz muss als zentraler Bestandteil der Energiewende mehr Gewicht erhalten. Fortschritte bei der Energieeffizienz erfordern einen sektoruebergreifenden Ansatz, der Gebaeude, Industrie, Gewerbe und Haushalte umfasst und dabei Strom, Waerme und Kaelte gleichermassen in den Blick nimmt. Ausgehend von einer technisch-wirtschaftlichen Potenzialanalyse wollen wir Maerkte fuer Energieeffizienz entwickeln und dabei alle Akteure einbinden. Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz In einem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz will die Koalition die Ziele fuer die verschiedenen Bereiche, die Instrumente, die Finanzierung und die Verantwortung der einzelnen Akteure zusammenfassen. Er wird mit einem jaehrlichen Monitoring von einer unabhaengigen Expertenkommission ueberprueft. Der erste Aktionsplan soll im Jahre 2014 erarbeitet und von der Bundesregierung beschlossen werden. Die dafuer vorzusehenden Mittel werden durch Haushaltsumschichtung erwirtschaftet. Aus dem Energieund Klimafonds werden wir die Umsetzung anspruchsvoller Effizienzmassnahmen in der Wirtschaft, durch Handwerk und Mittelstand, Kommunen und Haushalten foerdern. In den Sektoren Gebaeude und Verkehr erfolgt die Finanzierung ergaenzend mit eigenen Instrumenten aus den zustaendigen Ressorts. Wachstum, Innovation und Wohlstand 52 In einem ersten Schritt wollen wir folgende Massnahmen umsetzen:   Das KfW-Programm zur energetischen Gebaeudesanierung wollen wir aufstocken, verstetigen und deutlich vereinfachen.   Die Programme sollen so gestaltet sein, dass durch Beratung Fehlinvestitionen verhindert werden.   Die EU-Energieeffizienz-Richtlinie werden wir sachgerecht umsetzen.   Zur Foerderung sinnvoller und kosteneffizienter Massnahmen werden wir einen Schwerpunkt auf eine fachlich fundierte und unabhaengige Energieberatung legen und diese entsprechend foerdern, insbesondere ueber die Effizienz von Heizungsanlagen und moeglichen Massnahmen zur Effizienzverbesserung gezielt informieren.   Wir werden die kostenlose Energieberatung fuer Haushalte mit niedrigen Einkommen ausbauen. Investitionen in energiesparende Haushaltgeraete werden erleichtert.   Auf europaeischer Ebene werden wir uns mit Nachdruck fuer dynamische und anspruchsvollere Standards fuer energierelevante Produkte im Rahmen der oekoDesign-Richtlinie (Verankerung des Top-Runner-Prinzips) einsetzen. Soweit moeglich, wollen wir nationale Standards vorab setzen.   Die Kennzeichnung von Produkten (z. B. Haushaltsgeraeten) entsprechend ihrer Energieeffizienz werden wir fuer die Kunden aussagekraeftig gestalten. 
Klimafreundlicher Waermemarkt 
Der Waermemarkt ist mitentscheidend fuer eine erfolgreiche Energiewende. Seine Umgestaltung ist ein langfristiger Prozess. Ziel der Koalition bleibt es, bis zum Jahr 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebaeudebestand zu haben. Dazu muessen der Energieverbrauch der Gebaeude adaequat gesenkt und gleichzeitig der Ausbau erneuerbarer Energien zur Waermenutzung vorangetrieben werden. 
Auf der Grundlage eines Sanierungsfahrplans werden wir im Gebaeudebereich und im Waermemarkt als erste Schritte folgende Massnahmen ergreifen:   Das Erneuerbare-Energien-Waermegesetz wird auf der Grundlage des Erfahrungsberichtes und in Umsetzung von europaeischem Recht fortentwickelt sowie mit den Bestimmungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) abgeglichen.   Der Einsatz von erneuerbaren Energien im Gebaeudebestand sollte weiterhin auf Freiwilligkeit beruhen.   Wir werden die Informationen von Kaeufern und Mietern ueber die energetische Qualitaet eines Gebaeudes weiter verbessern und transparenter gestalten.   Das bewaehrte Marktanreizprogramm werden wir verstetigen.   In einem Strommarkt mit einem weiter zunehmenden Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien werden wir Strom, der sonst abgeregelt werden muesste, fuer weitere Anwendungen, etwa im Waermebereich, nutzen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 53 Ausbau der erneuerbaren Energien Ausbaukorridor Erneuerbare Energien Wir setzen uns fuer einen nachhaltigen, stetigen und bezahlbaren Ausbau der Erneuerbaren ein. Dafuer werden wir im EEG einen im Gesetz geregelten Ausbaukorridor festlegen und den Ausbau steuern. Damit stellen wir sicher, dass die Ausbauziele erreicht werden und die Kosten im Rahmen bleiben. Dieser Ausbaukorridor:   schafft Planungssicherheit fuer alle Beteiligten,   gibt der EE-Branche einen verlaesslichen Wachstumspfad,   begrenzt die Kostendynamik beim Ausbau der erneuerbaren Energien,   gibt der Entwicklung der konventionellen Energiewirtschaft einen stabilen Rahmen,   erlaubt eine bessere Verknuepfung mit dem Netzausbau,   ermoeglicht eine schrittweise Anpassung des Stromund Energieversorgungssystems an die Herausforderungen volatiler Stromerzeugung und dadurch eine kostenguenstigere Systemintegration. 
Kosten der Energiewende 
Die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die Gesamtkosten sind in den letzten Jahren aber schnell und stark gestiegen. Private und gewerbliche Stromkunden muessen erhebliche Lasten tragen. Die EEG-Umlage hat mittlerweile eine Hoehe erreicht, die fuer private Haushalte und weite Teile der Wirtschaft, insbesondere auch mittelstaendische Unternehmen, zum Problem wird, wenn es nicht gelingt, die Kostendynamik zu entschaerfen. Mit der grundlegenden Reform, auf die wir uns verstaendigt haben, wollen wir Ausmass und Geschwindigkeit des Kostenanstiegs spuerbar bremsen, indem wir die Verguetungssysteme vereinfachen und die Kosten auf einem vertretbaren Niveau stabilisieren. Dazu brauchen wir neben einem berechenbaren und im Gesetz festgelegten Ausbaukorridor insbesondere mehr Kosteneffizienz durch Abbau von ueberfoerderungen und Degression von Einspeiseverguetungen, eine staerker marktwirtschaftlich orientierte Foerderung, eine Konzentration der Besonderen Ausgleichsregelung auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb und eine ausgewogene Regelung fuer die Eigenproduktion von Strom. 
Reform des Foerdersystems 
Die Foerderung der Erneuerbaren will die Koalition mit Blick auf bezahlbare Strompreise kosteneffizienter gestalten. ueberfoerderungen werden wir schnell und konsequent bei Neuanlagen abbauen; Altanlagen geniessen Bestandsschutz. Fuer alle Technologien werden wir eine kontinuierliche Degression der Foerdersaetze im EEG verankern. Wir werden die Bonusregelungen ueberpruefen und weitgehend streichen. Darueber hinaus werden wir das vergleichsweise teure Gruenstromprivileg streichen. Damit sichern wir auch fuer die Zukunft eine europarechtskonforme Ausgestaltung. Wachstum, Innovation und Wohlstand 54 Fuer die einzelnen Technologien gilt:   Photovoltaik: Die jetzt geltende Regelung (u. a. atmender Deckel, Obergrenze) hat sich bewaehrt und wird beibehalten. Der Zubau in diesem Jahr liegt nahe an dem im EEG festgelegten Ausbaukorridor.   Biomasse: Der Zubau von Biomasse wird ueberwiegend auf Abfallund Reststoffe begrenzt. Dies dient dem Schutz der Natur, vermeidet die „Vermaisung“ der Landschaft und entschaerft Nutzungskonkurrenzen. Bestehende Anlagen sollen moeglichst bedarfsorientiert betrieben werden, um Vorteile fuer Systemstabilitaet zu nutzen. Wir entwickeln ein Gesamtkonzept fuer Anbau, Verarbeitung und Nutzung von Biomasse unter biooekonomischen Gesichtspunkten. Dabei soll deren Einsatz einen sinnvollen Beitrag zum CO2-Minderungsziel leisten und Nutzungskonkurrenzen mit dem Artenund Naturschutz entschaerft werden.   Wind an Land: Wir werden die Foerdersaetze senken (insbesondere bei windstarken Standorten), um ueberfoerderungen abzubauen und gleichzeitig durch eine Weiterentwicklung des Referenzertragsmodells dafuer sorgen, dass bundesweit die guten Standorte mit einem Referenzwert von 75 bis 80 Prozent auch zukuenftig wirtschaftlich genutzt werden koennen. Wir werden eine Laenderoeffnungsklausel in das Baugesetzbuch (BauGB) einfuegen, die es ermoeglicht, laenderspezifische Regeln ueber Mindestabstaende zur Wohnbebauung festzulegen.   Wind auf See: Orientiert an den realistischen Ausbaumoeglichkeiten legen wir den Ausbaupfad 2020 auf 6,5 GW fest. Um anstehende Investitionen mit langen Vorlaufzeiten bei Offshore-Wind nicht zu gefaehrden, werden die dafuer kurzfristig notwendigen Massnahmen getroffen. Zur Sicherstellung erfolgt eine Verlaengerung des Stauchungsmodells bis zum 31. Dezember 2019. Hierzu ist zeitnah ein Kabinettbeschluss vorgesehen. Fuer den weiteren Ausbaupfad bis 2030 gehen wir von durchschnittlich zwei Windparks pro Jahr mit einer Leistung von je ca. 400 MW aus, um einen Ausbau von 15 GW bis 2030 zu erreichen.   Wasserkraft: Die bestehenden gesetzlichen Regeln haben sich bewaehrt und werden fortgefuehrt. 
Darueber hinaus soll ab 2018 die Foerderhoehe ueber Ausschreibungen ermittelt werden, sofern bis dahin in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Wege kostenguenstiger erreicht werden koennen. Um Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen zu sammeln und ein optimales Ausschreibungsdesign zu entwickeln, wird spaetestens 2016 ein Ausschreibungspilotmodell in einer Groessenordnung von insgesamt 400 MW fuer Photovoltaik-Freiflaechenanlagen ab einer noch festzulegenden Mindestgroesse eingefuehrt. Wir werden darauf achten, dass bei der Realisierung von Ausschreibungen eine breite Buergerbeteiligung moeglich bleibt. 
Marktund Systemintegration 
Unser Grundsatz lautet: Das EEG ist ein Instrument zur Markteinfuehrung von Erneuerbaren Energien. Sie sollen perspektivisch ohne Foerderung am Markt bestehen. Daher wird die Koalition die Erneuerbaren Energien in den Strommarkt integrieren. Durch die Degression im EEG steigt der Anreiz zur Direktvermarktung. Fuer Erneuerbare Energien wird bei Neuanlagen ab 5 MW eine verpflichtende Direktvermarktung Wachstum, Innovation und Wohlstand 55 auf Basis der gleitenden Marktpraemie eingefuehrt. Spaetestens 2017 soll dies fuer alle Anlagengroessen gelten. Die Einfuehrung werden wir so gestalten, dass die mit dem EEG bestehende Vielfalt der Akteure erhalten bleibt. Um die Stabilitaet des Systems zu gewaehrleisten, werden wir zudem festlegen, dass Neuanlagen vom Netzbetreiber und von den Direktvermarktern ansteuerbar sein muessen. Spitzenlast kann bei neuen Anlagen im begrenzten Umfang (weniger als
5 Prozent der Jahresarbeit) unentgeltlich abgeregelt werden, soweit dies die Kosten fuer den Netzausbau senkt und dazu beitraegt, negative Boersenstrompreise zu vermeiden. Zudem werden wir die Entschaedigungsregelung im Einspeisemanagement so veraendern, dass sie verstaerkt Anreize dafuer setzt, die Netzsituation bei der Standortwahl von Neuanlagen besser zu beruecksichtigen (Haertefallregelung). In der bestehenden Haertefallregelung wird die Hoehe der Entschaedigung abgesenkt, wenn wegen eines Netzengpasses nicht eingespeist werden kann. Der Einspeisevorrang fuer die Erneuerbaren Energien wird beibehalten. Wir werden pruefen, ob grosse Erzeuger von Strom aus Erneuerbaren Energien einen Grundlastanteil ihrer Maximaleinspeisung garantieren muessen, um so einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten. Diese koennen sie in eigener Verantwortung vertraglich mit Betreibern von Speichern, von nachfrageabhaengig regelbaren Erneuerbaren Energien, abschaltbaren Lasten oder von fossilen Kraftwerken absichern. Die virtuelle „Grundlastfaehigkeit“ der einzelnen Erneuerbaren Energien soll schrittweise geschaffen werden. Hierzu werden wir ein Pilotvorhaben durchfuehren. Wir setzen uns dafuer ein, die Foerderung der erneuerbaren Energien in Deutschland in den europaeischen Binnenmarkt zu integrieren. Dafuer werden wir das EEG europarechtskonform weiterentwickeln und uns dafuer einsetzen, dass die EURahmenbedingungen und die Beihilferegelungen den Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland auch weiterhin unterstuetzen. Ungeachtet dessen gehen wir weiterhin davon aus, dass das EEG keine Beihilfe darstellt. Internationale Wettbewerbsfaehigkeit der Industrie und faire Lastenteilung Die Besondere Ausgleichsregelung dient dazu, stromintensive Unternehmen in ihrer internationalen Wettbewerbsfaehigkeit nicht zu gefaehrden, geschlossene Wertschoepfungsketten und industrielle Arbeitsplaetze dauerhaft zu erhalten. Die Koalition will deshalb die Besondere Ausgleichsregelung erhalten und zukunftsfaehig weiterentwickeln, wohlwissend, dass sie Auswirkungen auf die Finanzierungsgrundlage fuer das EEG hat. Die Zahl der antragstellenden Unternehmen und die privilegierte Strommenge haben sich seit der letzten Novelle weiter erhoeht. Auch die als Eigenstromerzeugung privilegierten Strommengen steigen seit Jahren kontinuierlich an. Vor diesem Hintergrund setzen wir uns dafuer ein, dass die internationale Wettbewerbsfaehigkeit der deutschen Industrie erhalten, die Besondere Ausgleichsregelung dafuer europarechtlich abgesichert und die Finanzierung des EEG dauerhaft auf eine stabile Grundlage gestellt wird. Dabei ist auch der innereuropaeische Wettbewerb zu beruecksichtigen, solange es keine vollstaendige Harmonisierung der Foerderung der erneuerbaren Energien gibt. Die Vorschlaege zur Steuerung des Ausbaus und zur Kosteneffizienz sind auch mit Blick auf die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfaehigkeit der deutschen Industrie von zentraler Bedeutung. Wachstum, Innovation und Wohlstand 56 Bei der Besonderen Ausgleichsregelung ueberpruefen wir die Privilegierung in den einzelnen Branchen vorrangig anhand objektiver, europarechtskonformer Kriterien. Darueber hinaus werden wir den Kostenbeitrag der privilegierten Unternehmen ueberpruefen. Zugleich ist vorgesehen, dass die beguenstigten Unternehmen nicht nur ein Energiemanagementsystem einfuehren, sondern auch wirtschaftlich sinnvolle und technologisch machbare Fortschritte bei der Energieeffizienz erzielt werden. Dabei werden bereits erreichte Erfolge (early actions) beruecksichtigt. Diese Massnahmen kommen auch dem Anliegen der Europaeischen Kommission entgegen. Weiterhin setzen wir uns dafuer ein, dass im Grundsatz die gesamte Eigenstromerzeugung an der EEG-Umlage beteiligt wird. So sollen alle neuen Eigenstromerzeuger mit einer Mindestumlage zur Grundfinanzierung des EEG beitragen, wobei wir die Wirtschaftlichkeit insbesondere von KWK-Anlagen und Kuppelgasnutzung wahren werden. Fuer kleine Anlagen soll eine Bagatellgrenze eingezogen werden. Vertrauensschutz fuer bestehende Eigenerzeugung wird gewaehrleistet. Strommarktdesign – Neue Rolle fuer konventionelle Kraftwerke Auch in Zukunft muss die Versorgungssicherheit gewaehrleistet sein, also jederzeit der nachgefragten Last eine entsprechend gesicherte Erzeugungsleistung in Deutschland gegenueber stehen. Die konventionellen Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle, Gas) als Teil des nationalen Energiemixes sind auf absehbare Zeit unverzichtbar. Durch den kontinuierlichen Aufwuchs der Erneuerbaren Energien benoetigen wir in Zukunft hocheffiziente und flexible konventionelle Kraftwerke. Solange keine anderen Moeglichkeiten (wie z. B. Speicher oder Nachfragemanagement) ausreichend und kostenguenstig zur Verfuegung stehen, kann Stromerzeugung aus Windund Sonnenenergie nicht entscheidend zur Versorgungssicherheit beitragen. Daraus ergibt sich das Erfordernis einer ausreichenden Deckung der Residuallast. Ein Entwicklungspfad fuer den konventionellen Kraftwerkspark laesst sich nicht ohne eine klare Kenntnis des Ausbaus der Erneuerbaren Energien beschreiben. Wir brauchen verschiedene Mechanismen, mit denen die jeweils erforderlichen Kapazitaeten langfristig am Markt gehalten werden koennen. Fuer eine oekologisch vernuenftige, oekonomisch tragfaehige und Arbeitsplaetze sichernde Vorgehensweise sind folgende Eckpunkte umzusetzen:   Damit die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien und die Stromnachfrage besser aufeinander abgestimmt werden, sind Flexibilitaetsoptionen sowohl auf der Angebotsals auch auf der Nachfrageseite auszubauen (insbesondere bei Kraftwerken und Erneuerbaren Energien, durch Lastmanagement, intelligente Zaehler, lastvariable Tarife und Speicher).   Fuer die naechsten Jahre wollen wir die Netzreserve weiterentwickeln (Ausschreibungsmodelle auf Ebene der uebertragungsnetzbetreiber). Damit die Kosten fuer die Absicherung der wenigen Jahresstunden mit den hoechsten Lasten begrenzt bleiben, koennen, soweit verfuegbar, bestehende fossile Kraftwerke die Netzreserve bilden. Wachstum, Innovation und Wohlstand 57   Um kurzfristige Risiken fuer die Versorgungssicherheit zu vermeiden, werden wir darueber hinaus dafuer sorgen, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen der anstehenden Untersuchungen auf Grundlage der Reservekraftwerksverordnung die Errichtung neuer regional erforderlicher Kraftwerkskapazitaeten zuegig prueft und gegebenenfalls sicherstellt.   Derzeit verfuegen wir deutschlandweit ueber ausreichend Kraftwerke. Allerdings koennte sich diese Situation bis zum Ende des Jahrzehntes aendern. Es ist mittelfristig ein Kapazitaetsmechanismus zu entwickeln, unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz im Einklang mit europaeischen Regelungen und unter Gewaehrleistung wettbewerblicher und technologieoffener Loesung.   Die rechtlichen und finanziellen Bedingungen fuer die umweltfreundliche KraftWaerme-Kopplung wollen wir so gestalten, dass der KWK-Anteil auf 25 Prozent bis 2020 ausgebaut wird. Auf Grundlage einer umgehend zu erstellenden Potenzialanalyse werden wir in 2014 auch die Rahmenbedingungen fuer KWK wie insbesondere das KWKG ueberpruefen und anpassen. Die EU-EnergieeffizienzRichtlinie setzen wir so in deutsches Recht um, dass die dort vorgesehenen Moeglichkeiten zur Anerkennung der Vorteile von KWKund Fernwaerme bei Primaerenergie und CO2-Einsparung gegenueber anderen Heizsystemen besser zur Geltung kommen. 
Speicher 
Die stark schwankende Einspeisung Erneuerbarer Energien erfordert einen Ausgleich durch verschiedene Flexibilitaetsoptionen, wie z. B. Lastmanagement, powerto-heat und Speicher. Um die erforderliche konventionelle Reservekapazitaet zuverlaessig abschaetzen zu koennen, wird die Koalition in den kommenden Jahren technisch und wirtschaftlich verfuegbare Speicherpotenziale pruefen. 
Kuenftig wird ein Mix verschiedener Stromspeicher erforderlich sein. Die dafuer noetigen Rahmenbedingungen sind technologieneutral zu gestalten. Wir wollen, dass Pumpspeicherwerke auch kuenftig ihren Beitrag zur Netzstabilitaet wirtschaftlich leisten koennen. 
Aufgrund der zukuenftigen Systemfunktionen sollen die Letztverbraucher-Pflichten der Speicher ueberprueft werden. 
Mittelbis langfristig steigt der Bedarf nach neuen Speichern. Bei einem hohen Anteil an Erneuerbaren Energien brauchen wir auch Langzeitspeicher, die saisonale Schwankungen ausgleichen koennen, wie z. B. power-to-gas. Mit den aktuellen und weiteren Demonstrationsprojekten werden wir die Technologie Schritt fuer Schritt weiterentwickeln, optimieren und zur Marktreife bringen. Das bereits angelegte Forschungsprogramm wird fortgefuehrt. Wachstum, Innovation und Wohlstand 58 Netze Verlaessliche und langfristige Netzausbauplanung Netzausbau und Ausbau der Erneuerbaren bedingen einander. Damit beides synchron laeuft, sollte der Netzausbau zukuenftig auf Basis des gesetzlich geregelten Ausbaupfads fuer Erneuerbare Energien erfolgen. Fuer den Ausbau des uebertragungsnetzes stellt der Bundesbedarfsplan auch in Zukunft das zentrale Instrument dar. Mit Blick auf den erforderlichen Netzausbau gilt es, Offshore-Windenergie schrittweise in einem geordneten Verfahren auszubauen (Offshore Netzentwicklungsplan). Entstehende Anbindungskapazitaeten sollen effektiv genutzt werden koennen. Die Optimierungspotenziale bei Bestandsnetzen sollen ausgeschoepft werden. Damit werden die Aufnahmekapazitaet des Netzes fuer die Erneuerbaren gesteigert, die Effizienz erhoeht und die Kosten gesenkt. Aufgrund der hohen Dringlichkeit des Netzausbaus fuer das Gelingen der Energiewende ist eine breite Akzeptanz der Bevoelkerung notwendig, die heute noch in vielen Faellen nicht gegeben ist. In ausgewaehlten Pilotlinien sollen neu zur Verfuegung stehende GleichstromTechnologien (Mehrpunktfaehigkeit), wie z. B. der DC-Leistungsschalter bzw. Regelungstechniken und Kabelverlegetechniken, erprobt und ggfs. aus Mitteln der Technologiefoerderung auch gefoerdert werden. Als Ausgangspunkt ist hierfuer ein zentraler Verteilerpunkt im Drehstromnetz sinnvoll. Wir wollen die Integration der europaeischen Stromversorgung durch den Ausbau der grenzueberschreitenden Hoechstspannungsleitungen und der Grenzkuppelstellen auf der Grundlage der EU-Verordnung ueber die transeuropaeische Energieinfrastruktur (TEN-E) vorantreiben. Modernisierung der Verteilernetze Die Verteilernetze sind das Rueckgrat der Energiewende vor Ort, da der Zubau Erneuerbarer Energien eine zunehmende Dezentralisierung des Energieversorgungssystems bewirkt. Die Koalition wird die Rahmenbedingungen fuer die Verteilernetze investitionsfreundlich ausgestalten, damit Investitionen zeitnah refinanziert werden koennen. Investitionsbugdets in den Verteilernetzen werden wir pruefen. Die Versorgungssicherheit hat weiterhin Prioritaet. Investitionen durch Netzbetreiber sollen getaetigt werden koennen, wenn sie erforderlich sind. Mit dem Evaluierungsbericht der Bundesnetzagentur zur Anreizregulierung und der Netzplattform-Studie „Moderne Verteilernetze fuer Deutschland“ werden wir 2014 ueber eine ausreichende Datenbasis fuer Entscheidungen zu notwendigen Weiterentwicklungen der Anreizregulierung verfuegen. Rahmenbedingungen fuer intelligente Netze schaffen Wir wollen bereits in 2014 verlaessliche Rahmenbedingungen fuer den sicheren Einsatz von intelligenten Messsystemen fuer Verbraucher, Erzeuger und Kleinspeicher Wachstum, Innovation und Wohlstand 59 auf den Weg bringen. Gegenstand des Paketes werden die Festlegung hoher technischer Standards zur Gewaehrleistung von Datenschutz und Datensicherheit, bereichsspezifischer Datenschutzregeln fuer die Marktkommunikation sowie Regelungen im Zusammenhang mit dem Einbau von intelligenten Zaehlern zur Ermoeglichung von intelligentem Lastund Erzeugungsmanagement sein. Netzentgelte Wir werden das System der Netzentgelte daraufhin ueberpruefen, ob es den Anforderungen der Energiewende gerecht wird. Die Koalition wird das System der Netzentgelte auf eine faire Lastenverteilung bei der Finanzierung der Netzinfrastruktur ueberpruefen. Durch die steigende Eigenstromversorgung im privaten und gewerblichen Bereich ist die faire Kostenverteilung zunehmend in Frage gestellt. Deshalb muessen die Kosten fuer die Bereitstellung der Netzinfrastruktur kuenftig staerker abgebildet werden, zum Beispiel durch die Einfuehrung einer generellen Leistungskomponente im Netzentgelt (Grundoder Leistungspreis) und die Beteiligung der Einspeiser an den Kosten der Netzinfrastruktur und des Netzbetriebs. Buerger am Netzausbau beteiligen Fuer den Ausbau der Stromnetze muss bei den betroffenen Anliegern um Akzeptanz geworben werden. Neben fruehzeitiger und intensiver Konsultation der Vorhaben kann dazu auch eine finanziell attraktive Beteiligung von betroffenen Buergerinnen und Buergern an der Wertschoepfung sowie eine ueberpruefung der derzeitigen Entschaedigungspraxis beitragen. Wir werden das Bewertungsverfahren bei Neuvergabe (z. B. bei der Rekommunalisierung) der Verteilernetze eindeutig und rechtssicher regeln sowie die Rechtssicherheit im Netzuebergang verbessern. Ausstieg aus der Kernenergie Wir halten am Ausstieg aus der Kernenergie fest. Spaetestens 2022 wird das letzte Kernkraftwerk in Deutschland abgeschaltet. Auch auf europaeischer Ebene wird Deutschland weiter fuer die Energiewende werben. Sicherheit von Kernkraftwerken Die Sicherheit der Kernkraftwerke in Deutschland ist bis zum letzten Betriebstag zu gewaehrleisten. Deshalb sind weiterhin Investitionen in die Anlagen und fachkundiges Personal bei Betreibern, Behoerden und Sachverstaendigen erforderlich. Der Schutz der Kraftwerke und Abfalllager vor Sabotageund Terrorakten ist auf rechtssicherer Grundlage sicherzustellen. Bund und Laender arbeiten bei der Atomaufsicht so eng wie moeglich zusammen. In Europa wird Deutschland aktiv daran mitwirken, die Sicherheit der Kernkraftwerke zu erhoehen. Dazu werden wir fuer verbindliche Sicherheitsziele in der EU und ein System wechselseitiger Kontrolle bei fortbestehender nationaler Verantwortung fuer die Sicherheit eintreten. Wachstum, Innovation und Wohlstand 60 Fuer den Rueckbau, die Entsorgung und sichere Aufbewahrung von Materialien aus kerntechnischen Anlagen, die nicht der Erzeugung von Elektrizitaet dienen oder gedient haben, werden Gespraeche zwischen dem Bund und den Laendern gefuehrt, wobei auf der Basis von entsprechenden Verwaltungsvereinbarungen auch die Aufteilung der Kosten neu geregelt wird. Wir erwarten von den Kernkraftwerksbetreibern ihre Mitwirkung an der Energiewende und die Wahrnehmung ihrer Verantwortung fuer die geordnete Beendigung der Kernenergienutzung. Ziel ist es damit, in Deutschland die Sicherheit des Restbetriebs der Kernkraftwerke und ihrer Entsorgung auch finanziell zu sichern und sozialvertraegliche Loesungen fuer die Beschaeftigten zu finden. Wir erwarten, dass die Kosten fuer den Atommuell und den Rueckbau der kerntechnischen Anlagen von den Verursachern getragen werden. ueber die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmungen wird die Bundesregierung mit diesen Gespraeche fuehren. Wir setzen uns auch auf europaeischer Ebene fuer umfassende Transparenz in allen sicherheitsrelevanten Fragen ein. Die Unabhaengigkeit der Atomaufsicht ist in Deutschland gewaehrleistet und bedarf keiner aenderung der geltenden Regelungen. Deutschland will auf die internationale Sicherheitsdiskussion Einfluss nehmen. Daher werden auch nach dem Ausstieg geeignete institutionell gefoerderte Forschungseinrichtungen, unabhaengige Sachverstaendigeninstitutionen und ausreichende behoerdliche Fachkompetenz zur Beurteilung der Sicherheit von Kernkraftwerken und ihres Rueckbaus, des Strahlenschutzes und der nuklearen Entsorgung gebraucht. Endlager Wir wollen die Endlagerfrage aus Verantwortung fuer die nachfolgenden Generationen loesen. Deswegen werden die Errichtung des Endlagers Konrad und die Schliessung des Endlagers Morsleben vorgetrieben und die Voraussetzungen fuer die Rueckholung der Abfaelle aus der Schachtanlage Asse II geschaffen. Im ehemaligen Salzbergwerk Asse II wird weiter mit Nachdruck an der Rueckholung des Atommuells gearbeitet. Wir werden die Rueckholungsplanung weiter konkretisieren und die dafuer notwendigen Finanzmittel auch weiterhin zur Verfuegung stellen. Die Entsorgungs-Richtlinie (EURATOM) und das Standortauswahlgesetz setzen wir zuegig und vollstaendig um und verwirklichen dadurch den Trennungsgrundsatz. Das Auswahlverfahren fuer ein Endlager fuer hochradioaktive Abfaelle wird nach Abschluss der Kommissionsberatungen unter breiter Beteiligung der oeffentlichkeit eingeleitet. Auf dem Weg zur gemeinsamen Endlagersuche werden der Bund und das Land Niedersachsen ein einvernehmliches Vorgehen im Hinblick auf den Standort Gorleben verabreden. Wachstum, Innovation und Wohlstand 61 Strahlenschutzrecht Das Strahlenschutzrecht soll modernisiert werden. Der radiologische Notfallschutz zur Bewaeltigung von Katastrophen in kerntechnischen Anlagen wird auf Grundlage der Erfahrungen von Fukushima konzeptionell anpasst. Fracking Nach den vorliegenden Untersuchungen zur Umweltrelevanz ist der Einsatz der Fracking-Technologie bei der unkonventionellen Erdgasgewinnung – insbesondere bei der Schiefergasfoerderung – eine Technologie mit erheblichem Risikopotential. Die Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt sind wissenschaftlich noch nicht hinreichend geklaert. Trinkwasser und Gesundheit haben fuer uns absoluten Vorrang. Den Einsatz umwelttoxischer Substanzen bei der Anwendung der FrackingTechnologie zur Aufsuchung und Gewinnung unkonventioneller Erdgaslagerstaetten lehnen wir ab. ueber Antraege auf Genehmigung kann erst dann entschieden werden, wenn die noetige Datengrundlage zur Bewertung vorhanden ist und zweifelsfrei geklaert ist, dass eine nachteilige Veraenderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu befuerchten ist (Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes).
Auch die Entsorgung des Flowback aus Frack-Vorgaengen mit Einsatz umwelttoxischer Chemikalien in Versenkbohrungen ist wegen fehlender Erkenntnisse ueber die damit verbundenen Risiken derzeit nicht verantwortbar. Die Koalition wird unter Einbeziehung der Laender und der Wissenschaft in einem gemeinsamen Prozess mit den Unternehmen erarbeiten, welche konkreten Erkenntnisse die Erkundungen liefern muessen, um Wissensdefizite zu beseitigen und eine ausreichende Grundlage fuer moegliche nachfolgende Schritte zu schaffen. Dies soll in einem transparenten Prozess erfolgen. Im Dialog mit allen Beteiligten sollen unter Federfuehrung der Wissenschaft Forschungsergebnisse bewertet werden. Die Koalition wird kurzfristig aenderungen fuer einen besseren Schutz des Trinkwassers im Wasserhaushaltsgesetz sowie eine Verordnung ueber die Umweltvertraeglichkeitspruefung (UVP) bergbaulicher Vorhaben vorlegen, die vor Zulassung von Massnahmen zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstaetten mittels Fracking eine obligatorische UVP und oeffentlichkeitsbeteiligung vorsieht. Energiewende gut umsetzen – Dialog und Beteiligung Zur Beratung von Bundesregierung und Parlament bei der Umsetzung der Energiewende strebt die Bundesregierung die Bildung eines „Forums Energiewende (Energierat)“ fuer einen staendigen Dialog mit Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und gesellschaftlich relevanten Gruppen an. Beim Vollzug der Projekte der Energiewende wird auf eine umfassende Beteiligung der Buergerinnen und Buerger geachtet. Die Koalition wird mit allen Akteuren der Energiewirtschaft einen engen Dialog pflegen. Wegen ihrer Bedeutung fuer die Daseinsvorsorge wird u. a. die Handlungsfaehigkeit der deutschen Stadtwerke thematisiert. Wir wollen die Energiewende naturvertraeglich gestalten und zugleich die hierfuer notwendigen Verfahren und dafuer geeigneten Strukturen schaffen. Deswegen wird ein Kompetenzzentrum „Naturschutz und Energiewende“ eingerichtet, um zu einer Versachlichung der Debatten und zur Vermeidung von Konflikten vor Ort beizutragen. Wachstum, Innovation und Wohlstand 62 1.5. Regeln fuer die Finanzmaerkte Die Finanzmaerkte erfuellen eine wichtige Funktion fuer die Volkswirtschaft. Unsere Finanzmarktpolitik gibt der realwirtschaftlichen Dienstleistungsfunktion des Finanzsektors Vorrang vor spekulativen Geschaeften. Indem wir der Spekulation klare Schranken setzen, Transparenz schaffen, nachhaltige Wachstumsstrategien foerdern und die Krisenfestigkeit der Finanzmarktakteure staerken, verbessern wir die Funktionsfaehigkeit und Stabilitaet der Finanzmaerkte. Risiko und Haftung muessen wieder zusammengefuehrt werden. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollen nicht mehr fuer die Risiken des Finanzsektors einstehen muessen. Fuer uns gilt deshalb der Grundsatz: Kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt und kein Markt darf in Zukunft ohne angemessene Regulierung bleiben. Dies traegt auch zur langfristigen Wettbewerbsfaehigkeit der Finanzmaerkte bei. Wir halten am bewaehrten Dreisaeulensystem der deutschen Kreditinstitute fest und werden seine Besonderheiten angemessen beruecksichtigen. Die im Rahmen der europaeischen Umsetzung von Basel III vereinbarten strengeren Eigenkapitalund Liquiditaetsstandards fuer Banken muessen in den vorgegebenen Zeitplaenen konsequent umgesetzt werden. Dazu gehoeren auch eine verbindliche Schuldenobergrenze (Leverage Ratio), die den Risikogehalt der Geschaeftsmodelle angemessen beruecksichtigt, und eine verbindliche, mittelfristige Liquiditaetskennziffer. Bei der Erfuellung der zusaetzlichen Kapitalanforderungen muessen oeffentliche Eigentuemer beihilferechtlich anderen Eigentuemern gleichgestellt werden. Entsprechende Massnahmen zur Erfuellung der von der Aufsicht festgelegten Eigenkapitalanforderungen fuer oeffentliche Banken duerfen nicht als Beihilfen gewertet werden. Unter die Europaeische Bankenaufsicht fallen angesichts der Grenze von 30 Mrd. Euro auch Banken, die nur auf regional begrenzten oder sehr speziellen Sektoren taetig sind. Dies gilt z. B. fuer die Foerderbanken, eine Sparkasse und kleinere Privatbanken. Die Bundesregierung wird die Bundesanstalt fuer Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beauftragen, im Rahmen ihrer Zustaendigkeit fuer die Europaeische Bankenaufsicht in der Praxis dafuer Sorge zu tragen, dass die Besonderheiten von einzelnen Banken, beispielsweise der Foerderbanken, beruecksichtigt werden. Mit Blick auf einen in den naechsten Jahren moeglichen Anpassungsbedarf der CRDIV-Richtlinie wird sich die Bundesregierung dafuer einsetzen, dass die Foerderbanken des Bundes und der Laender im europaeischen Kontext bankenaufsichtsrechtlich zukuenftig inhaltlich so weit wie moeglich gleich behandelt werden. Die Bundesregierung wird sich dafuer einsetzen, dass die Vorschlaege der europaeischen Expertengruppe um Erkki Liikanen zur Einschraenkung riskanter Geschaefte, zur Einfuehrung von Beleihungsobergrenzen bei Immobilienkrediten und einer strikteren Trennung von Investmentund Geschaeftsbanking auf europaeischer Ebene umgesetzt werden. Die Finanzierung der Realwirtschaft durch das bewaehrte Universalbankensystem darf durch das Reformvorhaben nicht gefaehrdet werden. Schattenbanken muessen so reguliert werden, dass fuer sie bei gleichem Geschaeft und gleichem Risiko fuer die Stabilitaet des Finanzsystems die gleiche Regulierung gilt wie im klassischen Bankensektor. Alle Geschaeftsbeziehungen zwischen Banken und Schattenbanken muessen transparent gemacht und Ansteckungsrisiken begrenzt werden. Wachstum, Innovation und Wohlstand 63 Die Bundesregierung unterstuetzt die auf europaeischer Ebene vorgesehene strengere Regulierung des Hochfrequenzhandels. Ebenso tritt die Bundesregierung fuer eine Eindaemmung der Rohstoffund Nahrungsmittelspekulation ein und befuerwortet deshalb insbesondere die Einfuehrung von Positionslimits auf den Rohstoffmaerkten. Die europaeischen Vorschriften zur Regulierung des Derivatehandels sollen zielgerichtet ergaenzt werden, um den transparenten Handel auf geregelten Boersen und Handelsplaetzen zu staerken und der Entstehung systemischer Risiken entgegen zu wirken. Rating-Agenturen haben eine zentrale Machtstellung auf den Finanzmaerkten und beduerfen deshalb einer strengen Regulierung. Die Bundesregierung wird sich fuer eine effektive Anwendung der zivilrechtlichen Haftungsregelungen fuer Rating-Agenturen einsetzen und die Wettbewerbsfaehigkeit europaeischer Rating-Agenturen foerdern. Wir wollen die Rechtsnormen reduzieren, die eine Einschaltung der drei grossen RatingAgenturen vorschreiben. Wir wollen auch die Bedeutung externer Ratings reduzieren. Das bisherige Strafund Ordnungswidrigkeitenrecht hat noch keine hinreichende Wirkung im Finanzmarktbereich gezeigt. In Zukunft muss noch staerker gelten: Gemeinschaedliches Handeln von Unternehmen und Managern muss angemessen sanktioniert werden. Wir unterstuetzen die Aufnahme strenger Vorschriften in den massgeblichen europaeischen Rechtsakten, welche insbesondere den Rahmen fuer Geldsanktionen auf ein angemessenes Niveau anheben und die Verhaengung spuerbarer Sanktionen gegen Unternehmen vorsehen, die gegen regulatorische Vorgaben verstossen, und werden fuer deren Umsetzung ins deutsche Recht Sorge tragen. Wir werden den Kampf gegen Finanzbetrug, Geldwaesche und Steuerhinterziehung sowie gegen die Terrorismusfinanzierung ebenso intensivieren wie die Zusammenarbeit mit allen zustaendigen Aufsichtsund Ermittlungsbehoerden. Massstab bei den Massnahmen gegen die Geldwaesche und damit der Bekaempfung der organisierten Kriminalitaet in Deutschland werden dabei die internationalen Standards der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) sein. Wir werden auch den Geldwaeschetatbestand (§ 261 StGB) entsprechend anpassen. Wir wollen Loesungsvorschlaege zum Umgang mit den Folgen eines lang anhaltenden Niedrigzinsumfeldes erarbeiten und generationengerecht im Interesse der Versichertengemeinschaft geeignete Massnahmen zur Staerkung der Risikotragfaehigkeit und Stabilitaet der Lebensversicherungen treffen. Die nationale Finanzmarktaufsicht in ihrer bisherigen Struktur aus BaFin und Deutscher Bundesbank hat sich bewaehrt und ist ein unverzichtbarer Bestandteil im Konzept der neuen europaeischen Aufsichtsstruktur. Die BaFin erhaelt die Moeglichkeit, entsprechend den europaeischen Regeln den Vertrieb komplexer und intransparenter Finanzprodukte zu beschraenken oder zu verbieten, sofern diese die Finanzmarktstabilitaet gefaehrden oder unverhaeltnismaessige Risiken fuer Anleger bergen. Sie erhaelt den kollektiven Schutz der Verbraucher als wichtiges Ziel ihrer Aufsichtstaetigkeit. Wachstum, Innovation und Wohlstand 64 Wir unterstuetzen die europaeischen Initiativen zum Girokonto fuer jedermann. Wir werden bei der nationalen Umsetzung sicherstellen, dass alle Institutsgruppen in angemessener Weise beteiligt sind. Die Inanspruchnahme des Dispositionskredits soll nicht zu einer uebermaessigen Belastung eines Bankkunden fuehren. Daher sollen die Banken verpflichtet werden, beim uebertritt in den Dispositionskredit einen Warnhinweis zu geben; bei dauerhafter und erheblicher Inanspruchnahme sollen sie dem Kunden eine Beratung ueber moegliche kostenguenstigere Alternativen zum Dispositionskredit anbieten muessen. Wir werden die Einfuehrung der Honorarberatung als Alternative zu einer Beratung auf Provisionsbasis fuer alle Finanzprodukte vorantreiben und hohe Anforderungen an die Qualitaet der Beratung festlegen. Die Berufsbezeichnungen und Ausbildungsstandards der Berater auf Honorarbasis werden weiterentwickelt. Das in der finanziellen Anlageberatung verwendete Beratungsprotokoll werden wir im Hinblick auf die praktikable Handhabung ueberpruefen und mit Verbesserungen fuer Anleger weiterentwickeln. Wir wollen eine Finanztransaktionssteuer mit breiter Bemessungsgrundlage und niedrigem Steuersatz zuegig umsetzen und zwar im Rahmen einer verstaerkten Zusammenarbeit in der EU. Eine solche Besteuerung sollte moeglichst alle Finanzinstrumente umfassen, insbesondere Aktien, Anleihen, Investmentanteile, Devisentransaktionen sowie Derivatekontrakte. Durch die Ausgestaltung der Steuer wollen wir Ausweichreaktionen vermeiden. Dabei gilt es, die Auswirkungen der Steuer auf Instrumente der Altersversorgung, auf die Kleinanleger sowie die Realwirtschaft zu bewerten und negative Folgen zu vermeiden sowie zugleich unerwuenschte Formen von Finanzgeschaeften zurueckzudraengen. Dauerhaftes Wachstum braucht langfristig orientierte Investitionen. Deshalb werden wir bei allen Finanzmarktregulierungen auf diese Notwendigkeit achten. Im uebrigen werden wir das Zusammenwirken von Regulierungsmassnahmen gemeinsam mit der BaFin auf Praktikabilitaet und Zielgenauigkeit ueberpruefen. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 65 2. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit Wir wollen Rahmenbedingungen fuer die Wirtschaft schaffen, die ihr auf dem globalen Arbeitsmarkt Wettbewerbsfaehigkeit, Innovationskraft und Beweglichkeit ermoeglichen. Wir wollen Arbeit fuer alle, sicher und gut bezahlt. Mit einer klugen Arbeitsmarktpolitik wollen wir die Weichen fuer mehr Beschaeftigung und fuer eine starke Sozialpartnerschaft von Arbeitgebern und Gewerkschaften stellen. 2.1. Beschaeftigungschancen verbessern Aktive Arbeitsmarktpolitik Eine moderne Wirtschaft im globalen Wettbewerb stellt Beschaeftigte, Unternehmen und soziale Sicherungssysteme vor immer neue Herausforderungen. Damit der wirtschaftliche Erfolg und der soziale Schutz der Menschen fortbestehen, halten wir folgende Strukturanpassungen fuer erforderlich: Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen neue Chancen erschliessen Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefaehig wie selten zuvor. Das eroeffnet Chancen bei der Bekaempfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Deswegen wollen wir hier einen Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik setzen. Personen, die seit vielen Jahren arbeitslos sind, finden bisher selten Zugang zum ersten Arbeitsmarkt. Haeufige Gruende sind persoenliche Vermittlungshemmnisse Deswegen wollen wir Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose verstaerkt in existenzsichernde Arbeit vermitteln, sie passgenau qualifizieren und begleiten sowie bei Bedarf auch nachgehend betreuen und dafuer die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Besonderes Augenmerk richten wir auf die Personengruppe langzeitarbeitsloser Menschen, die nur mit massiver Unterstuetzung Teilhabe und Integration am Arbeitsmarkt finden koennen. Dieses Ziel wollen wir u. a. durch ein ESF-Bundesprogramm fuer Langzeitarbeitslose und die Gewinnung von Arbeitgebern fuer die Gruppe arbeitsmarktferner Personen in den Vordergrund ruecken. Die Steuerung in der Grundsicherung fuer Arbeitsuchende soll verstaerkt auf das Ziel „Vermeidung von Langzeitleistungsbezug“ und die Mittelverteilung staerker auf Wirkungsorientierung ausgerichtet werden. Dabei ist auch der bisherige Problemdruckindikator als Verteilungsmassstab auf den Pruefstand zu stellen. Zur Verstetigung von Foerderleistungen wollen wir die wirksame uebertragbarkeit von Haushaltsmitteln von einem Haushaltsjahr ins Naechste in der Grundsicherung verbessern. uebergang Schule – Ausbildung – Beruf Die beste und effizienteste Vorsorge gegen Ausbildungsabbrueche und lange Zeiten von Arbeitslosigkeit im Lebensverlauf sind passgenaue und tragfaehige uebergaenge von der Schule in Ausbildung und Beruf. Daher wollen wir den erfolgreichen Ausbildungsund Berufseinstieg fuer leistungsschwache Jugendliche erleichtern und gezielt begleiten. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 66 Flaechendeckend einzurichtende Jugendberufsagenturen sollen die Leistungen nach den Sozialgesetzbuechern II, III und VIII fuer unter 25-Jaehrige buendeln. Datenschutzrechtliche Klarstellungen sollen den notwendigen Informationsaustausch erleichtern. Junge Menschen, deren Eltern seit Jahren von Grundsicherung leben, sollen gezielt Unterstuetzung bekommen. Weil kuenftig nur eine ausreichende Qualifizierung nachhaltig vor Arbeitslosigkeit schuetzt und der Fachkraeftebedarf absehbar steigt, wollen wir gezielt in die Nachqualifizierung junger Erwachsener ohne Berufsabschluss investieren. Deswegen werden wir die Initiative „AusBildung wird was Spaetstarter gesucht“ als Programm „2. Chance“ engagiert fortfuehren. Bessere finanzielle Rahmenbedingungen sollen Bereitschaft und Durchhaltevermoegen junger Erwachsender foerdern, auch in spaeteren Jahren noch einen qualifizierten Abschluss zu erreichen. Sonderregelungen in der Kurzarbeit Das Instrument der Kurzarbeit hat in der Krise enorm dazu beigetragen, wertvolle Fachkraefte in den Betrieben zu halten. Wir sind uns einig, in einer mit der Krise in den Jahren 2009/ 2010 vergleichbaren wirtschaftlichen Situation schnell zu handeln und kurzfristig die bewaehrten Sonderregelungen zur Foerderung der Kurzarbeit und damit zur Sicherung von Arbeitsplaetzen durch Gesetz wieder in Kraft zu setzen. Arbeitslosengeld fuer ueberwiegend kurzfristig Beschaeftigte Die Koalition wird sich in der kommenden Legislaturperiode fuer die soziale Absicherung von Kreativen und Kulturschaffenden einsetzen und fuer weitere Verbesserungen sorgen. Insbesondere wird die Koalition nach Ablauf der aktuellen Regelung zum Arbeitslosengeld I-Bezug fuer ueberwiegend kurzbefristet Beschaeftigte, die auch fuer viele Kulturschaffende von hoher Bedeutung ist, Ende 2014 eine Anschlussregelung einfuehren, die den Besonderheiten von Erwerbsbiographien in der Kultur hinreichend Rechnung traegt. Unter anderem soll es fuer sie eine von zwei auf drei Jahre verlaengerte Rahmenfrist geben, innerhalb derer die Anwartschaftszeit fuer den Bezug von Arbeitslosengeld I erfuellt werden muss. Rechtsvereinfachung in der Grundsicherung fuer Arbeitsuchende Wer Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung hat, soll schneller und einfacher als bisher zu seinem Recht kommen. Die Verwaltungen vor Ort sollen so effizient und ressourcenschonend wie moeglich arbeiten koennen. Deswegen wollen wir das Leistungsund Verfahrensrecht der Grundsicherung fuer Arbeitsuchende vereinfachen und effektiver ausgestalten. Hierzu sollen insbesondere die Ergebnisse der 2013 gegruendeten Bund-Laender-Arbeitsgruppe zur Rechtsvereinfachung im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) intensiv geprueft und gegebenenfalls gesetzgeberisch umgesetzt werden. Arbeitsfoerderung verbessern Wir wollen die Arbeitsfoerderung staerker an den Beduerfnissen der Frauen und ihren haeufig unterbrochenen Erwerbsbiografien ausrichten. Deshalb werden wir ein Programm zum besseren beruflichen Wiedereinstieg in existenzsichernde Arbeit schaffen. Darueber hinaus werden wir pruefen, wie auch Langzeitarbeitslose, die wegen der Anrechnung von Partnereinkommen bisher keinen Anspruch auf Regelleistungen Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 67 nach dem SGB II und auf aktivierende Leistungen hatten, in die Massnahmen des Eingliederungstitels einbezogen werden koennen. 2.2. GuteArbeit Modernes Arbeitsrecht Wir wollen die Tarifautonomie staerken. Arbeitnehmer-Entsendegesetz erweitern Die tariflich vereinbarten Branchenmindestloehne nach dem ArbeitnehmerEntsendegesetz haben sich bewaehrt. Deshalb werden wir den Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ueber die bereits dort genannten Branchen hinaus fuer alle Branchen oeffnen. Allgemeinverbindlicherklaerungen nach dem Tarifvertragsgesetz anpassen und erleichtern Das wichtige Instrument der Allgemeinverbindlichkeitserklaerung (AVE) nach dem Tarifvertragsgesetz bedarf einer zeitgemaessen Anpassung an die heutigen Gegebenheiten. In Zukunft soll es fuer eine AVE nicht mehr erforderlich sein, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschaeftigen. Ausreichend ist das Vorliegen eines besonderen oeffentlichen Interesses. Das ist insbesondere dann gegeben, wenn alternativ:   die Funktionsfaehigkeit von Gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (Sozialkassen) gesichert werden soll,   die AVE die Effektivitaet der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklungen sichert, oder   die Tarifvertragsparteien eine Tarifbindung von mindestens 50 Prozent glaubhaft darlegen. Wir wollen, dass die den Antrag auf AVE stellenden Tarifvertragsparteien an den Beratungen und Entscheidungen des Tarifausschusses beteiligt werden koennen und werden pruefen, wie dies umgesetzt werden kann. Um sich widersprechender Entscheidungen von Gerichten unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten zu vermeiden, wird die Zustaendigkeit fuer die ueberpruefung von AVE nach dem Tarifvertragsgesetz und von Rechtsverordnungen nach dem AEntG und AueG bei der Arbeitsgerichtsbarkeit konzentriert. Allgemeine gesetzliche Mindestlohnregelung Gute Arbeit muss sich einerseits lohnen und existenzsichernd sein. Anderseits muessen Produktivitaet und Lohnhoehe korrespondieren, damit sozialversicherungspflichtige Beschaeftigung erhalten bleibt. Diese Balance stellen traditionell die Sozialpartner ueber ausgehandelte Tarifvertraege her. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 68 Sinkende Tarifbindung hat jedoch zunehmend zu weissen Flecken in der Tariflandschaft gefuehrt. Durch die Einfuehrung eines allgemein verbindlichen Mindestlohns soll ein angemessener Mindestschutz fuer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichergestellt werden. Zum 1. Januar 2015 wird ein flaechendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde fuer das ganze Bundesgebiet gesetzlich eingefuehrt. Von dieser Regelung unberuehrt bleiben nur Mindestloehne nach dem AEntG. Tarifliche Abweichungen sind unter den folgenden Bedingungen moeglich:   Abweichungen fuer maximal zwei Jahre bis 31. Dezember 2016 durch Tarifvertraege repraesentativer Tarifpartner auf Branchenebene   Ab 1. Januar 2017 gilt das bundesweite gesetzliche Mindestlohnniveau uneingeschraenkt.   Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Koalitionsverhandlungen geltende Tarifvertraege, in denen spaetestens bis zum 31. Dezember 2016 das dann geltende Mindestlohnniveau erreicht wird, gelten fort.   Fuer Tarifvertraege, bei denen bis 31. Dezember 2016 das Mindestlohnniveau nicht erreicht wird, gilt ab 1. Januar 2017 das bundesweite gesetzliche Mindestlohnniveau.   Um fortgeltende oder befristete neu abgeschlossene Tarifvertraege, in denen das geltende Mindestlohniveau bis spaetestens zum 1. Januar 2017 erreicht wird, europarechtlich abzusichern, muss die Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz (AentG) bis zum Abschluss der Laufzeit erfolgen. Die Hoehe des allgemein verbindlichen Mindestlohns wird in regelmaessigen Abstaenden – erstmals zum 10. Juni 2017 mit Wirkung zum 1. Januar 2018 – von einer Kommission der Tarifpartner ueberprueft, gegebenenfalls angepasst und anschliessend ueber eine Rechtsverordnung staatlich erstreckt und damit allgemein verbindlich. Die Mitglieder der Kommission werden von den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer benannt (Groesse: 3 zu 3 plus Vorsitz). Wissenschaftlicher Sachverstand (ohne Stimmrecht) wird auf Vorschlag der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (1 plus 1) hinzugezogen. Der Vorsitz ist alternierend, die genaue Regelung wird hierzu im Gesetz getroffen. Wir werden das Gesetz im Dialog mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern aller Branchen, in denen der Mindestlohn wirksam wird, erarbeiten und moegliche Probleme, z. B. bei der Saisonarbeit, bei der Umsetzung beruecksichtigen. Im uebrigen ist klar, dass fuer ehrenamtliche Taetigkeiten, die im Rahmen der Minijobregelung verguetet werden, die Mindestlohnregelung nicht einschlaegig ist, weil sie in aller Regel nicht den Charakter abhaengiger und weisungsgebundener Beschaeftigung haben. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 69 Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen verhindern Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkvertraegen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muessen verhindert werden. Dafuer ist es erforderlich, die Prueftaetigkeit der Kontrollund Pruefinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu konzentrieren, organisatorisch effektiver zu gestalten, zu erleichtern und im ausreichenden Umfang zu personalisieren, die Informationsund Unterrichtungsrechte des Betriebsrats sicherzustellen, zu konkretisieren und verdeckte Arbeitnehmerueberlassung zu sanktionieren. Der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber duerfen auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht besser gestellt sein, als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerueberlassung betreibt. Der gesetzliche Arbeitsschutz fuer Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer muss sichergestellt werden. Zur Erleichterung der Prueftaetigkeit von Behoerden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemaessen und missbraeuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt. Arbeitnehmerueberlassung weiterentwickeln Wir praezisieren im AueG die Massgabe, dass die ueberlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher voruebergehend erfolgt, indem wir eine ueberlassungshoechstdauer von 18 Monaten gesetzlich festlegen. Durch einen Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche oder auf Grund eines solchen Tarifvertrags in einer Betriebsbzw. Dienstvereinbarung koennen unter Beruecksichtigung der berechtigten Interessen der Stammbelegschaften abweichende Loesungen vereinbart werden. Wir entwickeln die statistische Berichterstattung zur Arbeitnehmerueberlassung bedarfsgerecht fort. Die Koalition will die Leiharbeit auf ihre Kernfunktionen hin orientieren. Das AueG wird daher an die aktuelle Entwicklung angepasst und novelliert:   Die Koalitionspartner sind sich darueber einig, dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer kuenftig spaetestens nach 9 Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern gleichgestellt werden.   Kein Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern als Streikbrecher.   Zur Erleichterung der Arbeit der Betriebsraete wird gesetzlich klargestellt, dass Leiharbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten grundsaetzlich zu beruecksichtigen sind, sofern dies der Zielrichtung der jeweiligen Norm nicht widerspricht. 
Tariftreue im Vergaberecht 
Auf Laenderebene bestehen bereits Vergabegesetze, die die Vergabe oeffentlicher Auftraege von der Einhaltung allgemeinverbindlicher Tarifvertraege abhaengig machen. Wir werden eine europarechtskonforme Einfuehrung vergleichbarer Regelungen auch auf Bundesebene pruefen. Im Ergebnis duerfen damit keine buerokratischen Huerden aufgebaut werden. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 70 Tarifeinheit gesetzlich regeln Um den Koalitionsund Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken, wollen wir den Grundsatz der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip unter Einbindung der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesetzlich festschreiben. Durch flankierende Verfahrensregelungen wird verfassungsrechtlich gebotenen Belangen Rechnung getragen. Beschaeftigtendatenschutz gesetzlich regeln Die Verhandlungen zur Europaeischen Datenschutzgrundverordnung verfolgen wir mit dem Ziel, unser nationales Datenschutzniveau auch bei der grenzueberschreitenden Datenverarbeitung zu erhalten und ueber das Europaeische Niveau hinausgehende Standards zu ermoeglichen. Sollte mit einem Abschluss der Verhandlungen ueber die Europaeische Datenschutzgrundverordnung nicht in angemessener Zeit gerechnet werden koennen, wollen wir hiernach eine nationale Regelung zum Beschaeftigtendatenschutz schaffen. Informantenschutz im Arbeitsverhaeltnis Beim Hinweisgeberschutz pruefen wir, ob die internationalen Vorgaben hinreichend umgesetzt sind. Weiterentwicklung des Teilzeitrechts Fuer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich z. B. wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehoerigen zu einer zeitlich befristeten Teilzeitbeschaeftigung entschieden haben, wollen wir sicherstellen, dass sie wieder zur frueheren Arbeitszeit zurueckkehren koennen. Dazu werden wir das Teilzeitrecht weiterentwickeln und einen Anspruch auf befristete Teilzeitarbeit schaffen (Rueckkehrrecht). Fuer bestehende Teilzeitarbeitsverhaeltnisse werden wir die Darlegungslast im Teilzeitund Befristungsgesetz auf den Arbeitgeber uebertragen. Bestehende Nachteile fuer Teilzeitbeschaeftigte wollen wir beseitigen. Ganzheitlicher Arbeitsschutz Der Schutz der Beschaeftigten vor Gefahren am Arbeitsplatz und die Staerkung der Gesundheit bei der Arbeit ist ein wichtiges Gebot sozialer Verantwortung. Ein deutlicher Hinweis auf die Herausforderungen, die eine sich wandelnde Arbeitswelt fuer den deutschen Arbeitsschutz bedeutet, ist die drastische Zunahme psychischer Erkrankungen. Unser Leitbild ist ein ganzheitlicher, physische und psychische Belastungen umfassender Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Die Zusammenarbeit mit der allgemeinen Gesundheitspolitik wird ausgebaut. Betriebliche Gesundheitsfoerderung und Arbeitsschutz werden enger verknuepft. Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) wollen wir staerken und mehr Verbindlichkeit erreichen. Gesundheitszirkel in den Betrieben haben sich in der Praxis als erfolgreicher Ansatz erwiesen. Wir wollen erreichen, dass in Unternehmen in Kooperation mit den gesetzlichen Krankenkassen solche Zirkel vermehrt eingerichtet werden. Wir werden die Entwicklung neuer Praeventionskonzepte und betrieblicher Gestaltungsloesungen bei psychischer Belastung in enger Zusammenarbeit mit den Traegern der Gemeinsamen Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 71 Deutschen Arbeitsschutzstrategie vorantreiben, den Instrumenteneinsatz besser ausrichten, auf eine verbesserte Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken und in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen. Es erfolgt eine wissenschaftliche Standortbestimmung, die gleichzeitig eine fundierte uebersicht ueber psychische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt gibt und Handlungsoptionen fuer notwendige Regelungen aufzeigt. Im Lichte weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse schliessen wir insoweit auch verbindliche Regelungen in der Form einer Verordnung gegen psychische Erkrankungen nicht aus. Der Schutz und die Staerkung der physischen Gesundheit in besonders belastenden Taetigkeiten werden weiter verbessert, die entsprechende Forschung unter Begleitung der Tarifpartner intensiviert und Loesungsvorschlaege zur Vermeidung arbeitsbedingter Verschleisserkrankungen und Fruehverrentungen erarbeitet. 2.3. SozialeSicherheit Fuer soziale Sicherheit im Alter Der demografische Wandel stellt unsere Alterssicherungssysteme vor besondere Herausforderungen. Das hohe Mass an sozialer Sicherheit im Alter, das wir heute in Deutschland haben, wollen wir auch in Zukunft erhalten. Dazu muessen wir die Strukturen und Leistungen kontinuierlich an die Veraenderungen in der Arbeitswelt anpassen. Insbesondere die Finanzierung muss immer wieder neu und in der Lastenverteilung gerecht zwischen den Generationen ausbalanciert werden. Deswegen wollen wir, wie auch im Arbeitsmarkt, in der Rente Anreize setzen, damit moeglichst viele Menschen bei guter Gesundheit moeglichst lange im Erwerbsleben bleiben und ueber ihre Steuern und Sozialbeitraege die finanzielle Basis unserer Alterssicherungssysteme staerken. Gleichzeitig wollen wir genug Raum fuer zusaetzliche Vorsorge und Freiheiten zum selbstbestimmten Gestalten der spaeten Lebensabschnitte lassen. Arbeiten bis 67 gestalten Uns ist bewusst, dass Deutschland zu den Laendern gehoert, die weltweit am schnellsten und am tiefgreifendsten vom demografischen Wandel betroffen sind. Eine rasch alternde Bevoelkerung muss ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen anpassen, wenn sie im globalen Wettbewerb bestehen will. Fuer den vor ueber einem Jahrzehnt angestossenen breiten Reformprozess erfaehrt Deutschland mittlerweile international hohe Anerkennung. Immer mehr Betriebe unternehmen Anstrengungen, um ihre Belegschaften auch im hoeheren Alter beschaeftigen zu koennen. Die Wertschaetzung fuer die Leistungsfaehigkeit aelterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist in Wirtschaft und Gesellschaft spuerbar gestiegen. Die Erwerbstaetigenund die Beschaeftigungsquote der ueber 50-Jaehrigen steigt seit einem Jahrzehnt kontinuierlich an. Deutschland ist bei der Beschaeftigung aelterer mittlerweile Vizeeuropameister hinter Schweden. Diese Erfolgsgeschichte der steigenden Beteiligung aelterer am Erwerbsleben wollen wir fortschreiben. Unser Ziel ist eine moderne und wettbewerbsfaehige Gesellschaft des langen Lebens und Arbeitens. Seit Beginn des Jahres 2012 koennen langjaehrig Beschaeftigte nach 45 Beitragsjahren mit Erreichen des 65. Lebensjahres ohne die sonst faelligen Abschlaege in Rente ge- Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 72 hen. Es hat sich in der Arbeitswelt viel zu Gunsten aelterer verbessert, aber wir sind noch nicht am Ziel. Deshalb werden wir die bereits vorhandene Vertrauensschutzregelung zur Anhebung der Regelaltersgrenze erweitern: Langjaehrig Versicherte, die durch 45 Beitragsjahre (einschliesslich Zeiten der Arbeitslosigkeit) ihren Beitrag zur Stabilisierung der Rentenversicherung erbracht haben, koennen ab dem 1. Juli 2014 mit dem vollendeten 63. Lebensjahr abschlagsfrei in Rente gehen. Das Zugangsalter, mit dem der abschlagsfreie Rentenzugang moeglich ist, wird schrittweise parallel zur Anhebung des allgemeinen Renteneintrittsalters auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben. aeltere Beschaeftigte sind unverzichtbar im Arbeitsleben. Nicht zuletzt aufgrund des zunehmenden Fachkraeftemangels werden ihre Erfahrung und ihr Potenzial kuenftig zunehmend gefragt sein. ueber Steuern, Beitraege und zusaetzlich erworbene eigene Rentenansprueche tragen sie wesentlich dazu bei, dass unsere Sozialsysteme im demografischen Wandel leistungsfaehig bleiben. Deswegen wollen wir lebenslaufbezogenes Arbeiten unterstuetzen. Wir werden den rechtlichen Rahmen fuer flexiblere uebergaenge vom Erwerbsleben in den Ruhestand verbessern. Erwerbsgeminderte besser absichern Wer nichts mehr an seiner Erwerbssituation aendern kann, ist in besonderem Masse auf die Solidaritaet der Versichertengemeinschaft angewiesen. Deswegen wollen wir Rentenansprueche von Erwerbsgeminderten spuerbar verbessern. Ziel ist es, diejenigen besser abzusichern, die auf diese Leistung angewiesen sind, ohne damit neue Fehlanreize fuer nicht zwingend notwendige Fruehverrentungen zu schaffen. Wir werden die Zurechnungszeit bei der Erwerbsminderungsrente zum 1. Juli 2014 um zwei Jahre anheben (von 60 auf 62). Fuer die letzten vier Jahre vor der Erwerbsminderungsrente erfolgt eine Guenstigerpruefung. Reha-Budget demografiefest ausgestalten Durch ein besseres praeventives betriebliches Gesundheitsmanagement wollen wir erreichen, dass aeltere Menschen gesund und leistungsfaehig ihren Beruf ausueben. Menschen mit akuten Krankheiten muessen eine schnelle, wirkungsvolle Behandlung erhalten, um chronische Beschwerden moeglichst zu vermeiden. Das Reha-Budget wird bedarfsgerecht unter Beruecksichtigung des demografischen Wandels angepasst, damit die gesetzliche Rentenversicherung auch in Zukunft die notwendigen Rehabilitationsund Praeventionsleistungen an ihre Versicherten erbringen kann. Private und betriebliche Altersvorsorge staerken Die Alterssicherung steht im demografischen Wandel stabiler, wenn sie sich auf mehrere starke Saeulen stuetzt. Deswegen werden wir die betriebliche Altersvorsorge staerken. Sie muss auch fuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kleinund Mittelbetrieben selbstverstaendlich werden. Daher wollen wir die Voraussetzungen schaffen, damit Betriebsrenten auch in kleinen Unternehmen hohe Verbreitung finden. Hierzu werden wir pruefen, inwieweit moegliche Hemmnisse bei den kleinen und mittleren Unternehmen abgebaut werden koennen. Wir werden auch im europaeischen Kontext da- Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 73 rauf achten, dass die guten Rahmenbedingungen fuer die betriebliche Altersvorsorge erhalten bleiben. Lebensleistung in der Rente honorieren Wir wollen, dass sich Lebensleistung und langjaehrige Beitragszahlung in der Sozialversicherung auszahlen. Wir werden daher eine solidarische Lebensleistungsrente einfuehren. Die Einfuehrung wird voraussichtlich bis 2017 erfolgen. Grundsatz dabei ist: Wer langjaehrig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, Beitraege gezahlt hat (40 Jahre) und dennoch im Alter weniger als 30 Rentenentgeltpunkte Alterseinkommen (Einkommenspruefung) erreicht, soll durch eine Aufwertung der erworbenen Rentenentgeltpunkte bessergestellt werden. Dies kommt vor allem Geringverdienern zugute und Menschen, die Angehoerige gepflegt oder Kinder erzogen haben. Durch eine uebergangsregelung bis 2023 (in dieser Zeit reichen 35 Beitragsjahre) stellen wir sicher, dass insbesondere die Erwerbsbiografien der Menschen in den neuen Laendern beruecksichtigt werden. In allen Faellen werden bis zu fuenf Jahre Arbeitslosigkeit wie Beitragsjahre behandelt. Danach soll zusaetzliche Altersvorsorge als Zugangsvoraussetzung erforderlich sein. In einer zweiten Stufe sollen jene Menschen, die trotz dieser Aufwertung nicht auf eine Rente von 30 Entgeltpunkten kommen, jedoch beduerftig sind (Beduerftigkeitspruefung), einen weiteren Zuschlag bis zu einer Gesamtsumme von 30 Entgeltpunkten erhalten. Die Finanzierung erfolgt aus Steuermitteln, u. a. dadurch, dass Minderausgaben in der Grundsicherung im Alter als Steuerzuschuss der Rentenversicherung zufliessen, und durch die Abschmelzung des Wanderungsausgleichs. Kindererziehung besser anerkennen (Muetterrente) Die Erziehung von Kindern ist Grundvoraussetzung fuer den Generationenvertrag der Rentenversicherung. Waehrend Kindererziehungszeiten ab 1992 rentenrechtlich umfassend anerkannt sind, ist dies fuer fruehere Jahrgaenge nicht in diesem Umfang erfolgt. Diese Gerechtigkeitsluecke werden wir schliessen. Wir werden daher ab 1. Juli 2014 fuer alle Muetter oder Vaeter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, die Erziehungsleistung mit einem zusaetzlichen Entgeltpunkt in der Alterssicherung beruecksichtigen. Die Erziehungsleistung dieser Menschen wird damit in der Rente besser als bisher anerkannt. Minijobs Wir werden dafuer sorgen, dass geringfuegig Beschaeftigte besser ueber ihre Rechte informiert werden. Zudem wollen wir die uebergaenge aus geringfuegiger in regulaere sozialversicherungspflichtige Beschaeftigung erleichtern. Eigenstaendige Alterssicherungssysteme erhalten Die Bundesregierung steht auch weiterhin zur Alterssicherung der Landwirte, zur Kuenstlersozialversicherung sowie zu der berufsstaendischen Versorgung der verkammerten freien Berufe; diese bleiben als eigenstaendige Alterssicherungssysteme erhalten. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 74 Angleichungsprozess Ost-West fortsetzen Der Fahrplan zur vollstaendigen Angleichung, gegebenenfalls mit einem Zwischenschritt, wird in einem Rentenueberleitungsabschlussgesetz festgeschrieben: Zum Ende des Solidarpaktes, also 30 Jahre nach Herstellung der Einheit Deutschlands, wenn die Lohnund Gehaltsangleichung weiter fortgeschritten sein wird, erfolgt in einem letzten Schritt die vollstaendige Angleichung der Rentenwerte. Zum 1. Juli 2016 wird geprueft, wie weit sich der Angleichungsprozess bereits vollzogen hat und auf dieser Grundlage entschieden, ob mit Wirkung ab 2017 eine Teilangleichung notwendig ist. Selbstverwaltung und Entschaedigung Selbstverwaltung staerken Die soziale Selbstverwaltung ist Ausdruck der Verantwortung, die die Sozialpartner in Deutschland fuer die Gestaltung der Sozialversicherung uebernehmen. Wir wollen die Selbstverwaltung staerken und die Sozialwahlen modernisieren. Dazu wollen wir kuenftig Online-Wahlen ermoeglichen, um die Wahlbeteiligung zu erhoehen. Dort, wo es moeglich und sinnvoll ist, insbesondere im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungen, sollen die Auswahlmoeglichkeiten durch mehr Direktwahlen verbessert werden. Durch geeignete Massnahmen wollen wir erreichen, dass das repraesentative Verhaeltnis von Frauen und Maennern in der Selbstverwaltung optimiert wird. Schliesslich sollen die Arbeit der Selbstverwaltung transparenter gestaltet, die Moeglichkeit der Weiterbildung verbessert und die Regelungen fuer die Freistellung praezisiert werden. Modernes Entschaedigungsrecht Wir wollen das Recht der Sozialen Entschaedigung und der Opferentschaedigung in einem zeitgemaessen Regelwerk zukunftsfest neu ordnen. Hierbei wollen wir veraenderten gesellschaftlichen Entwicklungen und Erkenntnissen auch im Bereich psychischer Gewalt Rechnung tragen. Opfer von Gewalttaten sollen schnellen und unbuerokratischen Zugang zu Sofortmassnahmen (z. B. Traumaambulanzen) erhalten und professionell begleitet werden. Ein transparenter und spezifischer Leistungskatalog soll zu einer verbesserten Teilhabe beitragen. Mit der Gesetzesreform gehen keine Leistungsverschlechterungen einher. Ghetto-Rente Wir sind uns der historischen Verantwortung fuer die ueberlebenden des Holocaust, die in der NS-Zeit unsaegliches Leid erlebt haben, bewusst. Wir wollen daher, dass den berechtigten Interessen der Holocaust-ueberlebenden nach einer angemessenen Entschaedigung fuer die in einem Ghetto geleistete Arbeit Rechnung getragen wird. Schnittstellen zwischen den Sozialgesetzbuechern Die Schnittstellen der verschiedenen Sozialgesetzbuecher zueinander sowie diejenigen zum Bundesausbildungsfoerderungsgesetz wollen wir systematisch aufarbeiten Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 75 und besser miteinander verzahnen. Sicherungsund Foerderluecken sollen vermieden werden. 2.4. Gesundheit und Pflege Ambulante Gesundheitsversorgung Im Zentrum unserer Gesundheitspolitik stehen die Patientinnen und Patienten und die Qualitaet ihrer medizinischen Versorgung. Die Freiberuflichkeit der niedergelassenen aerztinnen und aerzte, Zahnaerztinnen und Zahnaerzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist unverzichtbares Element fuer die flaechendeckende ambulante Versorgung. Sie ist ein Garant fuer die Diagnoseund Therapiefreiheit und fuer die freie Arztwahl. Zur Sicherstellung der flaechendeckenden Versorgung wollen wir die Anreize zur Niederlassung in unterversorgten Gebieten weiter verbessern. Darum werden wir unnoetige buerokratische Anforderungen abbauen und die Rahmenbedingungen fuer Zulassungen fuer aerztinnen und aerzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten flexibilisieren. Die Moeglichkeit zur Zulassung von Krankenhaeusern zur ambulanten Versorgung in unterversorgten Gebieten wird verbessert. Dazu wird bei der Ermaechtigung in § 116 a SGB V das Wort „kann“ durch „muss“ ersetzt und eine jaehrliche verbindliche ueberpruefung eingefuehrt. Die Foerderung von Praxisnetzen wollen wir verbindlich machen und ausbauen. Die gesetzlichen Vorgaben zum Abbau von ueberversorgung durch den Aufkauf von Arztsitzen werden von einer „Kann“ in eine „Soll“Regelung ueberfuehrt. Wir wollen in der psychotherapeutischen Versorgung Wartezeiten reduzieren und mehr Betroffenen ein zeitnahes Angebot fuer eine Kurzzeittherapie eroeffnen. Hierzu werden wir das Antragsund Gutachterverfahren entbuerokratisieren, die Gruppentherapie foerdern und den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragen, in einer gesetzlich definierten Frist die Psychotherapierichtlinie zu ueberarbeiten. Die bestehenden Befugnisbeschraenkungen fuer Psychotherapeuten werden wir ueberpruefen. Fuer gesetzlich Versicherte wollen wir die Wartezeit auf einen Arzttermin deutlich reduzieren. Sie sollen sich zukuenftig bei ueberweisung an einen Facharzt an eine zentrale Terminservicestelle bei der Kassenaerztlichen Vereinigung (KV) wenden koennen. Diese vermittelt innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin. Fuer den Termin soll im Regelfall eine Wartezeit von vier Wochen nicht ueberschritten werden. Gelingt dies nicht, wird von der Terminservicestelle ein Termin ausser in medizinisch nicht begruendeten Faellen zur ambulanten Behandlung in einem Krankenhaus angeboten. Die Behandlung erfolgt dann zu Lasten des jeweiligen KV-Budgets. Diese Terminservicestellen koennen in Kooperation mit Krankenkassen betrieben werden. Wir wollen auch in der Zukunft die Rolle des Hausarztes foerdern und die hausaerztliche Versorgung weiter staerken. Die von Fachaerztinnen und Fachaerzten erbrachten hausaerztlichen Leistungen sollen zukuenftig nicht den hausaerztlichen Teil der Gesamtverguetung mindern. Dies gilt umgekehrt fuer von Hausaerztinnen und Hausaerzten erbrachte fachaerztliche Leistungen. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 76 Die Vertreterversammlungen von Kassenaerztlicher Bundesvereinigung und Kassenaerztlichen Vereinigungen werden zu gleichen Teilen aus Hausund Fachaerztinnen und -aerzten gebildet. ueber rein hausaerztliche Belange entscheiden die hausaerztlichen Mitglieder der Vertreterversammlung, ueber rein fachaerztliche Belange die fachaerztlichen Mitglieder der Vertreterversammlung. Fuer angestellte aerztinnen und aerzte in der ambulanten Versorgung werden wir verpflichtend einen beratenden Fachausschuss vorsehen. Kuenftig werden auch arztgruppengleiche Medizinische Versorgungszentren zugelassen. Ausserdem wird es auch Kommunen ermoeglicht, Medizinische Versorgungszentren zu gruenden; davon unberuehrt gilt der Vorrang eines aerztlichen Bewerbers (§ 103 Abs. 4c SGB V). Bei Verguetung und Zulassung duerfen die Medizinischen Versorgungszentren im Rahmen des bestehenden Rechts nicht benachteiligt werden. Wir werden fuer Arzneiund Heilmittel gesetzlich vorgeben, dass die heutigen Wirtschaftlichkeitspruefungen bis Ende 2014 durch regionale Vereinbarungen von Krankenkassen und Kassenaerztlicher Selbstverwaltung ersetzt werden. Unberechtigte Regressforderungen bei Retaxationen gegenueber Heilmittelerbringern wollen wir zudem unterbinden. Leistungsluecken beim uebergang vom stationaeren in den ambulanten Versorgungsbereich wollen wir ueberwinden, indem das Entlassungsmanagement durch eine gesetzliche Koordinationsfunktion der Krankenkassen ergaenzt wird. Die Moeglichkeiten der Krankenhaeuser, bei einer Entlassung Leistungen zu verordnen, werden ausgeweitet. Krankenhaeuser koennen eine pflegerische uebergangsversorgung veranlassen. Wirtschaftlichkeitsvorgaben sind zu beachten, eine vorrangige Beruecksichtigung von Einrichtungen der verordnenden Krankenhaeuser ist auszuschliessen. Fuer Erwachsene mit geistiger Behinderung und schweren Mehrfachbehinderungen werden medizinische Behandlungszentren analog zu den sozialpaediatrischen Zentren zur (zahn-) medizinischen Behandlung (neuer § 119c SGB V) geschaffen. Der Einsatz von qualifizierten nicht-aerztlichen Gesundheitsberufen, die delegierte aerztliche Leistungen erbringen, soll flaechendeckend ermoeglicht und leistungsgerecht verguetet werden. Modellvorhaben zur Erprobung neuer Formen der Substitution aerztlicher Leistung sollen aufgelegt und evaluiert werden. Je nach Ergebnis werden sie in die Regelversorgung ueberfuehrt. Die Krankenkassen muessen Freiraeume erhalten, um im Wettbewerb gute Vertraege gestalten und regionalen Besonderheiten gerecht werden zu koennen. Fuer die verschiedenen Moeglichkeiten zur Vereinbarung von integrierten und selektiven Versorgungsformen (§§ 63 bis 65, 73a, 73b, 73c, 140a ff. SGB V) werden die rechtlichen Rahmenbedingungen angeglichen und bestehende Hemmnisse bei der Umsetzung beseitigt. Gleichartig geregelt werden insbesondere die Evaluation integrierter und selektiver Versorgungsformen durch eine Vereinbarung der Vertragspartner sowie der Nachweis der Wirtschaftlichkeit gegenueber der zustaendigen Aufsichtsbehoerde nach jeweils vier Jahren. Wir werden Regelungen zur Mindestdauer und zur Substitution der Regelversorgung aufheben und die Bereinigungsverfahren vereinfachen. Versorgungsformen, deren Qualitaet und Wirtschaftlichkeit erwiesen ist, sollten in geeigneter Weise in die Regelversorgung ueberfuehrt werden. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 77 Die Krankenkassen bleiben gesetzlich verpflichtet, hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die hausarztzentrierte Versorgung wird weiterentwickelt und um geeignete Instrumente zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und zur Qualitaetssicherung ergaenzt. Die bestehenden Verguetungsbeschraenkungen werden aufgehoben. Die strukturierten Behandlungsprogramme muessen, soweit sie die Hausaerzte betreffen, Bestandteil der Vertraege zur hausarztzentrierten Versorgung sein. Darueber hinaus soll die fachaerztliche Versorgung gestaerkt werden. Wir werden pruefen, ob sich die Unterschiede in der aerztlichen Verguetung durch Besonderheiten in der Versorgungsund Kostenstruktur begruenden lassen und wie unbegruendete Unterschiede aufgehoben werden koennen. Die strukturierten Behandlungsprogramme fuer chronisch Kranke werden weiterentwickelt; neue Programme sollen entwickelt werden fuer die Behandlung von Rueckenleiden und Depressionen. Die sektoruebergreifende Qualitaetssicherung mit Routinedaten wird ausgebaut. Wir werden gesetzlich ein Institut begruenden, das dauerhaft und unabhaengig die Qualitaet der ambulanten und stationaeren Versorgung ermittelt und dem Gemeinsamen Bundesausschuss Entscheidungsgrundlagen liefert. Die gesetzlichen Krankenkassen werden verpflichtet, dem Institut geeignete pseudonymisierte Routinedaten zur Verfuegung zu stellen. Die Verfuegbarkeit der Routinedaten aus der Gesetzlichen Krankenversicherung fuer die Versorgungsforschung und fuer das Versorgungsmanagement der Krankenkassen wollen wir erhoehen. Die Morbiditaet soll kuenftig zudem nicht nur mit Leistungsdaten bestimmt werden, mittelfristig sollen auch epidemiologische Daten herangezogen werden. Zur Verbesserung der Datenlage fuer die Versorgungsforschung werden zukuenftig Regionalkennzeichen der patientenbezogenen Ausgaben erhoben. Elektronische Kommunikationsund Informationstechnologien koennen die Leistungsfaehigkeit in unserem Gesundheitswesen weiter verbessern. Dies gilt insbesondere fuer die Versichertenstammdaten, die Notfalldaten, die Kommunikation zwischen allen Leistungserbringern, Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und Daten fuer ein verbessertes Einweisungsund Entlassmanagement. Hindernisse beim Datenaustausch und Schnittstellenprobleme werden beseitigt und der Anbieterwettbewerb zwischen IT-Anbietern befoerdert. Dabei muss ein hoher Datenschutz beachtet werden. Telemedizinische Leistungen sollen gefoerdert und angemessen verguetet werden. Wir werden einen neuen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch schaffen. Zur Foerderung innovativer sektoruebergreifender Versorgungsformen und fuer die Versorgungsforschung wird ein Innovationsfonds geschaffen. Dafuer werden 300 Mio. Euro von den Krankenkassen zur Verfuegung gestellt; dafuer erhalten die Krankenkassen 150 Mio. Euro an zusaetzlichen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Aus dem Innovationsfonds werden fuer Versorgungsleistungen, die ueber die Regelversorgung hinausgehen, Mittel in Hoehe von insgesamt 225 Mio. Euro und fuer Versorgungsforschung Mittel in Hoehe von insgesamt 75 Mio. Euro verwendet. Fuer die Vergabe der Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 78 Mittel legt der Gemeinsame Bundesausschuss Kriterien fest. Die Vergabe erfolgt durch ein jaehrliches Ausschreibungsverfahren, das vom Gemeinsamen Bundesausschuss durchgefuehrt wird. Eine Evaluierung erfolgt nach vier Jahren. Krankenhausversorgung Eine flaechendeckende Krankenhausversorgung gehoert zu den wesentlichen Elementen der Daseinsvorsorge. Das Krankenhaus der Zukunft muss gut, gut erreichbar und sicher sein. Die Menschen muessen sich darauf verlassen koennen, nach dem neuesten medizinischen Stand und in bester Qualitaet behandelt zu werden. In einer Qualitaetsoffensive werden wir die Qualitaet der stationaeren Versorgung verbessern. Qualitaet wird als weiteres Kriterium fuer Entscheidungen der Krankenhausplanung gesetzlich eingefuehrt (§ 1 KHG). In dem neu zu gruendenden Qualitaetsinstitut werden sektorenuebergreifend Routinedaten gesammelt, ausgewertet und einrichtungsbezogen veroeffentlicht. Die Anforderungen der Qualitaetsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) sind zwingend einzuhalten. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen soll zur ueberpruefung der Vorgaben des GBA zur internen und externen Qualitaetssicherung zukuenftig unangemeldet Kontrollen in den Krankenhaeusern durchfuehren. Die Befugnis des GBA zur Festlegung von Mindestmengen wollen wir rechtssicher gestalten. Die Ausnahmebefugnisse der Laender bleiben davon unberuehrt. Die jaehrlich zu erstellenden Qualitaetsberichte der Krankenhaeuser muessen verstaendlicher, transparenter und als Grundlage fuer die Patientenentscheidung praeziser werden. Der GBA wird beauftragt, in seinen Vorgaben die Aussagekraft und Verstaendlichkeit der Qualitaetsberichte der Krankenhaeuser zu verbessern und Aspekte der Patientensicherheit sowie Ergebnisse von Patientenbefragungen zu integrieren. Dazu soll das Qualitaetsinstitut eine online einsehbare Vergleichsliste erstellen und fuehren und die Vielzahl von Zertifikaten bewerten und einordnen. Die teilweise in Krankenhaeusern bereits genutzten OP-Sicherheits-Checklisten werden allgemeiner Standard der Qualitaetssicherung. Gute Qualitaet muss sich fuer die Krankenhaeuser auch finanziell lohnen. Die Menge soll kuenftig nur da beruecksichtigt werden, wo sie entsteht. Das heute bestehende System der Mehrleistungsabschlaege wollen wir dabei differenzieren: Leistungen mit nachgewiesen hoher Qualitaet koennen von Mehrleistungsabschlaegen ausgenommen werden, fuer besonders gute Qualitaet sind Zuschlaege moeglich. Umgekehrt sollen bei unterdurchschnittlicher Qualitaet fuer einzelne Leistungen auch hoehere Abschlaege moeglich sein. Die Qualitaet soll dabei risikoadjustiert und anhand wesentlicher Indikatoren gemessen werden. Die Degression des Landesbasisfallwertes bei landesweiten Mengensteigerungen wird entsprechend vermindert. Zur weiteren Staerkung der Qualitaet in der Versorgung wird fuer vier vom GBA ausgewaehlte planbare Leistungen den Krankenkassen in den Jahren 2015 bis 2018 die Moeglichkeit gegeben, modellhaft Qualitaetsvertraege mit einzelnen Krankenhaeusern abzuschliessen. Die Kriterien fuer Qualitaetsvertraege werden von den Krankenkassen Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 79 auf Landesebene einheitlich und gemeinsam festgelegt. Die freie Krankenhauswahl bleibt dabei unberuehrt. Danach erfolgt eine Evaluierung. Nicht nur in Ballungsraeumen, sondern auch in laendlichen Regionen muss die wohnortnahe Krankenhausversorgung der Bevoelkerung gewaehrleistet sein. Hierzu wollen wir sicherstellen, dass auch Krankenhaeuser in strukturschwachen Regionen ihren Versorgungsauftrag wahrnehmen koennen. Die Einfuehrung des Systems diagnosebezogener Fallgruppen (DRG-System)als leistungsorientiertes Entgeltsystem war richtig. Kuenftig kann das Institut fuer das Entgeltsystem im Krankenhaus Kalkulationskrankenhaeuser adaequat repraesentativ auswaehlen. Gesunkene Sachkosten sind zeitnah bei der Kalkulation abzubilden. Wir wollen die Laender bei der Weiterentwicklung der Krankenhausplanung von einer standortbasierten hin zu einer erreichbarkeitsorientierten Versorgungsplanung unterstuetzen. Dazu sollen die Moeglichkeiten, Sicherstellungszuschlaege zu vereinbaren, gesetzlich konkretisiert werden. Die Festlegung von Kriterien erfolgt zukuenftig durch den GBA. Werden diese erfuellt, ist nach Zustimmung des Landes ein Sicherstellungszuschlag zu zahlen. Es ist auch zu ueberpruefen, ob fuer Krankenhaeuser die Vorhaltekosten, insbesondere fuer die Notfallversorgung, aktuell ausreichend finanziert werden. Die Menschen muessen sich darauf verlassen koennen, dass nur Operationen durchgefuehrt werden, die auch tatsaechlich medizinisch notwendig sind. Daher haben Patienten zukuenftig regelhaft die Moeglichkeit, eine Zweitmeinung bei einem weiteren Facharzt oder Krankenhaus einzuholen. Dies betrifft vom GBA zu definierende mengenanfaellige planbare Behandlungen. Die aerzte muessen bei Indikationsstellung die Patienten ueber deren Recht zur Einholung einer Zweitmeinung verbindlich aufklaeren. Diese Aufklaerung muss mindestens zehn Tage vor der Operation erfolgen. Die Kosten uebernehmen die Krankenkassen. Eine sichere Behandlung ist letztendlich nur dort moeglich, wo das aerztliche und pflegerische Personal nicht ueber Gebuehr belastet wird. Wir wollen gewaehrleisten, dass auf Ebene der DRG-Kalkulation die Personalkosten, insbesondere die der Pflege, in ausreichender Hoehe und Gewichtung beruecksichtigt werden. Dass die Krankenhaeuser diese Mittel auch tatsaechlich fuer Personalkosten eingesetzt haben, muessen sie in den Budgetverhandlungen in geeigneter Weise unbuerokratisch nachweisen. Krankenhaeuser, in denen neue Medizinprodukte mit hoher Risikoklasse zum Einsatz kommen, sollen verpflichtet werden, sich in der Phase nach der Markteinfuehrung an Nutzenund Sicherheitsstudien des GBA zu beteiligen. Entsprechende Methodenbewertungsverfahren des GBA sollen regelmaessig nach spaetestens zwei Jahren abgeschlossen sein. Register verbessern aufgrund ihrer Langzeitbeobachtungen die Patientensicherheit und Qualitaet. Wir werden als ersten Schritt ein Transplantationsregister und ein Implantateregister aufbauen, die Datenlieferung ist verpflichtend. Dabei werden bereits bestehende Register einbezogen. Zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen werden wir die bereits eingeleiteten Massnahmen evaluieren und erweitern. Informationen zu Krankenhausinfektionen muessen verpflichtender Bestandteil der Qualitaetsberichte werden. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 80 Bestimmte Unterschiede in den Landesbasisfallwerten lassen sich nicht durch Besonderheiten in der Versorgungsund Kostenstruktur oder der unterschiedlichen Umsetzung gesetzlicher Verpflichtungen begruenden. Sie sollen aufgehoben werden. Die Bund-Laender-Arbeitsgruppe erarbeitet auf Basis des hierzu vorzulegenden Gutachtens Eckpunkte. Eine gesetzliche Regelung zur Umsetzung der Eckpunkte soll zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Die Kosten der Krankenhaeuser sollen mit der Fortentwicklung der Krankenhauspreise ueber den Orientierungswert besser beruecksichtigt werden; dieser muss deshalb auch staerker auf die spezifischen Gegebenheiten im Krankenhausbereich abstellen. Gleichzeitig bleibt es Aufgabe der Krankenhaeuser, effizient und wirtschaftlich zu arbeiten. Die ambulante Notfallversorgung konzentriert sich ausserhalb der allgemeinen Praxissprechzeiten auf die Krankenhaeuser. Das macht eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der entsprechenden Verguetung erforderlich. Wir streben dabei eine regelhafte Kooperation der Kassenaerztlichen Vereinigungen und der Krankenhaeuser zur Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung an. In eine solche Kooperation soll der Notdienst der Apotheken einbezogen werden. Der Sicherstellungsauftrag verbleibt bei den Kassenaerztlichen Vereinigungen. Wir werden die besonderen Aufgaben der Universitaetskliniken und der Krankenhaeuser der Maximalversorgung besser im DRG-System vergueten. Fuer Hochkostenfaelle, die nicht durch Fallpauschalen sachgerecht abgebildet werden koennen, hat das Institut fuer das Entgeltsystem im Krankenhaus bis Ende 2014 eine geeignete gesonderte Verguetungsform vorzulegen. Leistungen der Hochschulambulanzen werden kuenftig angemessen verguetet. Qualitaet wird als Kriterium zur Teilnahmeberechtigung an der ambulanten spezialfachaerztlichen Versorgung (§116 b SGB V) gestaerkt. Wie die Qualitaetsnachweise zu fuehren sind, legt der GBA fest. Genutzt werden dazu auch die Qualitaetsdaten des Qualitaetsinstituts. Wir werden zur Vorbereitung der skizzierten Krankenhausreform unter Federfuehrung des Bundesministeriums fuer Gesundheit eine Bund-Laender-Arbeitsgruppe einsetzen, die bis Ende 2014 entsprechende Eckpunkte erarbeiten soll. Ein neues Verguetungssystem in der Psychiatrie und Psychosomatik darf schwerst psychisch Erkrankte nicht benachteiligen, muss die sektorenuebergreifende Behandlung foerdern und die Verweildauer verkuerzen, ohne Drehtuereffekte zu erzeugen. Dazu sind systematische Veraenderungen des Verguetungssystems vorzunehmen. An dem grundsaetzlichen Ziel, mehr Transparenz und Leistungsorientierung und eine bessere Verzahnung ambulanter und stationaerer Leistungen in diesen Bereich zu bringen, halten wir fest. Arzneimittel, Gesundheitsberufe und Praevention Wir stehen fuer eine flaechendeckende, innovative und sichere Arzneimittelversorgung in Deutschland. Der unmittelbare Zugang zu neuen Arzneimitteln fuer alle Versicherten in Deutschland ist ein hohes Gut. Wir wollen einen ressortuebergreifenden Dialog Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 81 unter Beteiligung von Wissenschaft und Arzneimittelherstellern einrichten, um den Standort Deutschland fuer Forschung und Produktion zu staerken. Wir sehen das Zusammenspiel von Nutzenbewertung und anschliessenden Preisverhandlungen grundsaetzlich als lernendes System, das wir bei Bedarf weiterentwickeln werden. In Zukunft soll regelhaft mindestens ein Vertreter einer Mitgliedskasse des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung an den Preisverhandlungen teilnehmen, um den Versorgungsaspekt zu staerken. Wir werden den gesamten Bestandsmarktaufruf (§ 35a Abs. 6 SGB V) beenden. Dies gilt auch fuer laufende Verfahren. Um das hier geplante Einsparvolumen zu erreichen, werden wir das Preismoratorium auf dem Niveau der Preise vom 1. August 2009 nahtlos fortfuehren und den Herstellerrabatt auf verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 130a Abs. 1 SGB V) ab dem Jahr 2014 von sechs auf sieben Prozent erhoehen. Diese Regelung wird ab 2015 jaehrlich daraufhin ueberprueft, ob abhaengig von der finanziellen Lage der gesetzlichen Krankenversicherung eine Anpassung noetig ist. Der Rabatt darf sechs Prozent nicht unterschreiten. Die gesetzlichen Voraussetzungen fuer die fruehe Nutzenbewertung von Arzneimitteln werden so gefasst: Alle Wirkstoffe, die nach dem 1. Januar 2011 in den Markt eingefuehrt worden sind, werden nach Erstzulassung und bei Indikationsausweitung von dem Verfahren der Nutzenbewertung erfasst. Die Phase freier Preisbildung wird nur einmalig, naemlich bei Bewertung der Neuheit eines Wirkstoffes, eingeraeumt. Wir werden gesetzlich klarstellen, dass der vereinbarte Erstattungsbetrag Grundlage fuer die Berechnung der Zuund Abschlaege in den Vertriebsstufen ist. Die Ausweisung eines Listenpreises durch den pharmazeutischen Unternehmer bleibt davon unberuehrt. Beim Abschluss von Rabattvertraegen muessen die Vertragspartner die Versorgungssicherheit gewaehrleisten, indem sie Massnahmen gegen Lieferengpaesse vereinbaren. Dies gilt insbesondere fuer Impfstoffe. Der GBA wird mit der Erarbeitung einer sogenannten Substitutionsliste beauftragt, auf der Medikamente aufgefuehrt sind, die im Rahmen von Rabattvertraegen nicht ausgetauscht werden duerfen. Erfolgt die Festlegung nicht in einer gesetzlich vorgegebenen Frist, wird die Liste im Rahmen einer Ersatzvornahme festgesetzt. Eine qualitativ hochwertige, sichere und wohnortnahe Arzneimittelversorgung erfordert freiberuflich taetige Apothekerinnen und Apotheker in inhabergefuehrten Apotheken. An dem bestehenden Mehrund Fremdbesitzverbot wird festgehalten. Wir werden klarstellen, dass Voraussetzung fuer die Erstverschreibung von Arzneimitteln ein direkter Arzt-Patienten-Kontakt sein muss. Online-Konsultationen reichen dafuer nicht aus, sondern bergen das Risiko von Fehldiagnosen und koennen so den Patientenschutz gefaehrden. Gesundheitsberufe und Medizinstudium Fuer eine zielgerichtetere Auswahl der Studienplatzbewerber, zur Foerderung der Praxisnaehe und zur Staerkung der Allgemeinmedizin im Studium wollen wir in einer Kon- Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 82 ferenz der Gesundheitsund Wissenschaftsminister von Bund und Laendern einen „Masterplan Medizinstudium 2020“ entwickeln. Die Foerderung der Weiterbildung in Allgemeinmedizin wird um 50 Prozent erhoeht und bei Bedarf laenderuebergreifend koordiniert. Zudem stoesst die Vermittlung praxisrelevanten Wissens ausschliesslich in Kliniken an Grenzen. Daher wollen wir die aerztliche Weiterbildung aller grundversorgenden Fachgebiete in ambulanten Einrichtungen foerdern. Wir werden das Psychotherapeutengesetz samt den Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung ueberarbeiten. Die Sicherstellung einer flaechendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist uns wichtig. Wir werden daher die Situation der Geburtshilfe und der Hebammen beobachten und fuer eine angemessene Verguetung sorgen. Praevention und Gesundheitsfoerderung in den Vordergrund stellen Wir werden noch 2014 ein Praeventionsgesetz verabschieden, das insbesondere die Praevention und Gesundheitsfoerderung in Lebenswelten wie Kita, Schule, Betrieb und Pflegeheim und die betriebliche Gesundheitsfoerderung staerkt und alle Sozialversicherungstraeger einbezieht. Die Kooperation und Koordination aller Sozialversicherungstraeger sowie der Laender und Kommunen werden ueber verpflichtende Rahmenvereinbarungen analog der Regelungen zur Foerderung der Zahngesundheit (§ 21 SGB V) und von Schutzimpfungen (§ 20d Abs. 3 SGB V) auf Landesebene verbessert. Dabei sind bundesweit einheitliche Gesundheitsziele und Vorgaben zur Qualitaet und Evaluation zu beruecksichtigen. Laenderpraeventionsansaetze werden einbezogen. Darueber hinaus werden wir die Frueherkennungsuntersuchungen bei Kindern und die aerztlichen Vorsorgeuntersuchungen bei Erwachsenen staerken. Zudem wollen wir die Impfquoten in Deutschland erhoehen. Wir wollen die jeweiligen Besonderheiten beruecksichtigen, die sich aus der Frauenund Maennergesundheitsforschung insbesondere fuer die gesundheitliche Versorgung und die Erarbeitung von medizinischen Behandlungsleitlinien ergeben. Finanzierung und Risikostrukturausgleich Die derzeitige gute Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung darf nicht darueber hinweg taeuschen, dass schon ab 2015 die prognostizierten Ausgaben des Gesundheitsfonds seine Einnahmen uebersteigen werden. Dem wollen wir mit einer umsichtigen Ausgabenpolitik begegnen. Der allgemeine paritaetisch finanzierte Beitragssatz wird bei 14,6 Prozent festgesetzt, der Arbeitgeberanteil damit bei 7,3 Prozent gesetzlich festgeschrieben. Die gesetzlichen Krankenkassen erheben im Wettbewerb den kassenindividuellen Zusatzbeitrag zukuenftig als prozentualen Satz vom beitragspflichtigen Einkommen. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 83 Der heute vom Arbeitnehmer alleine zu tragende Anteil von 0,9 Beitragssatzpunkten fliesst in diesen Zusatzbeitrag ein. Damit die unterschiedliche Einkommensstruktur der Krankenkassen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen fuehrt, ist ein vollstaendiger Einkommensausgleich notwendig. Die Notwendigkeit eines steuerfinanzierten Sozialausgleichs entfaellt damit. Der morbiditaetsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) bildet die finanzielle Ausgangslage fuer einen fairen Wettbewerb zwischen den Kassen. Die im juengsten Gutachten des wissenschaftlichen Beirats des Bundesversicherungsamtes gemachten Vorschlaege zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs zur Annualisierung der Kosten fuer verstorbene Versicherte sowie zum Krankengeld und den Auslandsversicherten wollen wir zeitgleich umsetzen. Pflege Pflege muss fuer alle Menschen, die auf sie angewiesen sind, bezahlbar bleiben. Wir wollen die Pflegebeduerftigkeit besser anerkennen, um die Situation der Pflegebeduerftigen, von Angehoerigen und Menschen, die in der Pflege arbeiten, zu verbessern. Dazu wollen wir den neuen Pflegebeduerftigkeitsbegriff auf der Grundlage der Empfehlungen des Expertenbeirates in dieser Legislaturperiode so schnell wie moeglich einfuehren. Insbesondere Menschen mit Demenzerkrankungen sollen damit bessere und passgenauere Leistungen erhalten. Diejenigen, die heute Leistungen erhalten, werden durch die Einfuehrung nicht schlechter gestellt. Fuer die Akzeptanz eines neuen Pflegebeduerftigkeitsbegriffs ist entscheidend, dass keine neuen Ungerechtigkeiten entstehen. Ausserdem ist zu vermeiden, dass zu Lasten der Versichertengemeinschaft Kosten anderer Traeger auf die Pflegeversicherung verlagert werden. Wir wollen die mit dem neuen Pflegebeduerftigkeitsbegriff einhergehende Begutachtungssystematik auf ihre Umsetzbarkeit und Praktikabilitaet hin erproben und wissenschaftlich auswerten. Auf dieser Grundlage werden anschliessend auch die leistungsrechtlichen Bestimmungen in dieser Legislaturperiode umgesetzt. Die „Allianz fuer Menschen mit Demenz“ soll Betroffene unterstuetzen und das Verstaendnis und die Sensibilitaet fuer Demenzerkrankungen foerdern. Dafuer sollen bereits vorhandene Initiativen auf lokaler Ebene zusammengefuehrt, gebuendelt und gemeinsam weiterentwickelt werden. Pflege im Sozialraum braucht qualifizierte Dienste und Einrichtungen. Die Pflegearbeit der Angehoerigen und Familien, engagierter Buerger und von Ehrenamtlichen soll durch qualifizierte Dienste und Einrichtungen professionell begleitet und ergaenzt werden. Zur Staerkung der ambulanten Pflege werden wir die Leistungen im ambulanten und stationaeren Bereich weiter einander angleichen. Bis zur Umsetzung des neuen Pflegebeduerftigkeitsbegriffs werden wir zuegig vor allem die schon bestehenden Betreuungsleistungen weiter ausbauen und auf alle Pflegebeduerftigen ausdehnen. Bei einem Schluessel von einer Betreuungskraft auf 20 Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 84 Pflegebeduerftige werden so zum Beispiel in stationaeren Einrichtungen insgesamt bis zu 45.000 Betreuungskraefte taetig sein. Weiterhin werden wir die Leistungen der Pflegeversicherung wie die Kurzzeitund Verhinderungspflege, die Tagesund Nachtpflege sowie die unterschiedlichen Betreuungsformen auch durch die Einfuehrung von Budgets besser und flexibler aufeinander abstimmen. Im Sinne einer sozialraeumlichen Pflege, werden wir die Zuschuesse fuer Wohnumfeld verbessernde Massnahmen oder die Anschubfinanzierung fuer ambulant betreute Wohnformen ausbauen. Wir wollen, dass aeltere und pflegebeduerftige Menschen ihren Alltag in der eigenen Wohnung weitgehend selbstbestimmt bewaeltigen koennen. Die Entwicklung von Angeboten altersgerechter Begleitung und technischer Unterstuetzungssysteme wollen wir daher weiter foerdern und sie in den Leistungskatalog der Pflegeversicherung aufnehmen. Zu einer humanen Gesellschaft gehoert das Sterben in Wuerde. Wir wollen die Hospize weiter unterstuetzen und die Versorgung mit Palliativmedizin ausbauen. Wer einen anderen Menschen pflegt, braucht dafuer Zeit und muss die Pflege mit dem Beruf vereinbaren koennen. Wir werden die Moeglichkeiten des Pflegezeitund Familienpflegezeitgesetzes unter einem Dach mit Rechtsanspruch zusammenfuehren und weiterentwickeln, um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf besser zu unterstuetzen. Die zehntaegige Auszeit fuer Angehoerige, die kurzfristig Zeit fuer die Organisation einer neuen Pflegesituation benoetigen, werden wir aufbauend auf der geltenden gesetzlichen Regelung mit einer Lohnersatzleistung analog Kinderkrankengeld koppeln. Die Hilfen zur Weiterfuehrung des Haushalts wollen wir weiter ausbauen. Wir werden pruefen, ob die Anrechnung von Pflegezeiten in der Rentenversicherung verbessert werden kann. In den Entscheidungsgremien des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen sollen kuenftig Vertreter der Pflegebeduerftigen und ihrer Angehoerigen sowie der Pflegeberufe stimmberechtigt vertreten sein. Wir pruefen die Schnittstellen zwischen SGB V und SGB XI im Hinblick auf die konsequente Umsetzung der Grundsaetze ambulant vor stationaer und Praevention vor Rehabilitation vor Pflege. Wir werden die Finanzierungsverantwortung dort verorten, wo der Nutzen entsteht, um Verschiebebahnhoefe zu beseitigen. Deshalb werden wir auch pruefen, ob die Pflegeversicherung sich an den Kosten der geriatrischen Rehabilitation beteiligen soll. Gute Pflege setzt qualifiziertes und motiviertes Personal voraus. Wir setzen uns im Rahmen der rechtlichen Moeglichkeiten fuer Personalmindeststandards im Pflegebereich ein und wollen die Pflegeberufe aufwerten. Dokumentationspflichten und Buerokratie muessen auf das Noetigste begrenzt werden. Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 85 Der Wechsel zwischen den Berufen in der Pflege muss erleichtert werden. Wir wollen die Pflegeausbildung reformieren, indem wir mit einem Pflegeberufegesetz ein einheitliches Berufsbild mit einer gemeinsamen Grundausbildung und einer darauf aufbauenden Spezialisierung fuer die Alten-, Krankenund Kinderkrankenpflege etablieren. Wir wollen die Ausbildungsangebote an staatlichen Berufsfachschulen staerken und die Ausbildung gerecht, einheitlich und gemeinsam finanzieren. Ziel sollte eine transparentes und durchlaessiges Ausund Weiterbildungssystem sein. Wir pruefen ein verbindliches Verfahren zur Refinanzierung der Ausbildungskosten, um die Kostenbeteiligung aller Einrichtungstraeger zu gewaehrleisten. Der dualen Ausbildung mit Ausbildungsbetrieb und Schule wird zukuenftig eine zentrale Bedeutung zukommen. Die Ausbildung muss fuer jeden Auszubildenden kostenfrei sein. Die Finanzbeteiligung der Laender an den Ausbildungskosten der Schulen muss auch weiterhin gewaehrleistet sein. Eine verbindliche und langfristige Regelung zur vollstaendigen Finanzierung der Ausbildungskosten bei Umschulungsmassnahmen durch den Bund und die Laender sollte getroffen werden. Wir wollen die Selbsthilfe-Arbeit, die Angebote der Pflegekassen, Pflegestuetzpunkte und andere vorhandene Unterstuetzungsfaktoren und Angebote der Pflegekassen zur Entlastung von pflegenden Angehoerigen besser buendeln und vernetzen. Wir setzen uns fuer eine Weiterentwicklung des Pflegetelefons zu einem Notruftelefon „Pflege fuer Angehoerige“ ein. Um die Transparenz und Nutzerorientierung im Pflegebereich zu verbessern, muessen Qualitaetssicherungsverfahren wissenschaftlichen Standards genuegen und kontinuierlich auch im Hinblick auf eine Entbuerokratisierung und ein sektorenuebergreifendes Vorgehen weiterentwickelt und verbindlicher gestaltet werden. Die Pflege-Transparenzvereinbarung soll mit dem Ziel weiterentwickelt werden, die Qualitaetsunterschiede der Einrichtungen fuer die Verbraucher in Zukunft deutlicher zu machen. Wir werden hier die Entscheidungsstrukturen der Selbstverwaltungspartner straffen und Blockademoeglichkeiten reduzieren. Wir werden das Verfahren der Veroeffentlichung der Ergebnisse der durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und den Pruefdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. vorgenommenen Qualitaetspruefungen verbessern. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb haben die Kommunen und die Laender nach dem Pflegeversicherungsgesetz schon jetzt einen wichtigen Beitrag zu leisten. Wir werden in einer Bund-Laender-Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesministeriums fuer Gesundheit klaeren, wie die Rolle der Kommunen bei der Pflege noch weiter gestaerkt und ausgebaut werden kann. Insbesondere soll geklaert werden, wie die Steuerungsund Planungskompetenz fuer die regionale Pflegestruktur gestaerkt werden kann. Im Zusammenwirken mit staedteplanerischen Instrumenten sollen Sozialraeume so entwickelt werden, dass pflegebeduerftige Menschen so lange wie moeglich in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben koennen. Ausserdem sollen Kommunen staerker Vollbeschaeftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit 86 in die Strukturen der Pflege verantwortlich eingebunden werden. Hierfuer kommen auf Grund ihres hohen sozialraeumlichen Bezuges aufsuchende und begleitende Pflegeberatung insbesondere in Pflegestuetzpunkten, Pflegekurse fuer Angehoerige und ehrenamtliche Engagierte, die laufende Beratung der Empfaenger von Pflegegeld sowie die Beteiligung bei der Leistungsgewaehrung fuer Infrastruktur foerdernde Massnahmen in Betracht. Der paritaetische Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird spaetestens zum 1. Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte erhoeht. Aus dieser Erhoehung stehen die Einnahmen von 0,2 Prozentpunkten zur Finanzierung der vereinbarten kurzfristigen Leistungsverbesserungen, insbesondere fuer eine bessere Betreuung der Pflegebeduerftigen, sowie der fuer 2015 gesetzlich vorgesehenen Dynamisierung der Leistungen zur Verfuegung. Die Einnahmen aus der weiteren Erhoehung um 0,1 Prozentpunkte werden zum Aufbau eines Pflegevorsorgefonds verwendet, der kuenftige Beitragssteigerungen abmildern soll. Dieser Fonds wird von der Bundesbank verwaltet. In einem zweiten Schritt wird mit der Umsetzung des Pflegebeduerftigkeitsbegriffs der Beitrag um weitere 0,2 Prozentpunkte und damit insgesamt um 0,5 Prozentpunkte in dieser Legislaturperiode angehoben. Solide Finanzen 87 3. SolideFinanzen
Solide Staatsfinanzen – nachhaltig und generationengerecht Deutschland ist ein wirtschaftlich und sozial stabiles Land mit einer soliden finanziellen Basis. Dafuer sind im zurueckliegenden Jahrzehnt wichtige Grundlagen geschaffen worden. Sie sind im Licht der nationalen und internationalen Veraenderungen weiterzuentwickeln, um Wettbewerbsfaehigkeit, Innovationskraft und sozialen Zusammenhalt zu sichern. Wir wollen die Voraussetzungen fuer Investitionen in die Zukunft auf einer weiterhin soliden finanziellen Grundlage schaffen. Eine wichtige Voraussetzung dafuer ist die nachhaltige Konsolidierung des oeffentlichen Gesamthaushalts. Bund, Laender, Kommunen und Sozialkassen muessen finanziell so ausgestattet sein, dass sie die ihnen uebertragenen Aufgaben erfuellen und im Rahmen ihrer Kompetenzen Weichenstellungen fuer die Zukunft unseres Landes stellen koennen. Zugleich muss die Ausgabenseite auf allen Ebenen kontinuierlich kritisch ueberprueft werden. Gesamtstaatliche Verantwortung Bund, Laender, Kommunen und Sozialversicherungen bilden den oeffentlichen Gesamthaushalt. Sie muessen sich gemeinsam den Regelungen und Vereinbarungen zur Finanzund Haushaltspolitik Deutschlands stellen:   Die von der letzten Grossen Koalition verabschiedete Schuldenregel im Grundgesetz ist strikt einzuhalten. Der Bund hat die fuer ihn geltenden Verpflichtungen bereits fruehzeitig erfuellt und darf dahinter nicht zurueckfallen.   Die gesamtstaatlichen Verpflichtungen aus dem Europaeischen Fiskalpakt sind einzuhalten.   Die Stabilitaetskriterien fuer Defizitund Schuldenquote nach dem verschaerften europaeischen Stabilitaetsund Wachstumspakt sind einzuhalten.   Der Stabilitaetsund Wachstumspakt verlangt eine konsequente Rueckfuehrung der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Wir wollen die Quote innerhalb von zehn Jahren von 81 Prozent (Ende 2012) auf weniger als 60 Prozent zurueckfuehren. Bis Ende 2017 streben wir eine Absenkung der Quote auf unter 70 Prozent des BIP an. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, dass Deutschland durch eine solide und nachhaltige Finanzund Haushaltspolitik seiner Rolle in Europa gerecht werden muss. Deutschland ist gefordert, mit einer stabilitaetsund wachstumsorientierten Haushaltsund Finanzpolitik auf allen staatlichen Ebenen einen Beitrag fuer die Stabilitaet der Euro-Zone zu leisten. Beitrag des Bundes zur gesamtstaatlichen Verantwortung Im Jahr 2012 hat der Bundeshaushalt mit einer strukturellen Neuverschuldung von weniger als 0,35 Prozent des BIP abgeschlossen. Hierbei wollen wir nicht stehen bleiben. Wir wollen nachhaltig ausgeglichene Haushalte. Wir werden Einnahmen und Ausgaben des Bundes so gestalten, dass der Bund ab dem Jahr 2014 einen struktu- Solide Finanzen 88 rell ausgeglichenen Haushalt und beginnend mit dem Jahr 2015 einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung aufstellt. Politische Zielsetzungen haben sich an qualitativen und nicht an quantitativen Anforderungen zu orientieren. Zur Effizienzsteigerung der Ausgaben sind angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen fuer alle finanzwirksamen Massnahmen durchzufuehren und Ausgaben auf ihre Notwendigkeit zu ueberpruefen. Das Top-Down-Verfahren bei der Haushaltsaufstellung hat sich bewaehrt. Es wird um eine eingehende einnahmeund ausgabeseitige Haushaltsanalyse im Vorfeld des Eckwertebeschlusses zu einzelnen jeweils vorher ausgewaehlten Politikbereichen ergaenzt. Damit wird das regierungsinterne Aufstellungsverfahren staerker inhaltlich ausgerichtet und die Wirkungsorientierung des Haushalts verbessert. Folgende wichtige haushaltspolitische Grundsaetze werden uns leiten:   ueber die Legislaturperiode gerechnet soll das Wachstum der Ausgaben das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts moeglichst nicht uebersteigen.   Finanzwirksame Vorhaben und Belastungen auf der Einnahmenund auf der Ausgabenseite muessen in ihren Wirkungen umfassend ausgewiesen werden.   Die in diesem Koalitionsvertrag unter „Prioritaere Massnahmen“ genannten Vorhaben werden wir auf jeden Fall umsetzen. Alle Massnahmen von bis zu 10 Mio. Euro, die in diesem Koalitionsvertrag vereinbart werden, sind von den jeweiligen Ressorts eigenverantwortlich im Rahmen ihrer jeweiligen Einzeletats zu finanzieren. Im uebrigen gilt der Grundsatz einer unmittelbaren, vollstaendigen und dauerhaften Gegenfinanzierung im gleichen Politikbereich.   Wir werden alle Subventionen – neue und alte – gemaess den subventionspolitischen Leitlinien einer stetigen ueberpruefung unterziehen.   Wir wollen die Investitionsorientierung des Bundeshaushalts staerken. Prioritaere Massnahmen 
Die Koalition aus CDU, CSU und SPD setzt folgende finanziellen Prioritaeten fuer die laufende Legislaturperiode, die nicht unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen:   Die Gemeinden, Staedte und Landkreise in Deutschland sollen weiter finanziell entlastet werden. Im Jahr 2014 erfolgt ohnehin die letzte Stufe der uebernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund und damit eine Entlastung der Kommunen in Hoehe von 1,1 Milliarden Euro. Darueber hinaus sollen die Kommunen im Rahmen der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes im Umfang von fuenf Milliarden jaehrlich von der Eingliederungshilfe entlastet werden. Bereits vor der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes beginnen wir mit einer jaehrlichen Entlastung der Kommunen in Hoehe von einer Milliarde Euro pro Jahr.   Die Laender und Gemeinden stehen vor grossen Herausforderungen bei der Finanzierung von Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen. Damit sie diese Aufgaben besser bewaeltigen koennen, werden die Laender in der laufenden Legislaturperiode in Hoehe von sechs Milliarden Euro entlastet. Sollten die veranschlag Solide Finanzen 89 ten Mittel fuer die Kinderbetreuung fuer den Aufwuchs nicht ausreichen, werden sie entsprechend des erkennbaren Bedarfs aufgestockt.   Fuer die dringend notwendigen Investitionen in die oeffentliche Verkehrsinfrastruktur werden insgesamt fuenf Milliarden Euro zusaetzlich mobilisiert.   Fuer die Staedtebaufoerderung stellen wir insgesamt 600 Millionen Euro zusaetzlich zur Verfuegung, um auf 700 Millionen Euro pro Jahr zu kommen.   Wir wollen Deutschland weiter auf einem Finanzierungspfad zum „0,7-ProzentZiel“ der Mittel der Entwicklungszusammenarbeit am BIP (ODA-Quote) fuehren und stellen deshalb in der Legislaturperiode zwei Milliarden Euro bereit.   Der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung erhoeht sich gegenueber den Planungen um zwei Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode.   Der Mitteleinsatz fuer die Eingliederung Arbeitssuchender wird um 1,4 Milliarden Euro angehoben.   Der Bund finanziert ausseruniversitaere Forschungseinrichtungen, den Hochschulpakt, den Pakt fuer Forschung und Innovation und die Exzellenzinitiative weiter. Den Aufwuchs fuer die ausseruniversitaere Forschung finanziert der Bund in Zukunft allein. Dazu stehen drei Milliarden Euro zur Verfuegung.   Darueber hinaus vereinbart die Koalition, dass in dieser Legislaturperiode zusaetzlich entstehende finanzielle Spielraeume des Bundes zu einem Drittel fuer die Entlastung der Laenderhaushalte eingesetzt werden. 
Verlaessliche Steuerpolitik 
Unser Gemeinwesen ist auf verlaessliche Steuereinnahmen angewiesen. Der dafuer erforderliche gesellschaftliche Konsens beruht auf einem gerechten Steuerrecht, das die Besteuerung nach der Leistungsfaehigkeit in den Mittelpunkt stellt und zugleich gewaehrleistet, dass sich niemand auf Kosten der Allgemeinheit seiner Steuerpflicht entziehen kann. Das Steuerrecht muss in seiner konkreten Ausgestaltung den Anforderungen und Auspraegungen unserer modernen Gesellschaft in einer globalisierten Welt gerecht werden. Es muss guenstige Rahmenbedingungen fuer Innovationen und Investitionen der Unternehmen in Deutschland bieten, um Arbeitsplaetze und Wohlstand zu erhalten und weiter auszubauen. Steuerrecht ist kein statisches Recht. Wenn gesellschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen es erfordern, muss das Steuerrecht angemessen fortentwickelt werden, damit es seine Ziele auch kuenftig erreicht. Deutschland hat derzeit insgesamt ein zeitgemaesses und wettbewerbsfaehiges Steuerrecht. Wir wollen das Steuerrecht in einer sich veraendernden Welt kontinuierlich fortentwickeln, zugleich aber eine hohe Planungssicherheit fuer die Steuerzahler wie fuer die oeffentliche Hand erreichen. 
Steuervereinfachung und Steuervollzug 
Steuervereinfachung ist eine Daueraufgabe. Es ist ein wichtiges politisches Ziel, hier Schritt fuer Schritt voranzukommen und dabei insbesondere auch die technischen Moeglichkeiten der modernen Datenverarbeitung zu nutzen. Von diesem dauerhaften Prozess profitieren alle an der Besteuerung beteiligten Gruppen: die Steuerzahler, die Verwaltung und die steuerberatenden Berufe. Solide Finanzen 90 Wir werden eine vorausgefuellte Steuererklaerung fuer alle Steuerpflichtigen bis zum Veranlagungszeitraum 2017 einfuehren. Fuer Rentner und Pensionaere ohne weitere Einkuenfte soll die vorausgefuellte Steuererklaerung mit den bei den Finanzbehoerden gefuehrten Daten bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2015 ermoeglicht werden. Wir werden das Angebot an die Buerger fuer eine elektronische Kommunikation mit der Finanzverwaltung ausbauen und auf eine verpflichtende uebersendung von Papierbelegen mit der Steuererklaerung weitgehend verzichten. Zur Sicherung einer gleichmaessigen Steuererhebung werden wir risikoorientierte Parameter der Bearbeitung von Steuererklaerungen zugrunde legen. Wir wollen die Akzeptanz des Faktorverfahrens fuer Ehegatten staerken. Der Faktor soll kuenftig nicht mehr jaehrlich, sondern fuer mehrere Jahre festgelegt werden. Eine aenderung des Faktors wird nur dann noch vorgenommen, wenn sich die Einkuenfte bzw. die Einkuenfteverteilung in nicht nur geringem Ausmass aendern. Zudem fordern wir die Laender auf, das Faktorverfahren in Steuerklasse IV durch geeignete Massnahmen der Steuerverwaltungen bekannter zu machen. Auch streben wir eine Weiterentwicklung des Steuerverfahrensrechts in Richtung eines Selbstveranlagungsverfahrens beginnend mit der Koerperschaftsteuer an. Wir werden die Rolle des Bundeszentralamtes fuer Steuern (BZSt) mit entsprechender Ausstattung unter Wahrung der Kompetenzen der Laender staerken. Das BZSt wird zur zentralen Anlaufstelle der Steuerfahndungsstellen der Laender weiterentwickelt, um die Steuerfahndungen der Laender besser zu unterstuetzen. Zusaetzlich soll das BZSt zur zentralen Anlaufstelle fuer steuerliche Fragen bzw. verbindliche Auskuenfte von Gebietsfremden werden. Wir werden zur Verbesserung der Bekaempfung der Steuerhinterziehung, des Sozialversicherungsbetrugs, der Schwarzarbeit und der illegalen Beschaeftigung die rechtlichen Rahmenbedingungen u. a. im Schwarzarbeitsbekaempfungsgesetz und in der Gewerbeordnung sowie die personelle und informationstechnologische Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit verbessern und wirkungsvoller ausgestalten. Auch bei der Abgabenerhebung beim grenzueberschreitenden Warenverkehr sollen die Rahmenbedingungen fuer eine Staerkung IT-gestuetzter Risikoanalysen verbessert werden, um die Belastungen fuer Reisende zu reduzieren und die Kontrollen effizienter und zielgerichteter ausfuehren zu koennen. Wir werden die Familienkassen des Bundes bei der Bundesagentur fuer Arbeit konzentrieren. Wir laden die Laender ein, im Rahmen ihrer Zustaendigkeiten an einer Zentralisierung mitzuwirken. Wir werden den Ausbau der steuerlichen IT gemeinsam mit den Laendern vorantreiben. Wir werden die Anwendung von sog. Nichtanwendungserlassen restriktiv handhaben. Eine Rueckwirkung von Steuergesetzen soll im verfassungsrechtlichen Rahmen auf die Sicherung von Steuersubstrat und die Verhinderung der missbraeuchlichen Nutzung von Steuersparmodellen beschraenkt sein. Solide Finanzen 91 Die interkommunale Zusammenarbeit soll steuerrechtlich nicht behindert werden. Wir lehnen daher eine umsatzsteuerliche Belastung kommunaler Beistandsleistungen ab und werden uns soweit erforderlich EU-rechtlich fuer eine umfassende Freistellung solcher Leistungen von der Umsatzsteuer einsetzen. Die Bundesregierung wird mit der grundlegenden Reform der Investmentbesteuerung die kuenftige steuerliche Behandlung von Veraeusserungsgewinnen aus Streubesitz erneut ergebnisoffen aufgreifen und die notwendigen Folgerungen ziehen. Dabei soll vor allem fuer den Bereich der Business Angels und Startups nach Loesungen fuer besondere Belastungseffekte fuer den Fall gesucht werden, dass sich der Investor von seinem Engagement trennt. Steuerhinterziehung bekaempfen – Steuervermeidung eindaemmen Wir werden als eine zentrale steuerpolitische Aufgabe den Kampf gegen grenzueberschreitende Gewinnverlagerungen international operierender Unternehmen entschlossen vorantreiben, uns fuer umfassende Transparenz zwischen den Steuerverwaltungen einsetzen und gegen schaedlichen Steuerwettbewerb vorgehen. Wir wollen verhindern, dass Unternehmen eine doppelte Nichtbesteuerung von Einkuenften oder einen doppelten Betriebsausgabenabzug erreichen koennen. Wir erwarten den Abschluss der Arbeiten zur OECD-BEPS (Base Erosion and Profit Shifting)-Initiative im Jahre 2015, einem Vorhaben, um internationaler Steuervermeidung entgegenzuwirken, welches wir aktiv unterstuetzen. Soweit sich unsere Ziele im Rahmen der OECD-BEPS-Initiative in diesem Zeitraum nicht realisieren lassen, werden wir nationale Massnahmen ergreifen. Dazu zaehlt u. a. eine Beschraenkung des Betriebsausgabenabzugs fuer Zahlungen an Briefkastenfirmen, die keine hinreichend aktive Geschaeftstaetigkeit nachweisen koennen und die Schaffung eines oeffentlichen Registers fuer alle wirtschaftlich Beteiligten an Trust-Konstruktionen nach dem Vorbild des Geldwaeschegesetzes. Auch wollen wir sicherstellen, dass der steuerliche Abzug von Lizenzaufwendungen mit einer angemessenen Besteuerung der Lizenzertraege im Empfaengerland korrespondiert. Im Vorgriff auf diese internationale Regelung werden wir in Deutschland erforderlichenfalls gesetzgeberisch voranschreiten. Die Herstellung von besserer internationaler Transparenz in Steuersachen gegenueber Finanzverwaltungen traegt erheblich zu fairerem Steuerwettbewerb und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung bei. Wir wollen deswegen entsprechend der europaeischen Regelung eine laenderspezifische Berichterstattung im Bankenbereich und im Rohstoffhandel insbesondere ueber erzielte Gewinne, entstandene Verluste und gezahlte Steuern („country-by-country-reporting“) zwischen den Steuerverwaltungen der Laender einfuehren. Ausgehend von den Entscheidungen der G 20 Staatsund Regierungschefs sowie der G 20 Finanzminister streben wir eine Revision des OECD-Musterabkommens zum Informationsaustausch mit dem Ziel des automatischen steuerlichen Informationsaustausches als internationalem Standard an. Bis dahin werden wir nach dem Vorbild des Abkommens zwischen sechs EUMitgliedstaaten weitere bilaterale bzw. multilaterale Vereinbarungen ueber einen automatischen Informationsaustausch schliessen. Wir wollen in einem weiteren Schritt den Anwendungsbereich der EU-Zinsrichtlinie auf alle Kapitaleinkuenfte und alle natuerlichen und juristischen Personen ausdehnen. Solide Finanzen 92 Wir setzen uns fuer eine bessere Abstimmung des Unternehmenssteuerrechts in der EU ein. Ausgangspunkt bilden dabei die Arbeiten fuer eine gemeinsame Koerperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage. Umsatzsteuerbetrug stellt die fiskalisch bedeutendste Form der Steuerhinterziehung dar. Wir wollen den Schnellreaktionsmechanismus gezielt einsetzen, um Umsatzsteuerbetrug fruehzeitig zu unterbinden: Wir werden dabei darauf achten, dass deutsches Umsatzsteuerrecht nicht unnoetig kompliziert wird. Erforderlichenfalls werden wir weitere Initiativen ergreifen. Das BZSt wird zentraler Ansprechpartner der Finanzverwaltungen der Bundeslaender fuer betruegerische Gestaltungen unabhaengig von Branchen. Die Bundesregierung wird die Arbeiten fuer die nationale Verhandlungsgrundlage fuer Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) fortsetzen. DBA dienen nicht mehr alleine der Verhinderung von doppelter Besteuerung, sondern auch der Verhinderung doppelter Nichtbesteuerung (sog. weisse Einkuenfte). Wir werden daher weiterhin entsprechende Klauseln in den DBAs verhandeln und in der Zwischenzeit diese Grundsaetze in nationalen Regelungen absichern. Wir werden auf internationaler, europaeischer und nationaler Ebene weiter konsequent gegen Steuervermeidung durch Nutzung von Offshore-Finanzplaetzen vorgehen. Wir werden im Umwandlungssteuerrecht pruefen, wie der Anteilstausch und Umwandlungen mit finanziellen Gegenleistungen nicht mehr systemwidrig steuerfrei gestaltet werden koennen. Bei der Kombination aus Anteilstausch und Zuzahlung sollte gegebenenfalls die Zuzahlung quotal beschraenkt, aber nicht gaenzlich ausgeschlossen werden. Wir werden weiterhin entschlossen gegen Steuerhinterziehung vorgehen. Wir werden im Lichte des ausstehenden Berichts der Finanzministerkonferenz (FMK) die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige weiterentwickeln, sofern hierfuer Handlungsbedarf aufgezeigt wird. Ein Ansatzpunkt waere, die Wirkung der Selbstanzeige kuenftig von den vollstaendigen Angaben zu den steuerrechtlich unverjaehrten Zeitraeumen (zehn Jahre) abhaengig zu machen. Der Steuerpflichtige muesste dann, um Straffreiheit fuer die letzten fuenf Jahre zu erlangen, auch fuer die weiter zurueckliegenden fuenf Jahre alle Angaben berichtigen, ergaenzen oder nachholen. Zudem wollen wir kuenftig eine Anlaufhemmung bei bestimmten Auslandssachverhalten hinsichtlich der Festsetzungsverjaehrung einfuehren, wenn diese nicht korrekt erklaert werden. Werden steuerrelevante Auslandssachverhalte erst Jahre spaeter bekannt, kann so die Besteuerung noch durchgefuehrt werden. Bei systematischen Verstoessen von Banken gegen das Steuerrecht kommen aufsichtsrechtliche Sanktionen bis hin zum Lizenzentzug in Betracht. Die Bundesregierung wird pruefen, ob durch eine Verbesserung des Informationsflusses von der Bundesanstalt fuer Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an die Finanzbehoerden die Steuerhinterziehung wirksamer bekaempft werden kann. Solide Finanzen 93 Gewerbesteuer, Erbschaftsteuer, Grundsteuer Zum Kernbestand kommunaler Selbstverwaltung gehoert eine stabile Finanzausstattung. Dies setzt voraus, dass die kommunalen Aufgaben zum Wohle der Buergerinnen und Buerger ausreichend finanziert sind.
Die Gewerbesteuer ist eine wichtige steuerliche Einnahmequelle der Kommunen. Wir wollen, dass auf der Basis des geltenden Rechts fuer die kommenden Jahre Planungssicherheit besteht. Die Erbschaftsteuer ermoeglicht in ihrer jetzigen Ausgestaltung den Generationswechsel in den Unternehmen und schuetzt Arbeitsplaetze. Sie bleibt den Laendern als wichtige Einnahmequelle erhalten. Die Grundsteuer wird unter Beibehaltung des Hebesatzrechtes fuer Kommunen zeitnah modernisiert. Wir fordern die Laender auf, nach Abschluss der laufenden Pruefprozesse rasch zu einer gemeinsamen Position zu kommen. Ziel der Reform ist es, die Grundsteuer als verlaessliche kommunale Einnahmequelle zu erhalten, d. h. das Aufkommen zu sichern und Rechtssicherheit herzustellen. Europaeische Bankenunion Wir brauchen eine kluge Regulierung der Finanzmaerkte, insbesondere des Bankenbereichs. In der Zukunft muessen Banken selber mehr Mittel fuer Krisensituationen bereitstellen, damit die Steuerzahler nicht wieder wie in der Vergangenheit belastet werden. Wer die Freiheit will, mit riskanten Geschaeften hohe Gewinne zu erzielen, muss auch fuer die Risiken einstehen. Die Spielregeln der Sozialen Marktwirtschaft sind ausgehebelt, wenn der Privatisierung von Gewinnen die Sozialisierung von Verlusten gegenueber steht. Wir brauchen eine funktionierende Bankenunion, bestehend aus einer einheitlichen Bankenaufsicht, einem einheitlichen Regelwerk und einem einheitlichen Mechanismus zur Bankenabwicklung. Bei der Bankenaufsicht, fuer deren zuegige Verwirklichung wir uns einsetzen, treten wir zur Vermeidung von Interessenkonflikten fuer eine klare Trennung von Aufsichtsund Geldpolitik bei der EZB ein. Die Besonderheiten des deutschen 3-Saeulen-Modell mit Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken muessen in der Aufsicht Beruecksichtigung finden. Waehrend systemrelevante Banken generell unter direkte EZB-Aufsicht gestellt werden, gilt dies nicht fuer kleine und regional taetige Institute. Bei der Sanierung und Abwicklung von Banken setzen wir uns fuer die strikte Einhaltung einer klaren Haftungskaskade und fuer eine konsequente Beteiligung von Bankglaeubigern (Bail-In) ein. Kuenftig muessen vorrangig Eigentuemer und Bankglaeubiger, nicht Steuerzahler herangezogen werden. Sparer mit einer Einlage bis zu 100.000 Euro werden geschuetzt. Wir wollen den europaeischen Abwicklungsmechanismus auf einer rechtssicheren Grundlage errichten, sodass Banken rechtzeitig, effektiv und effizient abgewickelt werden koennen. Fuer den Abwicklungsmechanismus wollen wir eine zuegige Loesung erreichen, die ausreichenden Schutz fuer die Budgethoheit der Mitgliedstaaten bietet. Vor diesem Hintergrund unterstuetzen wir den zuegigen Aufbau einer europaeischen Abwicklungsbehoerde fuer die systemrelevanten grenzueberschreitenden Banken und Solide Finanzen 94 eines einheitlichen europaeischen Abwicklungsfonds, der perspektivisch vollstaendig durch Bankenabgaben finanziert werden soll, deren Hoehe sich an Systemrelevanz, Groesse und Risikoprofil von Banken orientiert Wenn bis zur Einrichtung des europaeischen Fonds bereits einbezahlte Mittel nationaler Fonds sowie die Beteiligung der Eigentuemer und Glaeubiger insgesamt nicht zur Finanzierung von Bankenabwicklungen und –restrukturierungen ausreichen, bleibt der betroffene Mitgliedstaat verantwortlich. Die Koalitionspartner werden sich dafuer einsetzen, dass die fuer die etwaige Bankenrettung eingesetzten nationalen Haushaltsmittel aus dem 3 Prozent-Defizitkriterium des Stabilitaetsund Wachstumspaktes herausgerechnet werden. Sofern ein Mitgliedstaat zur Bankenrettung alleine nicht in der Lage ist und in eine gefaehrliche oekonomische Schieflage geraten wuerde, kann er im bestehenden Verfahren ESM-Hilfe beantragen. Sobald der Aufbau eines europaeischen Abwicklungsmechanismus beschlossen ist, kann, nachdem der deutsche Gesetzgeber eine entsprechende Entscheidung getroffen und die EZB die Aufsicht operativ uebernommen hat, als Zwischenloesung ein neues Instrument zur direkten Bankenrekapitalisierung auf Basis der bestehenden ESMRegelungen mit einem maximalen Volumen von 60 Mrd. Euro und insbesondere mit der entsprechenden Konditionalitaet und als letztes Instrument einer Haftungskaskade in Frage kommen, wobei sichergestellt ist, dass vorher alle anderen vorrangigen Mittel ausgeschoepft worden sind und ein indirektes ESM-Bankenprogramm mit Blick auf die Schuldentragfaehigkeit des Staates ausgeschlossen ist. Eine dauerhafte uebernahme direkter Bankenrisiken durch den Steuerzahler lehnen wir ab. Die Sicherheit der Spareinlagen ist ein wesentliches Element stabiler Finanzmaerkte. Die Harmonisierung der Anforderungen an die nationalen Einlagensicherungssysteme in Europa unter Wahrung der nationalen Besonderheiten (insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken) ist daher ein weiteres wichtiges Element der Bankenunion. Die deutschen Einlagensicherungssysteme haben sich in der Krise als stabil erwiesen. Eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung auf EU-Ebene lehnen wir ab. Handlungsfaehig im Bund, in Laendern und Kommunen Das foederale System ist eine Staerke der Demokratie und ein wichtiger Grund fuer die Leistungsfaehigkeit Deutschlands. Angesichts der Herausforderungen durch die Globalisierung und Europaeisierung muessen wir immer wieder neu sicherstellen, dass unser foederales System handlungsfaehig bleibt. Dazu gehoert, dass jede Ebene – Bund, Laender und Kommunen – ihren Aufgaben mit einem hohen Mass an Eigenverantwortung nachkommen kann. Die Kommunen sind ein zentraler Bestandteil unseres Gemeinwesens. Sie nehmen wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge und der lokalen Infrastruktur wahr. Um die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung zu sichern, muessen die Kommunen handlungsfaehig sein. Voraussetzung dafuer sind auch gesunde Finanzen. Der Bund hat dazu einen gewichtigen Beitrag geleistet, unter anderem durch die ab dem Jahr 2014 vollstaendige Erstattung der Nettoausgaben fuer die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, seine finanzielle Beteiligung am Ausbau der Kinderbetreuung fuer unter Dreijaehrige und die Fortschreibung der Entflechtungsmittel bis Solide Finanzen 95 einschliesslich 2019 auf dem bisherigen Niveau. Die kommunale Ebene erzielt seit dem Jahr 2012 Finanzierungsueberschuesse. Trotz des positiven Gesamteindrucks herrscht eine grosse Heterogenitaet bei der Finanzsituation der Kommunen. Wir werden ein Bundesleistungsgesetz fuer Menschen mit Behinderung (Bundesteilhabegesetz) erarbeiten. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes wird der Bund zu einer Entlastung der Kommunen bei der Eingliederungshilfe beitragen. Dabei werden wir die Neuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe zugunsten der Menschen mit Behinderung so regeln, dass keine neue Ausgabendynamik entsteht. Spaetestens Ende 2019 muessen die Bund-Laender-Finanzbeziehungen neu geordnet sein. Der Laenderfinanzausgleich ist zu diesem Zeitpunkt neu zu regeln. Die Laender werden ab diesem Zeitpunkt keine strukturellen Defizite mehr haben. In dieser Legislaturperiode muessen dafuer die Weichen gestellt werden. Dazu finden zwischen Bund und Laendern Gespraeche statt. Die Koalition wird parallel eine Kommission einrichten, in der Bund und Laender vertreten sind. Dazu werden Vertreter der Kommunen einbezogen. Die Kommission wird sich mit Fragen der foederalen Finanzbeziehungen befassen und dazu Vorschlaege erarbeiten. Die Kommission soll bis Mitte der Legislaturperiode Ergebnisse zu den nachfolgenden Themenbereichen vorlegen:   Europaeischer Fiskalvertrag   Schaffung von Voraussetzungen fuer die Konsolidierung und die dauerhafte Ein
haltung der neuen Schuldenregel in den Laenderhaushalten   Einnahmenund Aufgabenverteilung und Eigenverantwortung der foederalen Ebenen   Reform des Laenderfinanzausgleichs   Altschulden, Finanzierungsmodalitaeten und Zinslasten   Zukunft des Solidaritaetszuschlags. Zusammenhalt der Gesellschaft 96 4. Zusammenhalt der Gesellschaft 4.1. Miteinander staerken und Chancengleichheit verbessern Bevoelkerungswandel gestalten Die Koalition aus CDU, CSU und SPD begreift den Bevoelkerungswandel als eine der groessten Herausforderungen der gesamten Gesellschaft. Er ist eine Querschnittaufgabe. Gemeinsam mit Kommunen, Laendern und Sozialpartnern gestalten wir Politik fuer alle Generationen und wahren dabei den sozialen Zusammenhalt in unserem Land. Hierzu entwickeln wir die Demografiestrategie der Bundesregierung weiter. Mit ihr erarbeiten wir Loesungsansaetze der verschiedenen Ebenen und Akteure und verabreden Beitraege der Partner. Wir bauen Bruecken zwischen den Generationen. Den Erfahrungsschatz der aelteren Menschen wollen wir dabei staerker zur Entfaltung bringen. Dazu werben wir unter anderem fuer altersgemischte Teams in den Unternehmen. Betriebsund Tarifpartner ermuntern wir, verstaerkt Weiterbildungspakte in den Tarifvertraegen und Betriebsvereinbarungen zu verankern. Wir wollen, dass aeltere Arbeitnehmer auch weiter gute Chancen auf Beschaeftigung finden. Dafuer setzen wir uns fuer mehr Gesundheit am Arbeitsplatz ein. Der Bevoelkerungswandel hat regional sehr unterschiedliche Auswirkungen. In den neuen Laendern ist er beispielsweise schon fortgeschritten. Die dort bewaehrten Massnahmen machen wir ueber das Demografieportal des Bundes und der Laender zugaenglich. Wir wollen die Bereitschaft entwickeln, auf den Bevoelkerungswandel mit flexiblen und klugen Ansaetzen zu antworten, beispielsweise auch verstaerkt mit Hilfe digitaler und mobiler Loesungen. Mit einem Demografiewettbewerb unterstuetzen wir die Regionen, die gute Antworten auf die Veraenderungen der Bevoelkerungsstruktur gefunden haben. Wir richten ein Pruefverfahren (Demografie-Check) ein, mit dem Gesetzesvorhaben, Richtlinien und Investitionen daraufhin ueberprueft werden, welche Auswirkungen damit auf kommende Generationen verbunden sind. Familienfreundlichkeit verankern wir als Leitprinzip der Gesetzgebung und exekutiven Handelns. Wir wollen ueberall die Voraussetzungen fuer eine gute Versorgung schaffen und wollen eine gleichwertige Entwicklung in Stadt und Land. Laendliche Raeume haben ebenso wie staedtische Gebiete Anspruch auf gute Entwicklungschancen. Wir entwickeln die „Initiative Laendliche Infrastruktur“ weiter und erarbeiten gemeinsam mit den Laendern Konzepte fuer strukturschwache und besonders vom demografischen Wandel betroffene Raeume. Wichtiger Ansatz fuer eine gute Entwicklung in laendlichen Regionen ist die verstaerkte Zusammenarbeit zwischen den Kommunen. Diese werden wir weiter unterstuetzen. Zusammenhalt der Gesellschaft 97 Der demografische Wandel fuehrt zu einer verstaerkten Nachfrage nach qualifizierten Fachkraeften im Gesundheits-, Pflegeund Sozialbereich. Wir starten eine Fachkraefteoffensive sowie eine breit angelegte Kampagne zur Aufwertung dieser Berufe. Wir wollen, dass unser Land Vorreiter bei der Bewaeltigung des demografischen Wandels wird und sich zum Leitmarkt und -anbieter neuer Produkte und Dienstleistungen fuer die Beduerfnisse der aelteren Generation entwickelt. Familie staerken Wohlergehen und Fortschritt in unserer Gesellschaft bemessen sich auch daran, wie Menschen miteinander leben, arbeiten und umgehen. Wir wollen das Miteinander aller Menschen in unserem Land foerdern, unabhaengig von ihrer religioesen, politischen, weltanschaulichen oder sexuellen Identitaet. Wo Menschen dauerhaft fuereinander Verantwortung uebernehmen, wollen wir sie unterstuetzen. Dabei setzen wir auf einen Dreiklang von Zeit fuer Familien, guter Infrastruktur und materieller Sicherheit. Wir wollen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen auf ein gutes Aufwachsen ermoeglichen. Die Gleichstellung treiben wir voran. Wir werden dafuer sorgen, dass Frauen und Maenner ihre Aufgaben in Familie, Beruf und Gesellschaft partnerschaftlich wahrnehmen koennen und bestehende geschlechtsspezifische Ungerechtigkeiten – insbesondere in der Arbeitswelt beseitigen. Dazu entwickeln wir eine Politik, die die heutigen unterschiedlichen Lebensverlaeufe beruecksichtigt und Antworten auf die Herausforderungen der Lebensphasen gibt. Diese Politik wird dann erfolgreich sein, wenn sie umfassend die Demographie unserer Gesellschaft zum Gegenstand hat. Familien, Seniorinnen und Senioren, Frauen und Maenner sowie Kinder und Jugendliche sind in eine Strategie fuer die demographische Entwicklung zu integrieren, die ueber diese Legislaturperiode hinausgreift. Vereinbarkeit Familie und Beruf, Erziehung, Betreuung, Bildung Kindertagesbetreuung: Wir wollen die Qualitaet der Kindertagesbetreuung weiter vorantreiben. Ziel ist es, Fragen der Personalausstattung, Qualifikation und Weiterbildung der Fachkraefte, des Fachkraefteangebots sowie der Sprachbildung zu regeln. Wir wollen die Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen schrittweise ausbauen. Nach der erfolgreichen Einfuehrung der sprachlichen Bildung durch spezialisierte Fachkraefte in den Bundesprogrammen „Fruehe Chancen Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ wollen wir die sprachliche Bildung weiter in den paedagogischen Alltag integrieren. Bund und Laender werden zur weiteren Realisierung des Rechtsanspruchs U 3 ein drittes Investitionsprogramm auflegen. Wir wollen die Kindertagespflege und ihr Berufsbild weiterhin staerken. Dazu sollen die Qualifizierung von Tagespflegepersonen und die Rahmenbedingungen fuer ihre Taetigkeit weiter verbessert werden. So wird die Kindertagespflege in das Gesamtkonzept einer qualitativ hochwertigen Betreuung, Erziehung und Bildung eingebunden. Wir werden noch aktiver fuer den Nutzen betrieblicher Kinderbetreuungsangebote werben. Um einen konkreten Anreiz fuer Unternehmen zur Einrichtung betrieblicher Zusammenhalt der Gesellschaft 98 Kinderbetreuungsgruppen zu setzen, werden wir das Foerderprogramm „Betriebliche Kinderbetreuung“ fortsetzen. „Erfolgsfaktor Familie“ und „Lokale Buendnisse fuer Familie“: Familienfreundlichkeit muss ein zentrales Unternehmensziel werden. Mit dem Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“ setzen wir uns gemeinsam mit den Spitzenverbaenden der deutschen Wirtschaft, Gewerkschaften und grossen Stiftungen dafuer ein, dass immer mehr Unternehmen den Nutzen von Familienfreundlichkeit erkennen. Mit der Charta fuer familienbewusste Arbeitszeiten wird alle zwei Jahre ein Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner und der Bundesregierung einen Bericht „Familie und Arbeitswelt“ mit Empfehlungen vorlegen. Die bewaehrten Kooperationen mit Kommunen sowie mit Akteurinnen und Akteuren aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Gesellschaft im Rahmen der Initiative „Lokale Buendnisse“ fuer Familie unterstuetzen wir und gestalten den Prozess. Beruflicher Wiedereinstieg: Wir werden Frauen und Maenner beim Wiedereinstieg in sozialversicherungspflichtige Beschaeftigung nach einer Familienzeit durch die Weiterfuehrung des Programms „Perspektive Wiedereinstieg“ und durch weitere Moeglichkeiten der Fortund Weiterbildung foerdern. Bei Einstellungen und Befoerderungen im oeffentlichen Dienst soll die Kindererziehung positiv beruecksichtigt werden. Frauen und Maenner, die eine Familienphase einlegen, sollen dadurch keine Karrierenachteile erleiden. Mehr Zeit fuer Familien – Partnerschaftlichkeit staerken Zeitpolitik: Familien brauchen Zeit fuereinander. Deshalb machen wir uns stark fuer eine moderne lebenslauforientierte Zeitpolitik, die Frauen und Maenner dabei unterstuetzt, Beruf, Familie und Engagement zu vereinbaren. Wir wollen Familien wieder zum Taktgeber des Lebens machen: Arbeitgeber, Betreuungseinrichtungen, Schulen, aemter und Behoerden, Dienstleistungsanbieter und Verkehrsbetriebe sollen die zeitlichen Beduerfnisse von Familien besser beruecksichtigen und ihre oeffnungsund Sprechzeiten aufeinander abstimmen. Zeitpolitik befoerdert wesentlich Wahlfreiheit und ein partnerschaftliches Zusammenleben in Familien. Elternzeit: Wir werden die 36 Monate Elternzeit flexibler gestalten. Dazu sollen auch ohne die Zustimmung des Arbeitgebers nach angemessener vorheriger Anmeldung zukuenftig 24 statt 12 Monate zwischen dem 3. bis 8. Lebensjahr des Kindes von Muettern und Vaetern in Anspruch genommen werden koennen. Elterngeld: Wir werden dafuer sorgen, dass den Beduerfnissen der Eltern durch flexiblere Elterngeldregelungen besser entsprochen wird. Zur Weiterentwicklung des Elterngeldes soll das „ElterngeldPlus“ eingefuehrt werden. Mit einem „ElterngeldPlus“ wollen wir Eltern fuer die Dauer von bis zu 28 Monaten die bestmoegliche Inanspruchnahme des Elterngeldes in Kombination mit einer nicht geringfuegigen Teilzeittaetigkeit ermoeglichen und damit den Wiedereinstieg, vor allem fuer Alleinerziehende, erleichtern. Den doppelten Anspruchsverbrauch werden wir hierbei beenden. Mit dem ElterngeldPlus werden wir einen Partnerschaftsbonus z. B. in Hoehe von zehn Prozent des Elterngeldes einfuehren. Ihn erhalten alle Elterngeldbeziehenden, die beide parallel 25 bis 30 Wochenstunden arbeiten. Zusammenhalt der Gesellschaft 99 Haushaltsnahe und familienunterstuetzende Dienstleistungen: Wir werden eine Dienstleistungsplattform aufbauen, auf der legale gewerbliche Anbieter haushaltsnaher familienunterstuetzender Dienstleistungen fuer Familien und aeltere Menschen leicht zu finden und in Anspruch zu nehmen sind. Aktive Vaeter: Eine zeitgemaesse Familienund Gleichstellungspolitik bezieht auch Jungen und Maenner ein. Wir wollen auch die Rolle des aktiven Vaters in der Kindererziehung und Familie weiter staerken. Erforderlich sind bessere Rahmenbedingungen, damit Vaeter und Muetter Aufgaben in Familie und Beruf partnerschaftlich aufteilen und Maenner eine engagierte Vaterschaft leben koennen. Finanzielle Situation Alleinerziehende und Geschiedener: Der steuerliche Entlastungsbetrag fuer Alleinerziehende betraegt seit seiner Einfuehrung zum 1. Januar 2004 unveraendert 1.308 Euro, er soll angehoben werden. Die Hoehe des Entlastungsbetrags soll zukuenftig nach der Zahl der Kinder gestaffelt werden. Kinderpolitik Kinderund Jugendhilfe: Die Kinderund Jugendhilfe soll auf einer fundierten empirischen Grundlage in einem sorgfaeltig strukturierten Prozess zu einem inklusiven, effizienten und dauerhaft tragfaehigen und belastbaren Hilfesystem weiterentwickelt werden. Dazu gehoeren geeignete Finanzierungsmodelle fuer systemische Unterstuetzungsformen (z. B. . an den Schnittstellen von SGB VIII, SGB XII, und Schultraeger). Wir brauchen starke Jugendaemter und eine funktionierende Partnerschaft mit der freien Jugendhilfe. Wir werden daher die Steuerungsinstrumente der Jugendaemter deutlich verbessern und gleichzeitig die Rechte der Kinder und ihrer Familien sicherstellen, sowie sozialraumorientierte und praeventive Ansaetze verfolgen. Dazu wollen wir mit Laendern, Kommunen und Verbaenden in einen Qualitaetsdialog treten und uns ueber die Weiterentwicklung in wichtigen Handlungsfeldern der Kinderund Jugendhilfe verstaendigen. Kinderrechte: Der Schutz von Kindern vor Gewalt, Vernachlaessigung und die Weiterentwicklung der Wahrnehmung der Rechte von Kindern (Umsetzung VNKinderrechtskonvention) ist ein zentrales Anliegen dieser Koalition. Wir werden jede politische Massnahme und jedes Gesetz daraufhin ueberpruefen, ob sie mit den international vereinbarten Kinderrechten im Einklang stehen. Adoption: Wir wollen das Adoptionsverfahren weiterentwickeln, das Adoptionsvermittlungsgesetz modernisieren und die Strukturen der Adoptionsvermittlung staerken. Das Kindeswohl muss dabei immer im Vordergrund stehen. Wir wollen die Moeglichkeiten zur Adoption vereinfachen und die Begleitung und nachgehende Betreuung der Adoptiveltern verbessern. Wir werden uns dafuer einsetzen, dass im Adoptionsrecht die hoehere Lebenserwartung der Menschen und die Tendenz zur spaeteren Familiengruendung beruecksichtigt werden und wollen, dass bei Stiefkindadoptionen das Verwandtschaftsverhaeltnis zu den leiblichen Eltern im Einvernehmen erhalten bleiben kann. Die Leihmutterschaft lehnen wir ab, da sie mit der Wuerde des Menschen unvereinbar ist. Wir werden das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich regeln. Zusammenhalt der Gesellschaft 100 Bundeskinderschutzgesetz / Bundesinitiative Fruehe Hilfen: Wir wollen den auf der Grundlage des Bundeskinderschutzgesetzes umfassend verbesserten Kinderschutz kontinuierlich weiterentwickeln. Hierzu werden wir die im Rahmen der Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes und der bestehenden Bundesinitiative Fruehe Hilfen gewonnenen Erkenntnisse in saemtlichen Bereichen des Kinderschutzes umsetzen. Wir werden auch die Errichtung, Ausgestaltung und weitere Umsetzung des bereits gesetzlich geregelten Fonds zur dauerhaften Sicherstellung der Netzwerke Fruehe Hilfen und der psychosozialen Unterstuetzung von Familien an diesen Erkenntnissen ausrichten. Wir werden auch die Voraussetzungen weiter verbessern, damit Kinderund Jugendhilfe und Gesundheitswesen enger kooperieren. Wir werden Studien auflegen, die die Qualitaetsstandards fuer Auswahl und Eignung von Prozessbeteiligten und Familienpflegern in Familienangelegenheiten untersuchen. Wir wollen das Ineinandergreifen von Gewaltschutz und Umgangsrecht in Bezug auf das Kindeswohl wissenschaftlich untersuchen. (Sexuelle) Gewalt gegen Kinder, Regelsysteme, Zukunft: Wir wollen Kinder und Jugendlichen sowie Menschen mit Behinderung besser vor Gewalt, insbesondere sexueller Gewalt schuetzen. Wir werden die Umsetzung des Abschlussberichts „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhaengigkeitsund Machtverhaeltnissen in privaten und oeffentlichen Einrichtungen und im familiaeren Bereich" in dieser Legislaturperiode weiter voranbringen. Die Hilfen fuer die Betroffenen muessen verstaerkt durch die Regelsysteme erfolgen. Insbesondere im Interesse minderjaehriger Opfer sorgen wir dafuer, dass Sexualstraftaten deutlich spaeter verjaehren, weil viele Opfer oft erst nach Jahren und Jahrzehnten ueber das Geschehene sprechen und gegen die Taeter vorgehen koennen. Die strafrechtliche Verjaehrung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche soll zukuenftig nicht vor dem 30. Lebensjahr der Missbrauchsopfer einsetzen. Wir stellen ausdruecklich klar, dass ein sexueller uebergriff gegen den faktisch entgegenstehenden Willen eines behinderten oder sonst widerstandsunfaehigen Opfers als besonders schwerer Fall des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfaehiger Personen anzusehen ist. Um einen lueckenlosen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellen uebergriffen zu gewaehrleisten, wollen wir den Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen des § 174 StGB erweitern. Die Taetigkeit des Unabhaengigen Beauftragten fuer die Fragen der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche wird gesichert. Dabei werden wir die Betroffenen beteiligen und die unabhaengige Aufarbeitung der Vergangenheit sicherstellen.
Der bestehende Hilfefonds fuer Betroffene aus dem familiaeren Bereich wird gemeinsam mit den Kirchen, Laendern, Verbaenden und Institutionen im Rahmen ihrer Verantwortung zu einem Fonds fuer Betroffene aus dem familiaeren und institutionellen Bereich weiterentwickelt. Dazu wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die bis Mitte des Jahres 2014 fuer das bestehende, erweiterte Hilfesystem einen Umsetzungsvorschlag vorlegen soll. Wir werden die finanzielle Leistungsfaehigkeit des Fonds fuer die Heimkinder Ost sicherstellen. Maedchenund Jungenpolitik: Maedchen und Jungen sehen sich heute mit unterschiedlichen, oft widerspruechlichen Rollenbildern konfrontiert. Sie muessen sich auf Zusammenhalt der Gesellschaft 101 neue Anforderungen einstellen. Die geschlechtsspezifische Arbeit mit Maedchen und Jungen soll weiterentwickelt und Rollenstereotypen entgegengewirkt werden. Eine zeitgemaesse Gleichstellungspolitik bezieht Jungen und Maenner mit ein. Die Jungenarbeit soll nicht zu Lasten der Maedchenarbeit ausgebaut werden. Eigenstaendige Jugendpolitik: Jugend ist eine eigenstaendige Lebensphase. Wir begreifen Jugendpolitik als ein zentrales Politikfeld, das vorrangig von Laendern und Kommunen vor Ort gestaltet wird. Um unsere jugendpolitischen Ziele zu verwirklichen, benoetigen wir eine starke Allianz fuer die Jugend mit einer neuen, ressortuebergreifenden Jugendpolitik, die die Belange aller jungen Menschen im Blick hat. Gemeinsam mit Jugendlichen und ihren Jugendverbaenden entwickeln wir das Konzept einer eigenstaendigen Jugendpolitik weiter. Wir wollen Jugendlichen Freiraeume ermoeglichen, ihnen Chancen eroeffnen und Rueckhalt geben. Wir werden gemeinsam mit den Jugendverbaenden einen „Jugend-Check“ entwickeln, um Massnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Interessen der jungen Generation zu ueberpruefen. Europaeische und internationale Jugendarbeit: Wir wollen den internationalen Jugendund Schueleraustausch mit seinen Jugendwerken und Austauschorganisationen fuer alle jungen Menschen staerken und dabei insbesondere die foerdern, die bisher unterrepraesentiert sind. Bei der Ausgestaltung des Jugendkapitels des EU-Programms „Erasmus+“ wollen wir auch die ausserschulischen Akteure der Jugendarbeit und besonders die non-formale Bildung einbeziehen. Wir wollen den Strukturierten Dialog im Rahmen der EU-Jugendstrategie staerken. Jugendsozialarbeit, Ausbildung, Chancengleichheit foerdern: Wir wollen allen jungen Menschen in Deutschland Zugang zu einer ihren Faehigkeiten und Interessen entsprechenden Ausbildung ermoeglichen. Fuer die Teilhabe und Integration aller Jugendlichen leistet die Jugendsozialarbeit einen wichtigen Beitrag. Durch modellhafte Erprobung werden wir weiterhin Laender und Kommunen dabei unterstuetzen, dass junge Menschen sozial-paedagogische Einzelberatung und -begleitung am uebergang Schule-Beruf erhalten (2. Chance, Kompetenzagenturen). Gemeinsam mit der Wirtschaft, den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft verbessern wir die Zugangsmoeglichkeiten zur Berufsausbildung fuer bisher benachteiligte Gruppen. Wir wollen die weitgehende Sanktionierungsregelung und -praxis im SGB II fuer unter 25-Jaehrige auf ihre Wirkung und moeglichen Anpassungsbedarf hin ueberpruefen und Luecken zwischen der Jugendhilfe und anderen Hilfesystemen weiter reduzieren. Jugendverbandsarbeit: Wir unterstuetzen die Selbstorganisation Jugendlicher in Jugendverbaenden. Sie sind unverzichtbar fuer eine lebendige Demokratie. Wir werden die Infrastruktur der Kinderund Jugendarbeit sowie der Jugendverbandsarbeit und die politische und kulturelle Bildung auf Bundesebene staerken und dabei auch die besonderen Beduerfnisse junger Menschen mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen. Der Kinderund Jugendplan des Bundes (KJP) ist das zentrale Instrument, um eine bundeszentrale Infrastruktur der Jugendverbaende sicher zu stellen. Familienerholung: Wir wollen Angebote der Familienerholung als wichtigen Teil der Kinderund Jugendhilfe anerkennen, attraktiv ausgestalten und zukunftsfest ma- Zusammenhalt der Gesellschaft 102 chen, verbindliche Qualitaetsstandards entwickeln und Wege zur Weiterentwicklung der Familienerholung aufzeigen. Mutterschutzgesetz: Eine Reform des Mutterschutzgesetzes wird erarbeitet. Unser Ziel heisst umfassender Schutz, mehr Transparenz und weniger Buerokratie. Dazu bedarf es einer Anpassung der mutterschutzrechtlichen Regelungen an den neuesten Stand der Erkenntnisse ueber Gefaehrdungen fuer Schwangere und stillende Muetter am Arbeitsplatz. Wir wollen gemeinsam nach Loesungen suchen, um die ergaenzenden finanziellen Hilfen der Bundesstiftung Mutter und Kind vor Pfaendung auf den Konten der Hilfeempfaengerinnen zu schuetzen, damit die Mittel ihre beabsichtigte Wirkung entfalten koennen. Gleichstellung sicherstellen Antidiskriminierungsstelle des Bundes Die Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes leistet einen wichtigen Beitrag zur gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen in unserem Land. Wir werden die Ergebnisse der Evaluierung der ADS umsetzen. Frauenquote/Gleichstellung im Erwerbsleben Frauen in Fuehrungspositionen: Wir wollen den Anteil weiblicher Fuehrungskraefte in Deutschland erhoehen. Deshalb werden wir zu Beginn der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages Geschlechterquoten in Vorstaenden und Aufsichtsraeten in Unternehmen gesetzlich einfuehren. Aufsichtsraete von voll mitbestimmungspflichtigen und boersennotierten Unternehmen, die ab dem Jahr 2016 neu besetzt werden, sollen eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent aufweisen. Wir werden eine Regelung erarbeiten, dass bei Nichterreichen dieser Quote die fuer das unterrepraesentierte Geschlecht vorgesehenen Stuehle frei bleiben. Wir werden boersennotierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen gesetzlich verpflichten, ab 2015 verbindliche Zielgroessen fuer die Erhoehung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, Vorstand und in den obersten Management-Ebenen festzulegen und zu veroeffentlichen und hierueber transparent zu berichten. Die ersten Zielgroessen muessen innerhalb der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages erreicht werden und duerfen nicht nachtraeglich nach unten berichtigt werden. Darueber hinaus werden wir Massnahmen fuer die Privatwirtschaft ergreifen, die eine Foerderung von Frauen in allen Betriebshierarchien zum Ziel haben. Die Koalition wird im Einflussbereich des Bundes eine gezielte Gleichstellungspolitik vorantreiben, um den Anteil von Frauen in Fuehrungspositionen und in Gremien zu erhoehen und Entgeltungleichheit abzubauen. Dazu entwickeln wir einen Gleichstellungsindex und fuehren fuer die Bundesverwaltung eine proaktive Umsetzung des Bundesgleichstellungsgesetzes und des Bundesgremienbesetzungsgesetzes ein. Zusammenhalt der Gesellschaft 103 Auch fuer die wissenschaftlichen Fuehrungsgremien wollen wir einen Anteil von mindestens 30 Prozent erreichen. Generell werden wir den Frauenanteil im Wissenschaftssystem durch am Kaskadenmodell orientierte Zielquoten nachhaltig erhoehen. Entgeltgleichheit Die Koalitionspartner sind sich einig, dass die bestehende Lohndifferenz zwischen Maennern und Frauen nicht zu akzeptieren ist. Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir die Feststellung des Wertes von Berufsfeldern, von Arbeitsbewertungen und die Bewertung von Faehigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen voranbringen. Ziel muss es sein, unter anderem die Arbeit in der Pflege, Betreuung und fruehkindlicher Bildung weiter aufzuwerten. Um das Prinzip „Gleicher Lohn fuer gleiche oder gleichwertige Arbeit“ besser zur Geltung zu bringen, wollen wir mehr Transparenz herstellen, unter anderem durch eine Verpflichtung fuer Unternehmen ab 500 Beschaeftigte, im Lagebericht nach dem HGB auch zur Frauenfoerderung und Entgeltgleichheit von gesetzlichen Kriterien Stellung zu nehmen. Darauf aufbauend wird fuer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein individueller Auskunftsanspruch festgelegt. Unternehmen werden dazu aufgefordert, mit Hilfe verbindlicher Verfahren und gemeinsam mit den Beschaeftigten und unter Beteiligung der Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter im Betrieb in eigener Verantwortung erwiesene Entgeltdiskriminierung zu beseitigen. Wir wollen eine Initiative gemeinsam mit den Tarifpartnern starten, um die Muster von struktureller Entgeltungleichheit in Tarifvertraegen zu erkennen und zu ueberwinden. Geschlechtergerechte Berufswahl: Die Berufsund Studienfachwahl von jungen Frauen und Maennern ist von traditionellen Rollenbildern gepraegt. Der Berufsund Studienberatung sowie der Berufsorientierung in der Schule kommt eine grosse Bedeutung zu. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkraeftemangels bei mathematischnaturwissenschaftlich-technischen Berufen und Sozial-, Bildungsund Gesundheitsberufen wollen wir eine geschlechtergerechte Berufsberatung. Sie muss verbindlich Informationen ueber alle Berufsund Verdienstmoeglichkeiten fuer Maedchen und Jungen bieten. Frauenbewegung Wir wollen die wissenschaftliche Aufarbeitung der Deutschen Frauenbewegung, unter besonderer Beachtung der Frauenbewegung in der DDR und der Umbruchzeit 1989/90 vorantreiben, indem wir die existierenden Materialien unter Einbeziehung der Frauenarchive in einem „Digitalen Deutschen Frauenarchiv“ sichern und der oeffentlichkeit zugaenglich machen. Den Helene-Weber Preis und das Helene-Weber-Kolleg werden wir weiter foerdern, um eine hoehere Repraesentanz von Frauen in der Politik und den politisch entschei- Zusammenhalt der Gesellschaft 104 denden Gremien zu erreichen und Frauen insgesamt den Weg in die Politik zu ebnen. Gewalt gegen Frauen, Frauenhaeuser: Wir werden Gewalt an Frauen und Kinder konsequent bekaempfen und Schutz und Hilfe fuer alle Betroffenen gewaehrleisten. Eine wichtige Anlaufstelle fuer Betroffene ist das Frauenhilfetelefon. Wir werden ressortuebergreifend Massnahmen zur Bekaempfung von Gewalt gegen Kinder und Frauen buendeln und Luecken im Hilfesystem schliessen. Menschenhandel und Prostitutionsstaetten: Wir wollen Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution besser schuetzen und die Taeter konsequenter bestrafen. Kuenftig sollen Verurteilungen nicht mehr daran scheitern, dass das Opfer nicht aussagt. Fuer die Opfer werden wir unter Beruecksichtigung ihres Beitrags zur Aufklaerung, ihrer Mitwirkung im Strafverfahren sowie ihrer persoenlichen Situation das Aufenthaltsrecht verbessern sowie eine intensive Unterstuetzung, Betreuung und Beratung gewaehrleisten. Zudem werden wir das Prostitutionsgesetz im Hinblick auf die Regulierung der Prostitution umfassend ueberarbeiten und ordnungsbehoerdliche Kontrollmoeglichkeiten gesetzlich verbessern. Wir werden nicht nur gegen die Menschenhaendler, sondern auch gegen diejenigen, die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen, vorgehen. Wir werden die Ausbeutung der Arbeitskraft staerker in den Fokus der Bekaempfung des Menschenhandels nehmen. Selbstbestimmtes aelterwerden Potenziale des Alters nutzen Wir wollen die Bereitschaft staerken und institutionelle Barrieren abbauen, damit aeltere Menschen nicht ausgegrenzt, sondern sich und ihre Faehigkeiten besser in die Gesellschaft einbringen koennen. Dazu werden wir Altersgrenzen ueberpruefen und gegebenenfalls veraendern. Wir wuerdigen den Erfahrungsschatz der aelteren Menschen. Viele engagieren sich freiwillig fuer die Gesellschaft. Wir werden im Rahmen der Demografiestrategie: Altersdiskriminierung aktiv bekaempfen; durch vorbeugende Massnahmen gewaehrleisten, dass moeglichst viele aeltere Menschen moeglichst lange Zeit aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen koennen; die Selbsthilfearbeit staerken; die Situation aelterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders in den Blick nehmen sowie in Kooperation mit Wirtschaft und Verbaenden die Seniorenwirtschaft staerken und einen altersgerechten Verbraucherschutz entwickeln. Mehrgenerationenhaeuser Das erfolgreiche Konzept der Mehrgenerationenhaeuser werden wir weiterentwickeln und deren Finanzierung verstetigen. Sie sollen sich in ihrer individuellen Auspraegung zu einem uebergreifenden Dach und Ankerpunkt des sozialen Miteinanders und der Teilhabe vor Ort auch zum Beispiel unter Einbeziehung von Pflegestuetzpunkten als Sorgende Gemeinschaften entwickeln. Deshalb werden wir die Voraussetzungen schaffen, um eine dauerhafte Zukunft der Mehrgenerationenhaeuser zu sichern und gemeinsam mit Laendern und Kommunen pruefen, unter welchen Voraussetzungen die Mehrgenerationenhaeuser moeglichst in allen Kommunen etabliert werden koennen. Zusammenhalt der Gesellschaft 105 Sorge und Mitverantwortung in der Kommune Zum Thema "Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfaehiger Gemeinschaften" wird eine Kommission von Sachverstaendigen unter breiter Beteiligung der Verbaende und der oeffentlichkeit bis zum Fruehjahr 2015 den Siebten Altenbericht erarbeiten. Sexuelle Identitaet respektieren Lebenspartnerschaften, Regenbogenfamilien Wir wissen, dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden, die grundlegend fuer unsere Gesellschaft sind. Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identitaet in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden. Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen. Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zuegig umsetzen. Die Arbeit der „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ werden wir weiter foerdern. Wir verurteilen Homophobie und Transphobie und werden entschieden dagegen vorgehen. Wir werden den „Nationalen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekaempfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz“ um das Thema Homound Transphobie erweitern. Die durch die aenderung des Personenstandrechts fuer intersexuelle Menschen erzielten Verbesserungen werden wir evaluieren und gegebenenfalls ausbauen und die besondere Situation von transund intersexuellen Menschen in den Fokus nehmen Integration und Zuwanderung gestalten Deutschland ist ein weltoffenes Land. Wir begreifen Zuwanderung als Chance, ohne die damit verbundenen Herausforderungen zu uebersehen. In den letzten Jahren haben wir bei der Teilhabe von Zuwanderern und dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft wesentliche Fortschritte erzielt. Migranten leisten einen bedeutenden Beitrag zum Wohlstand und zur kulturellen Vielfalt unseres Landes. Leitlinie der Integrationspolitik bleibt Foerdern und Fordern. Wir erwarten, dass Angebote zur Integration angenommen werden. Jedoch ist Integration ein Prozess, der allen etwas abverlangt. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Fuer alle gilt selbstverstaendlich die Werteordnung des Grundgesetzes. Fuer in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder auslaendischer Eltern entfaellt in Zukunft der Optionszwang und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert. Im uebrigen bleibt es beim geltenden Staatsangehoerigkeitsrecht. Zusammenhalt der Gesellschaft 106 Grundlage der Integrationspolitik ist der gemeinsam erarbeitete Nationale Aktionsplan Integration. Integrationspolitik ist auch Bildungspolitik. Dies muss in den dafuer zur Verfuegung stehenden Finanzmitteln zum Ausdruck kommen. Willkommensund Anerkennungskultur staerken Wir werden die Willkommensund Anerkennungskultur in unserem Land staerken. Dies foerdert den gesellschaftlichen Zusammenhalt und steigert zugleich die Attraktivitaet unseres Landes fuer auslaendische Fachkraefte, die wir brauchen. Fuer die Verbesserung der Willkommenskultur haben Auslaenderbehoerden eine Schluesselfunktion inne. Viele Auslaenderbehoerden haben daher begonnen, den Dienstleistungscharakter fuer Migranten mehr in den Vordergrund zu stellen. Wir begruessen diese Entwicklung, wollen sie mit den Laendern zusammen weiter staerken und werden Kommunen durch ein Beratungspaket und Schulungsangebote gezielt darin unterstuetzen. Jeder Neuzuwanderer soll die Gelegenheit zu einem Erstberatungsgespraech ueber Angebote zur Integration bekommen. Integrationsund Beratungsangebote sollen besser aufeinander abgestimmt und vernetzt werden. Dies gilt auch fuer die Jugendmigrationsdienste (JMD) und die Migrationsberatung fuer Erwachsene Zuwanderer (MBE), die wir enger miteinander verzahnen wollen. Die Verbindlichkeit der Beratung wird durch Integrationsvereinbarungen gewaehrleistet. Die Initiative „Ressourcen staerken“ fuer Muetter mit Migrationshintergrund setzen wir fort. Zur Willkommensund Anerkennungskultur gehoert die interkulturelle oeffnung von Staat und Gesellschaft. Wir setzen uns dafuer in allen Lebensbereichen ein, insbesondere im Bereich des ehrenamtlichen Engagements (z. B. Feuerwehr, Rettungsdienste) und der Kultur, im Sport und im Gesundheitsund Pflegebereich. Wir begreifen Vielfalt als Chance und werden deshalb die Charta der Vielfalt sowie den „Diversity“-Gedanken in der Wirtschaft und gemeinsam mit der Wirtschaft weiter staerken. Wir wenden uns gegen jede Form der Diskriminierung. In den Bundesbehoerden wollen wir den mit dem Nationalen Aktionsplan Integration eingeschlagenen Weg fortsetzen und den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund im oeffentlichen Dienst erhoehen. Wir werden einen Schwerpunkt bei der Gewinnung von jungen Migranten fuer eine Ausbildung im oeffentlichen Dienst setzen. Ab dem Jahr 2014 werden wir in Bundesministerien und Geschaeftsbereichsbehoerden auf freiwilliger Grundlage den Anteil von Migrantinnen und Migranten anhand einheitlicher Standards erheben. Die Aufarbeitung der rechtsterroristischen Verbrechen des sogenannten NSU hat gezeigt, dass bei der Ausbildung im Bereich des oeffentlichen Dienstes, insbesondere in den Sicherheitsbehoerden, die interkulturelle Kompetenz gestaerkt werden muss. Wir werden Diskriminierungsfreiheit als Ziel von Ausund Fortbildung im Zustaendigkeitsbereich des Bundes staerker verankern und die Umsetzung in der Praxis kontinuierlich ueberpruefen. Zusammenhalt der Gesellschaft 107 Migrantenorganisationen haben eine wichtige Brueckenfunktion. Als Partner der Integrationsfoerderung werden wir bundesweit taetige sachverstaendige Organisationen weiter staerken, auch durch Multiplikatorenschulungen und finanzielle Unterstuetzung beim Aufbau von Strukturen. Wir erkennen an, dass es in den Medien Verbesserungen insbesondere mit Blick auf die Praesenz von Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Das Gespraech mit den Medien ueber ihre interkulturelle oeffnung muss jedoch weiter verstaerkt werden. Wir setzen uns z. B. durch Mentorenprogramme dafuer ein, dass mehr junge Migranten ihren Weg in Medienberufe finden. Wir wollen Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund besser erreichen. Hierzu werden wir ein Bundesprogramm „Eltern staerken“ auflegen, durch das Eltern mit Migrationshintergrund direkt in die Arbeit von Kitas und Schulen einbezogen werden sollen. Der Erwerb der deutschen Sprache ist eine zentrale Voraussetzung fuer eine gelingende Integration. Wir werden die Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache ausbauen. Wir werden das fruehe Erlernen der deutschen Sprache gezielt weiter foerdern und unterstuetzen die Massnahmen zur Auswertung der Sprachstandsdiagnostik und foerdermassnahmen sowie gemeinsame Standards mit dem Ziel, allen Kindern eine individuelle Foerderung zu ermoeglichen. Wir setzen uns fuer einen Ausbau und die oeffnung der berufsbezogenen Sprachkurse fuer neue Zielgruppen ein. Die Integrationskurse haben sich bewaehrt. Wir wollen sie qualitativ weiter verbessern (Differenzierung nach Zielgruppen, Kursgroessen und angemessene Honorierung der Lehrkraefte). Wir werden die Teilnahme von Unionsbuergern weiterhin sicherstellen. Die Wirtschaft soll dabei mit einbezogen und muss ihrer Verantwortung gerecht werden. Wir werden dazu beitragen, das Miteinander von Migranten und Einheimischen weiter zu verbessern. Dabei wollen wir die Moeglichkeiten von Mentoringprogrammen besser nutzen (Bildungsund Familienpatenschaften). Wir werden die interkulturelle oeffnung der Freiwilligendienste vorantreiben. Vorintegration von Neuzuwanderern staerken In der Integrationspolitik duerfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Zuwanderung und Integration muessen von Anfang an Hand in Hand gehen. Bei Neuzuwanderern wollen wir deshalb Vorintegrationsmassnahmen schon im Herkunftsland, aber auch Beratungsangebote nach der Einreise verstaerken. Dazu gehoeren neue Informationsangebote, insbesondere zum Spracherwerb, zur Anerkennung von Berufsabschluessen, ueber unser Bildungsund Gesundheitssystem sowie ueber Moeglichkeiten des Aufenthalts zum Zweck der Arbeitsaufnahme und des Studiums. Bestehende Angebote muessen verbessert und miteinander vernetzt werden. Wir wollen einen schnelleren Zugang zu Integrationsmassnahmen, z. B. in den Integrationskurs, erreichen. Zusammenhalt der Gesellschaft 108 Armutswanderung innerhalb der EU – Akzeptanz der Freizuegigkeit erhalten Wir wollen die Akzeptanz fuer die Freizuegigkeit in der EU erhalten. Wir werden deshalb der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Buerger entgegenwirken. Zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsstaaten werden wir uns dafuer einsetzen, dass EU-Finanzmittel von den Herkunftslaendern abgerufen und zielgerichtet eingesetzt werden. Dafuer werden wir Verwaltungsunterstuetzung anbieten. Wir werden uns in der EU dafuer einsetzen, dass die Herkunftslaender im Rahmen der europarechtlichen Regelungen jedem Staatsangehoerigen die europaeische Krankenversichertenkarte (EHIC) diskriminierungsfrei ausstellen. Wir wollen im nationalen Recht und im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben durch aenderungen erreichen, dass Anreize fuer Migration in die sozialen Sicherungssysteme verringert werden. Dafuer sind ein konsequenter Verwaltungsvollzug, die Bekaempfung von Scheinselbstaendigkeit und Schwarzarbeit, eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Zoll und Behoerden vor Ort, ein besserer behoerdlicher Datenaustausch, die Ermoeglichung von befristeten Wiedereinreisesperren sowie aufsuchende Beratung notwendig. Unter Beruecksichtigung der Rechtsprechung des Europaeischen Gerichtshofs sollen Anspruchsvoraussetzungen und Leistungsausschluesse in der Grundsicherung fuer Arbeitsuchende praezisiert werden. Die Armutswanderung fuehrt in einzelnen grossstaedtisch gepraegten Kommunen zu erheblichen sozialen Problemlagen bei der Integration, Existenzsicherung, Unterbringung und Gesundheitsversorgung. Wir erkennen die Belastung der Kommunen bei der Bewaeltigung ihrer Aufgaben an. Besonders von Armutsmigration betroffene Kommunen sollen zeitnah die Moeglichkeit erhalten, bestehende bzw. weiterzuentwickelnde Foerderprogramme des Bundes (z. B. Soziale Stadt) staerker als bisher zu nutzen. Fluechtlingsschutz und humanitaere Fragen Um lange in Deutschland lebenden geduldeten Menschen, die sich in die hiesigen Lebensverhaeltnisse nachhaltig integriert haben, eine Perspektive zu eroeffnen, wollen wir eine neue altersund stichtagsunabhaengige Regelung in das Aufenthaltsgesetz einfuegen. Grundlage soll BR Drs. 505/12 (B) vom 22. Maerz 2013 sein. Grundsaetzlich setzt die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis die ueberwiegende Sicherung des Lebensunterhalts voraus. Zudem werden die Anforderungen an die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Jugendliche und Heranwachsende (§ 25a AufenthG) vereinfacht, um der besonderen Integrationsfaehigkeit dieser speziellen Gruppe Rechnung zu tragen. Vor dem Hintergrund der erheblich gestiegenen Zugangszahlen im Asylbereich setzen wir uns – auch im Interesse der Schutzsuchenden – mit besonderem Vorrang fuer die Verkuerzung der Bearbeitungsdauer bei den Asylverfahren ein. Die Verfahrensdauer bis zum Erstentscheid soll drei Monate nicht uebersteigen. Im Interesse eines wirkungsvollen Asylrechts muss auch schnell Klarheit bestehen, wer keinen Anspruch auf Schutz geltend machen kann. Wir werden das Bundesamt fuer Migration und Fluechtlinge personell ausreichend ausstatten, damit angesichts steigender Asylbewerberzahlen zuegige und rechtsstaatliche Asylverfahren gewaehrleistet sind. Zusammenhalt der Gesellschaft 109 Wir wollen die Westbalkanstaaten Bosnien und Herzegowina, EjR Mazedonien und Serbien als sichere Herkunftsstaaten im Sinne von § 29a Asylverfahrensgesetz einstufen, um aussichtslose Asylantraege von Angehoerigen dieser Staaten schneller bearbeiten und ihren Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu koennen. Wir wollen uns zugleich gegenueber den Regierungen dieser Staaten und der EU-Kommission dafuer einsetzen, rasche und nachhaltige Schritte zur Verbesserung der Lebenssituation vor Ort zu ergreifen. Die Laender an den Aussengrenzen der EU sind mit einer grossen Zahl von Fluechtlingen konfrontiert. Bei der EU-Fluechtlingspolitik fordern wir mehr Solidaritaet unter den EU-Mitgliedstaaten. Zugleich treten wir bei FRONTEX-koordinierten Massnahmen der Grenzsicherung sowie bei der Kooperation mit Drittstaaten fuer die konsequente Einhaltung menschenrechtlicher und humanitaerer Standards ein. Der Grundsatz der Nichtzurueckweisung und die Pflicht zur Seenotrettung muessen umfassend geachtet werden. Das sogenannte „Resettlement“-Verfahren, bei dem besonders schutzbeduerftige Fluechtlinge aus dem Ausland aufgenommen werden, soll in Zusammenarbeit mit dem Fluechtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) fortgesetzt, verstetigt und spaetestens 2015 quantitativ in Abstimmung mit der Innenministerkonferenz (IMK) deutlich ausgebaut werden. Wir werden den Familiennachzug bei Resettlement-Fluechtlingen erleichtern. Zur konsequenten Rueckfuehrung nicht schutzbeduerftiger Menschen werden wir eine abgestimmte Strategie begruenden. Angesichts der weltweit zunehmenden Mobilitaet und Migration sollten Migrationsfragen mit dem Ziel einer besseren Steuerung der Zuwanderung und zur Bekaempfung der Ursachen von unfreiwilliger Migration und Flucht staerker und konkreter in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Drittstaaten verankert werden. Hierdurch soll ein besseres Ineinandergreifen von Migrations-, Aussenund Entwicklungspolitik geschaffen werden, die den Bereich Rueckkehrfoerderung und Identitaetsklaerung einschliesst. Die Bereitschaft von Herkunftsund Transitstaaten bei der Bekaempfung der illegalen Migration, der Steuerung legaler Migration und dem Fluechtlingsschutz besser zu kooperieren soll geweckt oder gestaerkt werden. Hierzu bedarf es der Erarbeitung einer „Strategie fuer Migration und Entwicklung“. Es bedarf einer Weiterentwicklung des Ausweisungsrechts im Hinblick auf Taeter schwerwiegender Straftaten und gewaltbereite Extremisten sowie der Vorschriften zur Durchsetzung von Aufenthaltsbeendigungen mit Blick auf Praktikabilitaet und Einhaltung europarechtlicher Vorgaben an. Die raeumliche Beschraenkung (sogenannte Residenzpflicht), fuer Asylbewerber und Geduldete wird auf das jeweilige Land ausgeweitet. Hiervon unbenommen bleiben Vereinbarungen zwischen den Laendern zugunsten genereller landesuebergreifender Bewegungsfreiheit. Voruebergehendes Verlassen des Landes ist bis zu einer Woche auf der Grundlage einer einseitigen Mitteilung unter Angabe des Zielorts moeglich. Eine raeumliche Beschraenkung des Aufenthalts kann bei Straftaetern und Personen, bei denen Verstoesse gegen das Betaeubungsmittelgesetz bekannt geworden sind oder bei denen aufenthaltsbeendende Massnahmen konkret bevorstehen, angeordnet werden. Bei Studi- Zusammenhalt der Gesellschaft 110 um, Berufsausuebung und -ausbildung besteht in der Regel ein Anspruch auf Befreiung von der raeumlichen Beschraenkung und Wohnsitzauflage. Die UN-Kinderrechtskonvention ist Grundlage fuer den Umgang mit Minderjaehrigen, die als Fluechtlinge unbegleitet nach Deutschland kommen. Wir werden die Handlungsfaehigkeit im Asylverfahrensund Aufenthaltsrecht auf 18 Jahre anheben und dadurch den Vorrang des Jugendhilferechts fuer unbegleitete minderjaehrige Fluechtlinge festschreiben. Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird fuer Asylbewerber und Geduldete nach drei Monaten erlaubt. Asylbewerbern und Geduldeten werden wir in Zusammenarbeit mit den Laendern den fruehen Spracherwerb ermoeglichen. Wir werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz zuegig umsetzen. Menschen mit und ohne Behinderung „Nichts ueber uns ohne uns“ Leitidee der Politik der neuen Bundesregierung fuer Menschen mit Behinderungen ist die inklusive Gesellschaft. Menschen mit und ohne Behinderungen sollen zusammen spielen, lernen, leben, arbeiten und wohnen. In allen Bereichen des Lebens sollen Menschen mit Behinderungen selbstverstaendlich dazugehoeren – und zwar von Anfang an. Menschen mit Behinderungen sind Experten in eigener Sache, ihre Beteiligung an den Entscheidungsprozessen wollen wir besonders beruecksichtigen – nach dem Motto „Nichts ueber uns ohne uns“. UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen Auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft ist die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bei politischen Entscheidungen, die die Menschen mit Behinderungen betreffen, zu beruecksichtigen. Gemeinsam mit den Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen werden wir den Nationalen Aktionsplan weiterentwickeln. Wichtige Etappenziele sind mehr Teilhabe, Selbstbestimmung und Barrierefreiheit im Alltag. Der leichtere Zugang fuer Menschen mit Behinderungen zu Transportmitteln, Informationen und Kommunikation sowie zu Einrichtungen und Diensten ist unabdingbar. Die Lebenssituation taubblinder Menschen werden wir dabei besonders beruecksichtigen. Inklusiven Arbeitsmarkt staerken Zentrales Element der sozialen Inklusion ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Wir wollen die Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt begleiten und so die Beschaeftigungssituation nachhaltig verbessern. Dazu gehoert auch die Anerkennung und Staerkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen. In den Jobcentern muss ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden sein, um die Belange von Menschen mit Behinderungen zu erkennen, fachkundig zu beraten und zu vermitteln. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollen sensibilisiert werden, um das Potential von Menschen mit Behinderungen zu erkennen und sie zu beschaeftigen. Gemeinsam mit den Sozialpartnern werden wir u. a. im Rahmen der Inklusionsinitiative fuer Ausbildung und Beschaeftigung die An- Zusammenhalt der Gesellschaft 111 strengungen fuer die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung erhoehen. Wir wollen den uebergang zwischen Werkstaetten fuer Menschen mit Behinderungen und dem ersten Arbeitsmarkt erleichtern, Rueckkehrrechte garantieren und die Erfahrungen mit dem „Budget fuer Arbeit“ einbeziehen. Eingliederungshilfe reformieren – Modernes Teilhaberecht entwickeln Die gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Laendern und Kommunen fuer mehr Inklusion brauchen einen sicheren gesetzlichen Rahmen. Wir werden deswegen unter Einbeziehung der Bund-Laender-Finanzbeziehungen ein Bundesleistungsgesetz fuer Menschen mit Behinderungen erarbeiten. Dabei werden wir die Einfuehrung eines Bundesteilhabegeldes pruefen. Wir wollen die Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung nur eingeschraenkte Moeglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben, aus dem bisherigen „Fuersorgesystem“ herausfuehren und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickeln. Die Leistungen sollen sich am persoenlichen Bedarf orientieren und entsprechend eines bundeseinheitlichen Verfahrens personenbezogen ermittelt werden. Leistungen sollen nicht laenger institutionenzentriert, sondern personenzentriert bereit gestellt werden. Wir werden das Wunschund Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UNBehindertenrechtskonvention beruecksichtigen. Menschen mit Behinderung und ihre Verbaende werden von Anfang an und kontinuierlich am Gesetzgebungsprozess beteiligt. Im Interesse von Kindern mit Behinderungen und ihren Eltern sollen die Schnittstellen in den Leistungssystemen so ueberwunden werden, dass Leistungen moeglichst aus einer Hand erfolgen koennen. Barrierefreiheit im Netz Die Digitalisierung bietet eine Vielzahl von Chancen fuer Menschen mit Einschraenkungen. Wir pruefen daher, ob durch ein Pruefsiegel „Barrierefreie Website“ fuer Verwaltung und Wirtschaft die Gleichstellung behinderter Menschen unterstuetzt werden kann. Buergerschaftliches Engagement und Freiwilligendienste Buergerschaftliches Engagement Unser Gemeinwesen ist auf die Zivilgesellschaft und das Engagement der Buergerinnen und Buerger angewiesen. Ihre Moeglichkeiten zum Engagement wollen wir weiter foerdern. In Deutschland engagieren sich Menschen aller Altersgruppen in den unterschiedlichsten Bereichen: Sie betaetigen sich bei der Feuerwehr und im Katastrophenschutz, in Gewerkschaften und Sozialverbaenden, in Sportvereinen, in Kirchengemeinden und nationalen wie internationalen Hilfsorganisationen, in Nachbarschaftsinitiativen und Selbsthilfegruppen, in der Bildung und in kulturellen Einrichtungen. Die Zivilgesellschaft und das Engagement der Buergerinnen und Buerger halten unser Gemeinwesen zusammen und machen es erst lebendig. Wir wollen die Voraussetzungen fuer ehrenamtliches Engagement verbessern. Die Erfahrungen, die im buergerschaftlichen Engagement gemacht werden, und die Ideen, Zusammenhalt der Gesellschaft 112 die dort entstehen, werden wir verstaerkt aufnehmen. Wir wollen fuer mehr Anerkennung fuer das Engagement aller Generationen und die Arbeit im Ehrenamt sorgen. Ein Signal der Anerkennung ist der Deutsche Engagementpreis. Wir unterstuetzen und foerdern die Arbeit der Wohlfahrtsverbaende. Soziale Innovationen auch von Sozialunternehmen sind unterstuetzungswert. Wir wollen die Gruendung unternehmerischer Initiativen aus buergerschaftlichem Engagement (z. B. Dorflaeden, Kitas, altersgerechtes Wohnen, Energievorhaben) erleichtern. Fuer solche Initiativen soll eine geeignete Unternehmensform im Genossenschaftsoder Vereinsrecht zur Verfuegung stehen, die unangemessenen Aufwand und Buerokratie vermeidet. Bundesfreiwilligendienst und Jugendfreiwilligendienste Freiwilligendienste sind eine besondere Form des Buergerschaftlichen Engagements und Bildungsdienste. Wir wollen sie in ihrer bewaehrten Vielfalt und unter Wahrung ihrer hohen Qualitaet weiter entwickeln und in zivilgesellschaftlicher Verantwortung ausbauen. Der Erfolg des Bundesfreiwilligendienstes zeigt, dass alle Altersgruppen einen Freiwilligendienst leisten koennen und wollen. Wir wollen diesen Dienst weiterhin so gestalten, dass er generationenuebergreifende Ansaetze foerdert und differenzierte Bildungsangebote macht. Wir wollen an den Erfolg des Bundesfreiwilligendienstes und der Jugendfreiwilligendienste anknuepfen und Menschen nachhaltig fuer buergerschaftliches Engagement gewinnen. Wir werden gemeinsam mit Laendern, Hochschulen, Kommunen und privaten Betrieben und anderen Akteuren die Anerkennungskultur fuer Freiwillige ausbauen. Wir werden durch die Ausstellung eines einheitlichen Freiwilligendienstausweis fuer alle Freiwilligen die Voraussetzungen fuer Verguenstigungen verbessern. Fuer die Weiterentwicklung werden wir die Ergebnisse der aktuellen wissenschaftlichen Evaluation aufgreifen. Auch werden wir Programme der Traeger unterstuetzen, vor allem, wenn diese auf den Erwerb zusaetzlicher formaler Qualifikationen zielen. Wir werden zur Staerkung der Anerkennungskultur ein Gesamtkonzept des freiwilligen Engagements entwickeln, das neben dem Bundesfreiwilligendienst und den Jugendfreiwilligendiensten auch einen weiterentwickelten Freiwilligendienst bei der Bundeswehr beinhaltet. Die Freiwilligendienste junger Deutscher im Ausland und von Auslaenderinnen und Auslaendern, die nach Deutschland kommen, werden wir noch gezielter auf die Interessen und Beduerfnisse der Freiwilligen ausrichten und dafuer die Zustaendigkeit fuer alle geregelten Auslandsfreiwilligendienste im Bundesministerium fuer Familie, Senioren, Frauen und Jugend buendeln. Angesichts des Bildungsund Orientierungscharakter der Freiwilligendienste sind sie umsatzsteuerfrei. Zusammenhalt der Gesellschaft 113 Kirchen und Religionsgemeinschaften Wir werden den Dialog mit den christlichen Kirchen, Religionsgemeinschaften und religioesen Vereinigungen sowie den freien Weltanschauungsgemeinschaften intensiv pflegen. Sie bereichern das gesellschaftliche Leben und vermitteln Werte, die zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft beitragen. Wir bekennen uns zum Respekt vor jeder Glaubensueberzeugung. Auf der Basis der christlichen Praegung unseres Landes setzen wir uns fuer ein gleichberechtigtes gesellschaftliches Miteinander in Vielfalt ein. Die christlichen Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbaende sind in vielen Bereichen unserer Gesellschaft unverzichtbar, nicht zuletzt im Bildungs-, Gesundheitsund Sozialbereich, bei der Betreuung, Pflege und Beratung von Menschen sowie in der Kultur. Zahlreiche Leistungen kirchlicher Einrichtungen fuer die Buergerinnen und Buerger sind nur moeglich, weil die Kirchen im erheblichen Umfang eigene Mittel beisteuern und Kirchenmitglieder sich ehrenamtlich engagieren. Wir halten daher auch am System der Kirchensteuern fest, damit die Kirchen Planungssicherheit haben. Nur so koennen sie die eigenfinanzierten Leistungen zum Wohle der Buergerinnen und Buerger unseres Landes weiter sicherstellen. Zugleich wollen wir die kirchlichen Dienste weiter unterstuetzen. Dabei achten wir die kirchliche Praegung der entsprechenden Einrichtungen. Zum Gedenken an den weit ueber die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus bedeutenden 500. Jahrestag der Reformation 2017 wird auch der Bund einen angemessenen Beitrag leisten. Dankbar stellen wir das Erstarken des juedischen Lebens in unserem Land fest. Wir unterstuetzen die juedischen Gemeinden und die juedische Wohlfahrtspflege, zum Beispiel bei der Integration von Zuwanderern und dem Aufund Ausbau von Bildungsund Kultureinrichtungen. Den vielfaeltigen Beitraegen muslimischer Vereine und Verbaende zu unserem Gemeinwesen – etwa zur Integration muslimischer Zuwanderer und ihrer Nachkommen in unsere Gesellschaft, wie auch zum Dialog zwischen den Kulturen und Religionen – gilt unsere Wertschaetzung und Unterstuetzung. In diesem Sinne wollen wir die Deutsche Islam Konferenz fortsetzen. Eine offene Gesellschaft bietet im Rahmen der Verfassungsordnung allen Religionen den Freiraum zur Entfaltung ihres Glaubens. Das bewaehrte Staatskirchenrecht in unserem Land ist eine geeignete Grundlage fuer eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften. Aussiedler, Heimatvertriebene und nationale Minderheiten Wir halten die mahnende Erinnerung an Flucht und Vertreibung durch einen Gedenktag lebendig, halten weiterhin an den Moeglichkeiten vertriebenenrechtlicher Aufnahme in Deutschland fest und werden unsere Hilfen fuer die deutschen Minderheiten in den Herkunftsgebieten der Aussiedler fortsetzen. Wir stehen zu den eingegangenen Vereinbarungen europaeischer Minderheitenpolitik und verpflichten uns weiterhin zur Foerderung der vier nationalen Minderheiten in Deutschland – Daenen, Sorben, Friesen sowie deutsche Sinti und Roma – und der deutschen Minderheit in Daenemark Zusammenhalt der Gesellschaft 114 sowie den deutschen Minderheiten in Mittelostund Suedosteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Die sorbische Sprache und Kultur als Ausdruck der Identitaet des sorbischen Volkes gilt es zu bewahren. Daher wollen wir die Arbeit der Stiftung fuer das sorbische Volk langfristig sicherstellen und dafuer den Bundeszuschuss sichern. 4.2. Lebensqualitaet in der Stadt und auf dem Land Gutes und bezahlbares Wohnen Buendnis fuer Wohnen Eine hohe Wohnund Lebensqualitaet der Menschen in Deutschland sind ein wichtiges Ziel unserer Politik. Dem weiter wachsenden Wohnungsbedarf in den Ballungszentren und vielen Grossund Hochschulstaedten, dem notwendigen energetischen Umbau sowie den demografischen und sozialen Herausforderungen muss entsprochen werden. Dazu setzen wir auf einen wohnungspolitischen Dreiklang aus einer Staerkung der Investitionstaetigkeit, einer Wiederbelebung des Sozialen Wohnungsbaus und einer ausgewogenen mietrechtlichen und sozialpolitischen Flankierung. Alle Massnahmen werden wir in einem Aktionsprogramm zur Belebung des Wohnungsbaus und der energetischen Gebaeudesanierung zusammenfassen. Wir streben dazu ein Buendnis mit den Laendern, Kommunen und allen relevanten gesellschaftlichen Akteuren an. Den Immobilienwirtschaftlichen Dialog werden wir ausbauen. Wohnungsbau staerken Die Wohnungsbaupraemie und die Arbeitnehmer-Sparzulage bleiben erhalten. Fuer das genossenschaftliche Wohnen verbessern wir die Rahmenbedingungen und pruefen, wie der Erwerb von Genossenschaftsanteilen, die sich im Gegenzug zu Neubau verpflichten, besser gefoerdert werden kann. Die Initiative zur Schaffung zusaetzlichen studentischen Wohnraums setzen wir fort. Liegenschaftspolitik Einen wichtigen Beitrag fuer mehr Wohnbauland koennen nicht mehr benoetigte Konversionsliegenschaften im oeffentlichen Eigentum leisten. Die Bundesanstalt fuer Immobilienaufgaben wird die Kommunen auch weiterhin dabei unterstuetzen. So wird mit Ruecksicht auf die vielen am Gemeinwohl orientierten Vorhaben der Kommunen, wie der Schaffung bezahlbaren Wohnraums und einer lebendigen Stadt, eine verbilligte Abgabe von Grundstuecken realisiert. So koennen auf der Grundlage eines Haushaltvermerks Konversionsliegenschaften verbilligt abgegeben werden. Das Gesamtvolumen ist auf hoechstens 100 Mio. Euro fuer die naechsten vier Jahre begrenzt. Zukuenftig sollen zudem Kommunen zur Beschleunigung von Verkaufsverfahren gegenueber der BImA auch das Instrument von Besserungsschein verstaerkt nutzen koennen. Sozialer Wohnungsbau/Wohngeld Wir setzen auf eine Wiederbelebung des Sozialen Wohnungsbaus. Wir unterstuetzen die hierfuer zustaendigen Laender bis Ende 2019 mit jaehrlich 518 Mio. Euro. Zugleich Zusammenhalt der Gesellschaft 115 erwarten wir von den Laendern, dass sie diese Mittel zweckgebunden fuer den Bau neuer Sozialwohnungen, neue Sozialbindungen sowie fuer die sozialvertraegliche Sanierung des Wohnungsbestandes einsetzen und diese Vorhaben zusaetzlich mit eigenen Mitteln unterstuetzen – dokumentiert in einem ausfuehrlichen Berichtssystem an den Bund. Um Menschen mit geringeren Einkommen direkt zu helfen und gutes Wohnen zu ermoeglichen, wollen wir die Leistungen des Wohngeldes weiter verbessern, indem wir Leistungshoehe und Miethoechstbetraege an die Bestandsmietenund Einkommensentwicklung anpassen. Bezahlbare Mieten Damit Wohnraum insbesondere in Staedten mit angespannten Wohnungsmaerkten bezahlbar bleibt, raeumen wir den Laendern fuer die Dauer von fuenf Jahren die Moeglichkeit ein, in Gebieten mit nachgewiesenen angespannten Wohnungsmaerkten bei Wiedervermietung von Wohnraum die Mieterhoehungsmoeglichkeiten auf maximal 10 Prozent ueber der ortsueblichen Vergleichsmiete zu beschraenken. Erstvermietungen in Neubauten sowie Anschlussvermietungen nach umfassenden Modernisierungen sind davon ausgeschlossen. Die moegliche Wiedervermietungsmiete muss mindestens der bisherigen Miethoehe entsprechen koennen. Die Ausweisung dieser Gebiete durch die Laender soll an die Erarbeitung eines Massnahmenplans zur Behebung des Wohnungsmangels in den Gebieten gekoppelt werden. Es bleibt bei der geltenden Regelung zur Begrenzung von Erhoehungen der Bestandsmieten auf 15 Prozent bis zur ortsueblichen Vergleichsmiete (sog. „Kappungsgrenze“) in von den Laendern ausgewiesenen Gebieten innerhalb von drei Jahren. Kuenftig sollen nur noch hoechstens 10 Prozent laengstens bis zur Amortisation der Modernisierungskosten einer Modernisierung auf die Miete umgelegt werden duerfen. Durch eine Anpassung der Haertefallklausel im Mietrecht (§ 559 Abs. 4 BGB) werden wir einen wirksamen Schutz der Mieter vor finanzieller ueberforderung bei Sanierungen gewaehrleisten. Wir werden fuer alle Rechtsgebiete klarstellen, dass nur die tatsaechliche Wohnbzw. Nutzflaeche Grundlage fuer Rechtsansprueche z. B. fuer die Hoehe der Miete, fuer Mieterhoehungen sowie fuer die umlagefaehigen Heizund Betriebskosten sein kann.
Wir sorgen dafuer, dass im Mietspiegel die ortsuebliche Vergleichsmiete auf eine breitere Basis gestellt und realitaetsnaeher dargestellt wird. Wir halten wirksame Instrumente gegen grobe Vernachlaessigung von Wohnraum durch den Eigentuemer fuer notwendig. Wir werden entsprechende Regelungen pruefen. Fuer Maklerleistungen wollen wir klare bundeseinheitliche Rahmenbedingungen und ebenso Qualitaetssicherung erreichen. Vermieter und Mieter sollen weiter als Auftraggeber auftreten koennen. Dabei gilt das marktwirtschaftliche Prinzip: wer bestellt, der bezahlt. Wir wollen im Maklerrecht Anreize fuer eine bessere Beratung des Verbrauchers beim Immobilienerwerb schaffen. Hierzu streben wir als weitere Option des Verbrauchers eine erfolgsunabhaengige Honorierung entsprechend dem Beratungsaufwand an. Zudem wollen wir einen Sachkundenachweis einfuehren und Standards aus anderen Beratungsberufen auf das Maklergewerbe uebertragen. Wir werden be- Zusammenhalt der Gesellschaft 116 rufliche Mindestanforderungen und Pflichtversicherungen fuer Wohnungsverwalter und Immobilienmakler verankern. Den Verbraucherschutz bei Bauund Dienstleistungen fuer Bauherren und Immobilieneigentuemer wollen wir ausbauen, insbesondere im Bauvertragsrecht und bei der Fremdverwaltung von Wohnungen. Bei der Einfuehrung des Datenbankgrundbuches werden wir die Einsichtnahme des Verwalters am elektronischen Verfahren regeln. Generationenund altersgerechter Wohnraum Wir wollen die Schaffung von mehr generationengerechtem Wohnraum unterstuetzen. Gerade aeltere Menschen benoetigen barrierefreie und -arme Wohnungen und ein Wohnumfelder, um selbstbestimmt und altersgerecht wohnen zu koennen. Zur Foerderung des generationengerechten Umbaus werden wir ein neues Programm „Altersgerecht Umbauen“ auflegen, mit Investitionszuschuessen ausstatten und damit das bestehende KfW-Darlehensprogramm ergaenzen. Im CO2-Gebaeudesanierungsprogramm soll bei zusaetzlichen Massnahmen zum altersgerechten und barrierefreien Umbauen ein Foerderbonus verankert werden. Gemeinschaftliche Wohnformen von aelteren Menschen wollen wir unterstuetzten und modellhaft foerdern. Energieeffizientes Bauen und Sanieren Wir werden das energieeffiziente Bauen und Sanieren als entscheidenden Beitrag zur Energiewende weiter foerdern und wollen dafuer sorgen, dass qualitaetsvolles, energiesparendes Wohnen fuer alle bezahlbar bleibt. Das Wirtschaftlichkeitsgebot, Technologieoffenheit und der Verzicht auf Zwangssanierungen bleiben feste Eckpunkte des Energiekonzepts. Die aktuell geltenden ordnungsrechtlichen Vorgaben werden wir nicht verschaerfen und ihre Wirkungen evaluieren. Neue Technologien fuer noch mehr Gebaeudeenergieeffizienz und zur Steigerung von Erzeugung und Einsatz erneuerbarer Energien im Gebaeudebereich werden wir weiter unterstuetzen. Die staatliche Foerderung der Energieberatung im Gebaeudebereich werden wir fortsetzen und buendeln. Wir werden das Quartier als wichtige Handlungsebene, z. B. fuer dezentrale Stromund Waermeversorgung staerken. Das KfW-Programm zur energetischen Stadtsanierung schreiben wir fort und werben bei den Laendern fuer zusaetzliche Finanzierungsbeitraege. Fuer vom demografischen Wandel besonders betroffene Gebiete wollen wir einen Sanierungsbonus als gezielten Anreiz zur Erhaltung und Schaffung von energetisch hochwertigem und barrierearmen Wohnraum einrichten. Bauqualitaet Zur Sicherung des hohen Niveaus deutscher Bautechnik, Bautechnologien und Baustoffe intensivieren wir die Bauforschung und starten Pilotprojekte, um die wirtschaftlichen Ziele des Bauens mit den Anforderungen der Energiewende, der Baukultur und neuer Technologien staerker zu verbinden. Zusammenhalt der Gesellschaft 117 Unsere Anstrengungen fuer nachhaltiges und innovatives Planen und Bauen wie die Effizienzhaus-Technologie, die in der „Forschungsinitiative Zukunft Bau“ gebuendelt sind, werden wir im engen Dialog mit der Bauund Immobilienwirtschaft ausbauen. Die mit Bundesbauten verbundene Vorbildfunktion nehmen wir wahr – insbesondere bei Baukultur und Energieeffizienz. Die Kompetenzen des Bundesamtes fuer Bauund Raumordnung fuer die baufachliche Betreuung der Hochbaumassnahmen des Bundes staerken wir und entwickeln es zu einem noch leistungsfaehigeren Koordinierungszentrum weiter – vor allem zur Sicherung von Qualitaet, Kostenund Termintreue. Grosse oeffentliche Bauvorhaben muessen in puncto Baukosten und Termintreue wieder verlaesslicher werden. Die eigens eingerichtete „Reformkommission Grossprojekte“ wird 2015 hierzu Vorschlaege vorlegen. Auf dieser Basis werden wir pruefen, welche aenderungen im Planungsrecht, im Vergaberecht, im Haushaltsrecht und in weiteren Anwendungsgebieten vorgenommen werden sollen. Mit einer Baukostensenkungskommission ueberpruefen wir preistreibende und ueberdimensionierte Standards und Kosten von Materialien und Verfahren insbesondere der energetischen Sanierung. Stadtund Regionalentwicklung Staedtebaufoerderung weiterentwickeln Das Erfolgsmodell Staedtebaufoerderung werden wir in gemeinsamer Verantwortung von Bund, Laendern und Gemeinden fortfuehren und im Dialog mit allen an der Stadtentwicklung beteiligten Akteuren weiterentwickeln. Die Bundesmittel hierfuer werden wir jaehrlich erhoehen. Die Programme der Staedtebaufoerderung sollen die Kommunen insbesondere beim demografischen, sozialen und oekonomischen Wandel sowie beim Klimaschutz unterstuetzen. Die Beteiligung der Buergerinnen und Buerger, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteuren sowie die Zusammenarbeit mit privaten Immobilienbesitzern und Wohnungsgesellschaften werden wir ausbauen. Wir vereinfachen die Buendelung mit anderen Foerderprogrammen. Wir stellen sicher, dass auch Kommunen in Haushaltsnotlage nicht von der Foerderung ausgeschlossen sind. Wir werten das Programm Soziale Stadt auf und sichern dort analog zu den anderen Staedtebaufoerderprogrammen den flexiblen Mitteleinsatz. Stadtumbauprogramme Ost und West vereinheitlichen Die bewaehrten Stadtumbauprogramme fuehren wir perspektivisch (unter Beruecksichtigung des Solidarpakts, Korb II) zu einem einheitlichen, inhaltlich aufgewerteten und integrierten Stadtumbauprogramm zusammen. Soziale Stadt: Integration und Teilhabe sichern Das Programm „Soziale Stadt“ werden wir im Rahmen der Staedtebaufoerderung als Leitprogramm der sozialen Integration weiterfuehren. Es bildet die Grundlage fuer eine ressortuebergreifende Strategie „Soziale Stadt“, mit der wir additiv Foerdermittel aus Programmen anderer Ressorts in Gebieten mit erhoehten Integrationsanforderungen buendeln. Zusammenhalt der Gesellschaft 118 Umwelt Der Schutz und die Bewahrung der natuerlichen Schoepfung erhaelt unsere elementare Lebensgrundlage und ist Teil unserer Verantwortung fuer kuenftige Generationen. Umweltschutz ist fuer uns eine Investition in Lebensqualitaet, auf die alle Menschen einen Anspruch haben. Nachhaltigkeit Fuer uns ist die Foerderung einer nachhaltigen Entwicklung grundlegendes Ziel und Massstab des Regierungshandelns. Dies gilt insbesondere fuer eine Post-2015Agenda fuer nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Wir werden uns fuer eine Staerkung der europaeischen Nachhaltigkeitsstrategie einsetzen. Wir verstaerken die nationalen Nachhaltigkeitsziele und setzen sie um, wie etwa im oeffentlichen Beschaffungswesen. Wir wollen „Bildung zur Nachhaltigen Entwicklung“ in allen Bildungsbereichen staerker verankern. Die Ergebnisse der Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualitaet“ des Deutschen Bundestages werden einbezogen. Der Parlamentarische Beirat fuer nachhaltige Entwicklung wird erneut eingesetzt und in seiner Funktion gestaerkt. Die ressortuebergreifende Koordinierung wird ausgebaut. Im Subventionsbericht der Bundesregierung wird staerker ueberprueft, ob die Massnahmen nachhaltig sind. Innovationen fuer mehr Ressourceneffizienz Innovationen im Umweltund Klimaschutz sowie Ressourceneffizienz bieten Wachstumschancen. Wir starten eine „Exportinitiative fuer Umwelttechnologien“. Neue Berufsund Qualifikationsanforderungen, auch im Rahmen der dualen Ausbildung, werden aufgezeigt. Wir erarbeiten ein integriertes umfassendes Umweltprogramm mit der Perspektive 2030, das langfristige Ziele und Schwerpunkte formuliert. Um die Innovationsund Umweltpolitik ressortuebergreifend zu verzahnen, wird der „Masterplan Umwelttechnologien“ fortentwickelt und ein Aktionsplan fuer oeko-Innovationen aufgestellt, der den Eco-Innovation Action Plan der EU national unterlegt. Ressourceneffizienz ist aus oekonomischen, oekologischen und sozialen Gruenden unabdingbar. Wir wollen die beschlossene Verdopplung der Rohstoffproduktivitaet bis 2020 gegenueber 1994 erreichen. Deshalb wird das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm weiterentwickelt, eine Plattform fuer Ressourceneffizienz etabliert. In den Bereichen Ressourceneffizienz und Recycling kommt es darauf an, die uebertragung von Forschungserkenntnissen auf kleine und mittlere Unternehmen sicherzustellen. Wir werden die Ressourceneffizienz durch Beratungsangebote fuer Unternehmen und Haushalte weiter steigern. Wir werden Modelle des Rohstoffmonitorings erproben, die auch die Analyse von Stoffstroemen aus Sekundaerrohstoffen (Schrotte und Produktionsabfaelle) einbeziehen. Wir werden in der Sekundaerrohstoff-Wirtschaft unsere Politik sowohl an Zielen des Klimaund Ressourcenschutzes als auch an den Beduerfnissen der Wirtschaft ausrichten. Ein fairer Wettbewerb um die effizienteste und kostenguenstigste Loesung der Rohstoff-Rueckgewinnung und -Aufbereitung ist hierfuer ein zentrales Element. Die bestehende Recyclingverantwortung fuer Verpackungen werden wir auch fuer Produkte Zusammenhalt der Gesellschaft 119 weiterentwickeln und uns dabei an den Aspekten der CO2-Vermeidung, Verbraucherfreundlichkeit und Kosteneffizienz orientieren. Kreislaufwirtschaft Wir entwickeln die Kreislaufwirtschaft zu einem effizienten Instrument einer nachhaltigen Stoffstromwirtschaft. Wir schaffen rechtliche Grundlagen zur Einfuehrung der gemeinsamen haushaltsnahen Wertstofferfassung fuer Verpackungen und andere Wertstoffe. Anspruchsvolle Recyclingquoten, Wettbewerb und Produktverantwortung werden als Eckpunkte einer modernen Kreislaufwirtschaft gefestigt. Die Europaeische Elektroaltgeraeterichtlinie wird zuegig in nationales Recht umgesetzt, Sammelmengen von Elektround Elektronikschrott erhoeht, Ruecknahmesysteme fuer wieder verwendbare Produkte ausgebaut und die Rueckgabe von Gebrauchtgeraeten erleichtert. Beim Recycling von Produkten der Informationsund Kommunikationstechnik sind Datensicherheit und -schutz zu gewaehrleisten. Zur Eindaemmung der illegalen Ausfuhr von Elektroschrott erfolgt eine Beweislastumkehr. Kuenftig muss der Exporteur nachweisen, dass es sich nicht um Abfaelle handelt. „Gebrauchen aber nicht verbrauchen“ ist das Prinzip beim Umgang mit der begrenzten Ressource Boden. Gemaess der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wollen wir die Flaechenneuinanspruchnahme bis 2020 auf hoechstens 30 ha pro Tag begrenzen. Wir werden u. a. pruefen, wie wir sinnvolle Nutzungsmischungen in innerstaedtischen Gebieten mit begrenztem Flaechenpotential weiter foerdern koennen. Den Modellversuch zum Handel mit Flaechenzertifikaten werden wir weiter begleitet sowie Planungsinstrumente weiterentwickeln und auf Demografiefestigkeit achten. Wir streben an, dass dauerhaft oekologisch aufgewertete Kleingartenanlagen kuenftig als Ausgleichsflaechen anerkannt werden koennen. Naturschutz und biologische Vielfalt Wir wollen den Naturreichtum und die Artenvielfalt unserer Heimat bewahren. Die nationale Biodiversitaetsstrategie wird umgesetzt. Das Nationale Naturerbe wird um mindestens 30.000 ha erweitert und hierfuer Flaechen, die aus der militaerischen Nutzung genommen werden, von der Privatisierung ausgenommen und an interessierte Laender, Umweltverbaende oder -stiftungen uebertragen werden. Damit wird auch dem „zwei Prozent-Wildnis-Ziel“ bis 2020 bzw. dem „fuenf Prozent-Ziel-natuerliche Waldentwicklung“ naeher gekommen. Das Foerderprogramm „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ wird weitergefuehrt. Wir werden uns fuer eine „Alpenstrategie“ einsetzen. Das Nagoya-Protokoll wird schnellstmoeglich ratifiziert und umgesetzt. Die Zusagen zum internationalen Biodiversitaetsschutz werden eingehalten. Wir treten fuer Schutz, Erhalt sowie Wiederaufbau von Waeldern und Waldstrukturen sowie fuer eine damit verbundene Waldfinanzierung ein. Der REDD+ Mechanismus der Klimarahmenkonvention wird weiterentwickelt. Wir verbessern den Wildtierschutz und gehen gegen Wilderei sowie den illegalen Wildtierhandel und deren Produkte vor; Handel mit und private Haltung von exotischen und Wildtieren wird bundeseinheitlich geregelt. Importe von Wildfaengen in die EU sollen grundsaetzlich verboten und gewerbliche Tierboersen fuer exotische Tiere untersagt werden. Die Koalition sorgt gemeinsam mit anderen Staaten fuer einen besseren Vogelschutz entlang der Zugrouten. Zusammenhalt der Gesellschaft 120 Hochwasserschutz Den Fluessen muss wieder mehr Raum gegeben werden. Das nationale Hochwasserschutzprogramm wird vorangetrieben, die Chancen der Entwicklung von Flussauen unter Naturschutzaspekten beruecksichtigt und fuer einen fairen Ausgleich mit Interessen der Landwirtschaft gesorgt. Wir werden einen Bundesraumordnungsplan zum Hochwasserschutz erstellen, in dem laenderuebergreifende Standards hinsichtlich hochwassergefaehrdeter Gebiete, Rueckzugsraeumen, Poldern etc. entwickelt werden. Wir werden bis Ende 2014 mit den Bundeslaendern ein Nationales Hochwasserschutzprogramm unter Koordinierung des Bundes erarbeiten. Schwerpunkt sind ueberregionale Massnahmen fuer praeventiven Hochwasserschutz sowie einheitliche Massstaebe fuer den Hochwasserschutz an unseren Fluessen. Es wird ein Sonderrahmenplan „Praeventiver Hochwasserschutz“ aufgelegt. Fuer den Bau von Hochwasserschutzanlagen werden wir die Moeglichkeiten fuer beschleunigte Planungsund Genehmigungsverfahren ausschoepfen. Hierzu wollen wir gemeinsam mit den Laendern sowohl bundeswie landesrechtliche Regelungen auf den Pruefstand stellen und anpassen. Mit unseren europaeischen Nachbarlaendern werden wir in einen intensiven Dialog zum Hochwasserschutz eintreten. Die Rahmenbedingungen fuer eine Elementarschadensversicherung werden geprueft. Es wird ein Bundesprogramm „Blaues Band“ aufgelegt, um die Renaturierung von Fliessgewaessern und Auen zu foerdern, und ein „Bundeskonzept Gruene Infrastruktur“ als Entscheidungsgrundlage fuer Planungen des Bundes vorgelegt. Das Gesamtkonzept Elbe wollen wir im Ausgleich der oekologischen und oekonomischen Belange umsetzen. Wir wollen den Donau-Ausbau zwischen Straubing und Vilshofen auf Basis der Beschlussvariante der Bayerischen Staatsregierung (ohne Staustufe). Gewaesserund Meeresschutz Der Schutz der Gewaesser vor Naehrstoffeintraegen sowie Schadstoffen soll verstaerkt und rechtlich so gestaltet werden, dass Fehlentwicklungen korrigiert werden. Wir werden die Klaerschlammausbringung zu Duengezwecken beenden und Phosphor und andere Naehrstoffe zurueckgewinnen. Die bundeseinheitliche Regelung des Umgangs mit wassergefaehrdenden Stoffen wird zuegig umgesetzt. Wir werden eine Novelle des Bergrechts unter dem Aspekt des Gewaesserschutzes und die Grundlagen fuer eine unterirdische Raumplanung anstreben. Wir setzen uns fuer ein Schutzgebietsnetz fuer Hochseegebiete und fuer Verhandlungen zu einem internationalen Durchfuehrungsuebereinkommen ein. Die EUMeeresstrategierahmenrichtlinie wird umgesetzt und der gute Umweltzustand in den deutschen Meeresgewaessern bis spaetestens 2020 erreicht werden. Dazu gehoert die Ausweisung von Schutzgebieten, die Bekaempfung der ueberfischung, klare Regeln fuer Tiefseebergbau und oeloder Gasfoerderung aus grossen Tiefen. Fuer die zehn Natura2000-Gebiete wird ein Fischereimanagement verankert, um die Schutzziele zu erreichen. Wir werden die EU-Kommission beim Kampf gegen die Vermuellung der Meere unterstuetzen, insbesondere beim Vorgehen gegen Plastikeintraege. Union und SPD unterstuetzen die Einrichtung von Schutzgebieten in Arktis und Antarktis. Die Haftungsregeln zum Antarktis-Umweltschutzprotokoll werden ratifiziert und innerstaatlich umgesetzt. Zusammenhalt der Gesellschaft 121 Umwelt und Gesundheit Wir wollen die Luftqualitaet verbessern, Schadstoffe bereits an der Quelle mit innovativen Techniken reduzieren und dazu auch die Umruestung mit Russpartikelfiltern fuer Pkw und leichte Nutzfahrzeuge weiter foerdern. Substanzen, die ein Risiko fuer Mensch und Umwelt darstellen, sind in allen Verpackungsmitteln, Kleidung und Alltagsprodukten so weit wie moeglich zu vermeiden. Wir tragen zu einem nachhaltigen globalen Chemikalienmanagement bei. Es wird dafuer gesorgt, dass Stoffe wie endokrine Disruptoren, atemwegsund hautsensibilisierende und toxische Stoffe, deren chronische Wirkung zu Erkrankungen fuehrt, anhand wissenschaftlich begruendeter und klar definierter Kriterien in die Kandidatenliste unter REACH aufgenommen werden. Die staatliche Begleitforschung zu Nanomaterialien ist verstaerkt weiterzufuehren. Der Schutz von Lebensmitteln vor Umweltkontaminanten wird weiter verbessert. Gesundheitliche Gefahren, die von Schaedlingen auf Menschen, Flora und Fauna ausgehen, sollen auf umweltvertraegliche Art und Weise abgewehrt werden und den Gesundheitsschutz der Bevoelkerung beachten. Es wird geprueft, wie der Schutz der Menschen vor nichtionisierender Strahlung, z. B. Ultraschall und Laser, und vor elektromagnetischen Feldern, verbessert werden kann. Landwirtschaft und laendlicher Raum Wir wuerdigen die Leistungen der Landund Ernaehrungswirtschaft in Deutschland fuer die Sicherung einer gesunden Ernaehrung und den Erhalt vielfaeltiger Kulturlandschaften. Unser Ziel ist eine multifunktional ausgerichtete, baeuerlich unternehmerische Landwirtschaft, die ressourcenund umweltschonend produziert, die Tierwohl, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfaehigkeit miteinander verbindet. Leitbild ist eine von Familien betriebene, regional verankerte, flaechendeckende Landwirtschaft unterschiedlicher Strukturen und Produktionsweisen. Sie traegt zur Wertschoepfung, gut bezahlter Arbeit und sicheren Einkommen in den laendlichen Raeumen bei. Umsetzung der Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und Entwicklung laendlicher Raeume Mit der nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik werden wir besonders die wirtschaftliche, soziale und oekologische Entwicklung laendlicher Raeume foerdern. Die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Kuestenschutz wird zu einer „Gemeinschaftsaufgabe laendliche Entwicklung“ weiterentwickelt. Die Foerdermoeglichkeiten des Europaeischen Landwirtschaftsfonds fuer die Entwicklung des laendlichen Raums (ELER) sollen umfassend genutzt werden. Fuer eine integrierte Entwicklung laendlicher Raeume ist es notwendig, Ressortzustaendigkeiten besser zu koordinieren. Innerhalb der Bundesregierung wird ein Schwerpunkt fuer laendliche Raeume, Demografie und Daseinsvorsorge gebildet. Wertschoepfung und Innovation Wir wollen die Agrarforschung besser verzahnen und in den Bereichen Tierwohl, nachhaltige Pflanzenschutzverfahren, Eiweissstrategie und klimaschonende Landwirtschaft staerken. Die Arbeit der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) wird unterstuetzt und verstetigt. Das Themenspektrum der Fachagentur fuer Nachwachsende Zusammenhalt der Gesellschaft 122 Rohstoffe (FNR) wird um den Bereich Nachhaltigkeit erweitert. Wir werden europaeische Forschungsfoerderungsprogramme in Deutschland zielgerichteter koordinieren. Das Bundesprogramm „oekolandbau und andere nachhaltige Formen der Landwirtschaft“ wird verstetigt. Die deutschen Milcherzeuger leisten einen wichtigen Beitrag zur Wertschoepfung in laendlichen Raeumen und zum Erhalt der Kulturlandschaft. Wir setzen den Kurs der Marktausrichtung in der Milchwirtschaft fort. Wir setzen weiterhin auf ein wirksames und verlaessliches Sicherheitsnetz der EU. Die bestehenden Potenziale zur Energieeinsparung im Gartenbau sollen staerker genutzt werden. Der deutsche Weinbau hat eine wichtige Rolle fuer die Erhaltung einer typischen Kulturlandschaft. Wir unterstuetzen die deutschen Winzer bei ihrer Ausrichtung auf erfolgreiche Qualitaetserzeugnisse. Wir werden die Umsetzung der Waldstrategie 2020 vorantreiben und dabei verstaerkt auf die Schutzziele der Biodiversitaetsstrategie setzen. Der Kleinund Kleinstprivatwald wird mit geeigneten Mitteln in die Entwicklung einbezogen. Laenderspezifische Konzepte zur Zielerreichung bleiben unberuehrt. Der Waldklimafonds wird angemessen finanziell ausgestattet. Im Rahmen der Neuordnung des europaeischen Saatgutrechts treten wir dafuer ein, dass die Saatgutvielfalt garantiert wird, die Interessen des nicht kommerziellen Bereichs gewahrt werden und der Zugang zu alten und regionalen Sorten nicht beschraenkt wird. Wir setzen uns dafuer ein, dass es im Rahmen des Nachbaus keine weiteren Einschraenkungen fuer Landwirte und mittelstaendische Pflanzenzuechter gibt. Wir wollen die traditionelle, arbeitsintensive Kuestenfischerei unterstuetzen sowie die Binnenfischerei und die Aquakultur staerken. Die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik wird im Sinne der Ressourcenschonung und des Erhalts der Wettbewerbsfaehigkeit der Fischerei umgesetzt. Besonderen Wert legt die Koalition auf den Schutz der Meeresboeden und Bestaende sowie die Weiterentwicklung der Fangtechnik und Fangmethoden mit dem Ziel der Beifangminderung. Die Koalition wird sich weiterhin fuer ein konsequentes Verbot des Walfangs sowie ein Handelsverbot mit Walfleisch einsetzen. Die Vermarktung regionaler Produkte wird ausgebaut. Das bundesweit einheitliche „Regionalfenster“ zur Kennzeichnung regionaler Produkte wird evaluiert. Auf dieser Grundlage werden gegebenenfalls verbindliche Kriterien festgelegt. Um die behoerdliche ueberpruefung der agrarwirtschaftlichen Exporte hinsichtlich Einhaltung der internationalen Standards sowie spezieller Anforderungen einzelner Drittstaaten zu verbessern, wird dem Bund eine koordinierende Funktion zugewiesen. Die Exportkompetenz des Bundesministeriums fuer Ernaehrung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird gestaerkt. Beim Abschluss biund multilateraler Handelsabkommen ist die verbindliche Einhaltung der hohen europaeischen Standards in den Bereichen Verbraucher-, Tierund Umweltschutz von zentraler Bedeutung. Zusammenhalt der Gesellschaft 123 Ausserlandwirtschaftliche Kapitalinvestoren und Flaechenprivatisierung Wir werden die rechtlichen Instrumentarien der Kontrolle des unmittelbaren und mittelbaren Erwerbs landwirtschaftlicher Flaechen durch nicht-landwirtschaftliche und ueberregionale Investoren pruefen. In Verhandlungen zwischen Bund und Laendern wird geklaert, ob die noch in der Hoheit des Bundes verbliebenen Treuhandflaechen interessierten Laendern uebertragen werden koennen. Die Laender haben damit die Moeglichkeit, ein Existenzgruendungsprogramm unter anderem fuer Junglandwirte zu etablieren. Die uebertragungsbedingungen sind so zu gestalten, dass sie den spezifischen agrarstrukturellen, umweltpolitischen sowie verfassungsund haushaltsrechtlichen Bedingungen gerecht werden. Agrarsoziale Sicherung Wir werden die Reform der Agrarsozialversicherung intensiv begleiten. Dabei wird die Hofabgabeklausel neu gestaltet. Tierschutz und Tiergesundheit Wir nehmen die kritische Diskussion zur Tierhaltung in der Gesellschaft auf und entwickeln eine nationale Tierwohl-Offensive. Sie wird die relevanten Rechtsbereiche – das Tiergesundheitsgesetz und das Tierarzneimittelrecht – sinnvoll in einem einheitlichen Rechtsrahmen zusammenfuehren. Die gesetzlichen Regeln zur Verringerung des Antibiotika-Einsatzes werden unbuerokratisch und praxisnah umgesetzt. Wir werden die Sachkunde der Tierhalter foerdern. Gleichzeitig erarbeiten wir ein bundeseinheitliches Pruefund Zulassungsverfahren fuer Tierhaltungssysteme. Ziel ist es ausserdem, EU-weit einheitliche und hoehere Tierschutzstandards durchzusetzen. Wir streben eine flaechengebundene Nutztierhaltung an. Ziel ist es, eine tiergerechte Haltung in Deutschland zu foerdern. Wir werden ueberdies einen wissenschaftlichen Diskurs ueber Groessen tiergerechter Haltung von Nutztieren auf den Weg bringen.
Wir werden gemeinsam mit den Laendern und den Kommunen die Initiative ergreifen, um das Problem ueberfuellter Tierheime anzugehen. Die Erforschung von Ersatzmethoden zum Tierversuch wird intensiviert und dafuer die personelle und finanzielle Ausstattung der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatzund Ergaenzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) gestaerkt. Ethik und Landwirtschaft Wir treten auf europaeischer Ebene fuer ein Verbot des Klonens von Tieren und des Imports von geklonten Tieren und deren Fleisch ein. Wir streben eine Kennzeichnungspflicht fuer Nachkommen von geklonten Tieren und deren Fleisch an.
Das bestehende Patentierungsverbot auf konventionelle Zuechtungsverfahren, daraus gewonnene Tiere und Pflanzen sowie auf deren Produkte und auf das zu ihrer Erzeugung bestimmte Material soll durchgesetzt und die einschlaegigen europaeischen Vorschriften praezisiert werden. Gruene Gentechnik Wir erkennen die Vorbehalte des Grossteils der Bevoelkerung gegenueber der gruenen Gentechnik an. Zusammenhalt der Gesellschaft 124 Wir treten fuer eine EU-Kennzeichnungspflicht fuer Produkte von Tieren, die mit genveraenderten Pflanzen gefuettert wurden, ein. An der Nulltoleranz gegenueber nicht zugelassenen gentechnisch veraenderten Bestandteilen in Lebensmitteln halten wir fest – ebenso wie an der Saatgutreinheit. Flaechenschutz Um den Verlust landwirtschaftlicher Nutzflaechen weitestgehend zu vermeiden, streben wir den unverzueglichen Erlass einer Bundeskompensationsverordnung an. Duengeund Pflanzenschutzmittel muessen so eingesetzt werden, dass Risiken fuer Mensch, Tier und Naturhaushalt minimiert werden. Wir werden den Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz entschlossen umsetzen. Bei Massnahmen, die landwirtschaftliche Flaechen in Anspruch nehmen, muessen agrarstrukturelle Belange angemessen beruecksichtigt werden. Insbesondere im Rahmen des fuer die Energiewende notwendigen Netzausbaus sind faire Entschaedigungen fuer Grundstueckseigentuemer und -nutzer erforderlich. Bienenmonitoring Zum Erhalt und Ausbau der Bienenhaltung in Deutschland sind gemeinsame BundLaender-Anstrengungen notwendig. Wir fuehren das Deutsche Bienenmonitoring mit dem mehrjaehrigen Untersuchungsprogramm weiter. Agrardiesel Aus Gruenden der Wettbewerbsgleichheit werden wir die Foerderung des Agrardiesels in der jetzigen Form beibehalten und streben eine einheitliche europaeische Regelung ueber die Energiesteuerrichtlinie an. Verbraucherschutz Verbraucher sollen selbstbestimmt entscheiden koennen. Unser Ziel ist ein verbraucherfreundlicher, transparenter Markt, auf dem sichere und gute Produkte unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt und angeboten werden. Verbraucherpolitik hat auch das Ziel, das Vertrauen zwischen Wirtschaft und Verbrauchern zu staerken. Ungleichgewichte im Markt beseitigen wir, indem wir fuer Transparenz, Vergleichbarkeit und Moeglichkeiten einer effektiven Rechtsdurchsetzung sorgen. Unserer Politik liegt ein differenziertes Verbraucherbild zugrunde. Beduerfnisse, Interessen und Wissen der Verbraucher variieren je nach Markt. Wo Verbraucher sich nicht selbst schuetzen koennen oder ueberfordert sind, muss der Staat Schutz und Vorsorge bieten. Zudem muss er die Verbraucher durch gezielte und umfassende Information, Beratung und Bildung unterstuetzen. Dies gilt insbesondere fuer neue Bereiche wie den Finanzmarkt und Digitale Welt. Dafuer wollen wir die bestehenden Verbraucherorganisationen mit einer speziellen Marktwaechterfunktion „Finanzmarkt“ und „Digitale Welt“ beauftragen. Zusammenhalt der Gesellschaft 125 Bessere Organisation des Verbraucherschutzes und Ausbau der Forschung
Wir setzen einen unabhaengigen und interdisziplinaer besetzten Sachverstaendigenrat fuer Verbraucherfragen ein, der durch eine Geschaeftsstelle unterstuetzt wird. Er soll zu wichtigen Verbraucherfragen und Teilmaerkten Stellungnahmen und Empfehlungen formulieren. Im Interesse eines besseren Verbraucherschutzes werden wir darauf hinwirken, dass das Verbrauchervertragsrecht kuenftig verstaendlich, uebersichtlich und in sich stimmig ausgestaltet ist sowie effektiver durchgesetzt werden kann. Informationspflichten muessen sich an den Beduerfnissen der Verbraucher orientieren. Die mit dem Gesetz gegen unserioese Geschaeftspraktiken erzielten Verbesserungen wollen wir nach zwei Jahren evaluieren. Die spezialisierten Verbraucherzentralen informieren die zustaendigen staatlichen Stellen ueber die aus der flaechendeckenden Beratung und Marktbeobachtung gewonnenen Erkenntnisse. Der Verbrauchercheck bei gesetzgeberischen Vorhaben wird ausgeweitet, der Nutzen fuer Verbraucher begruendet und konkret ausgefuehrt. Behoerden soll bei begruendetem Verdacht auf wiederholte Verstoesse gegen Verbraucherrechte eine Pruefpflicht auferlegt werden. Bei Bundesnetzagentur, Bundesanstalt fuer Finanzdienstleistungsaufsicht, Bundeskartellamt und Bundesamt fuer Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wird Verbraucherschutz gleichberechtigtes Ziel ihrer Aufsichtstaetigkeit. Die Zuwendungen an die Stiftung Warentest und den Verbraucherzentrale Bundesverband werden erhoeht. Das Stiftungskapital der Stiftung Warentest wird verstaerkt. Die Stiftung Datenschutz soll in die Stiftung Warentest integriert werden. Europaeisches und internationales Verbraucherrecht Das EU-Verbraucherrecht soll auf Grundlage des Prinzips der Mindestharmonisierung weiterentwickelt werden. Der Grundsatz der Subsidiaritaet muss staerker Beachtung finden. Die Koalition moechte, dass Deutschland das Niveau dieser Mindestregelungen uebertrifft. In Faellen besonderen Nutzens fuer Verbraucher unterstuetzen wir eine Vollharmonisierung. Bei einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA muessen die hohen europaeischen Standards u. a. im Verbraucherund Datenschutz weiter Geltung behalten. Bei der Neuregelung der Fluggastrechteverordnung und des Pauschalreiserechts setzt sich Deutschland fuer den Erhalt des bestehenden Schutzniveaus ein; missbraeuchliche Praktiken wie ueberhoehte Gebuehren fuer Namenswechsel und verloren gegangene Reiseunterlagen werden unterbunden. Die EU-Richtlinie ueber Alternative Streitbeilegung wird zeitnah verbraucherfreundlich umgesetzt und der „Online-Schlichter“ bundesweit einheitlich ausgeweitet. Beste- Zusammenhalt der Gesellschaft 126 hende Schlichtungsmoeglichkeiten werden auf ihre Verbraucherfreundlichkeit ueberprueft. Mehr Transparenz und Unterstuetzung fuer die Verbraucher Wir wollen die Grundlagen fuer ein Label schaffen, das nachhaltige Produkte und Dienstleistungen kennzeichnet und den Lebenszyklus des Produkts einbezieht. Die Koalition prueft, ob beim werblichen Herausstellen besonderer Produkteigenschaften ein Auskunftsanspruch fuer Verbraucher geschaffen wird. Auf EU-Ebene wirken wir darauf hin, dass reparaturfreundliche Massnahmen in die oeko-Design-Richtlinie aufgenommen werden. Zur Verbesserung der Produktsicherheit setzen wir uns fuer ein europaeisches Sicherheitszeichen analog zum deutschen GS-Zeichen und auf EU-Ebene fuer eine verpflichtende Drittpruefung fuer Kinderspielzeug ein. Produktinformationsblaetter sollen auch fuer andere Maerkte wie Telekommunikation und Energie eingefuehrt werden. Die Zweckmaessigkeit und die Verstaendlichkeit von Produktinformationsblaettern und Beratungsprotokollen (Finanzbereich) muessen regelmaessig ueberprueft und Verbesserungen umgesetzt werden, zum Beispiel durch Standardisierung. Die staatlich gefoerderte private Altersvorsorge soll verbraucherfreundlicher werden, zum Beispiel indem die Verwaltungskosten begrenzt werden. Schutz der Verbraucher im Finanzbereich Wir werden die Evaluierung der gesetzlichen Regelungen zur Einfuehrung des Pfaendungsschutzkontos auswerten und insbesondere dafuer Sorge tragen, dass die Kosten fuer ein Pfaendungsschutzkonto nicht unangemessen hoch sind. Die Inanspruchnahme des Dispositionskredits soll nicht zu einer uebermaessigen Belastung eines Bankkunden fuehren. Daher sollen die Banken verpflichtet werden, beim uebertritt in den Dispositionskredit einen Warnhinweis zu geben; bei dauerhafter und erheblicher Inanspruchnahme sollen sie dem Kunden eine Beratung ueber moegliche kostenguenstigere Alternativen zum Dispositionskredit anbieten muessen. Wir werden die Einfuehrung der Honorarberatung als Alternative zu einer Beratung auf Provisionsbasis fuer alle Finanzprodukte vorantreiben und hohe Anforderungen an die Qualitaet der Beratung festlegen. Die Berufsbezeichnungen und Ausbildungsstandards der Berater auf Honorarbasis werden weiterentwickelt. Das in der finanziellen Anlageberatung verwendete Beratungsprotokoll werden wir im Hinblick auf die praktikable Handhabung ueberpruefen und mit Verbesserungen fuer Anleger weiterentwickeln. Schutz der Verbraucher im Energiesektor Wir wollen Regelungen fuer einen besseren Schutz vor Stromund Gassperren, zum Beispiel durch den Einsatz von intelligenten Stromzaehlern mit Prepaid-Funktion. Bei Zusammenhalt der Gesellschaft 127 den Tarifgenehmigungen ist zu beachten, dass Grundversorgertarife angemessen gestaltet sind. Es werden Instrumente entwickelt, um die zugesagte Qualitaet von Energiedienstleistungen und Energieeffizienzinvestitionen aus Sicht der Verbraucher sicherzustellen. Sicherheit, Selbstbestimmung und Transparenz in der digitalen Welt Wir foerdern Innovationen und Techniken, die sicherstellen, dass Profilbildung und darauf basierende Geschaeftsmodelle ohne die Erhebung individualisierter personenbezogener Daten auskommen koennen. Nicht-anonyme Profilbildungen muessen an enge rechtliche Grenzen und die Einwilligung der Verbraucher geknuepft werden. Unternehmen, die Scoringverfahren anwenden, werden verpflichtet, dies der zustaendigen Behoerde anzuzeigen. Wir werden die Rechtsgrundlage dafuer schaffen, dass die Verbraucherverbaende datenschutzrechtliche Verstoesse abmahnen und Unterlassungsklage erheben koennen. Den mobilen Commerce werden wir verbraucherfreundlich ausgestalten, zum Beispiel durch transparente Darstellungsmoeglichkeiten auf mobilen Endgeraeten und Rueckgabemoeglichkeiten von Apps. Wir staerken die Rechte von Verbrauchern bei der Nutzung digitaler Gueter gegenueber der Marktmacht globaler Anbieter. Im Rahmen der Evaluation des Gesetzes gegen unserioese Geschaeftspraktiken wird insbesondere die Wirksamkeit der Streitwertdeckelung bei Abmahnungen gegen Verbraucher auf Grund von urheberrechtlichen Verstoessen im Internet geprueft. Sichere Lebensmittel, transparente Kennzeichnung, gesunde Ernaehrung Die Lebensmittelueberwachung wird die Koalition besser vernetzen und in Deutschland und der EU fuer einheitliche Standards und eine sachgerechte Kontrolldichte sorgen. Verbraucherinformationsgesetz und § 40 Lebensund Futtermittelgesetzbuch (LFGB) werden dahingehend geaendert, dass die rechtssichere Veroeffentlichung von festgestellten, nicht unerheblichen Verstoessen unter Reduzierung sonstiger Ausschlussund Beschraenkungsgruende moeglich ist. Wir werden zum Beispiel im Bereich der Dokumentation und Kennzeichnung darauf achten, dass fuer kleinere, regional taetige Unternehmen unbuerokratische Loesungen gefunden werden, ohne das Schutzniveau zu gefaehrden. Wir setzen uns in der EU fuer ein Tierwohllabel nach deutschem Vorbild und fuer eine verpflichtende Kennzeichnung fuer Produkte von Tieren ein, die mit gentechnisch veraenderten Pflanzen gefuettert wurden. Sie tritt fuer ein Verbot des Klonens zur Lebensmittelherstellung und des Imports von geklonten Tieren sowie fuer eine Kennzeichnungspflicht von Tieren und tierischen Produkten von deren Nachkommen ein. Fuer Lebensmittel muss es eine verpflichtende Kennzeichnung von Herkunft und Produktionsort geben. Die Empfehlungen der Lebensmittelbuchkommission muessen sich staerker am Anspruch der Verbraucher nach „Wahrheit und Klarheit“ orientieren. Zusammenhalt der Gesellschaft 128 Die Koalition wird bestehende Initiativen zur Ernaehrung und Gesundheit evaluieren und die erfolgreichen verstetigen. 4.3. Kultur, Medien und Sport Kultur Kulturfoerderung im foederalen System Kunstund Kulturfoerderung ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Laendern und Kommunen, die diese in ihrer jeweils eigenen Zustaendigkeit wahrnehmen.
Den Kulturhaushalt des Bundes wird die Koalition auf hohem Niveau weiterentwickeln. Kultur ist keine Subvention, sondern eine Investition in unsere Zukunft. Bund und Laender sollten bei der Planung und Finanzierung kuenftig intensiver und systematischer zusammenwirken (kooperativer Kulturfoederalismus). Dazu soll ein regelmaessiger Austausch zwischen Bund, Laendern und Kommunen etabliert werden. Die Kulturstiftungen des Bundes und der Laender sind einzubeziehen. Der Bund foerdert national bedeutsame Kultureinrichtungen. Fuer eine Bundesbeteiligung sind Foerderkriterien zu erarbeiten, um eine systematisch und eindeutig strukturierte Foerderkulisse zu erreichen. Fuer die bisher gefoerderten Einrichtungen bedarf es langfristiger Finanzierungsperspektiven auch ueber 2019 hinaus. Die Koalition wird das Programm „Invest Ost – Investitionen fuer nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutschland“ fortsetzen. Die Foerderung folgender national bedeutsamer Kulturorte soll vorrangig geprueft werden: Romantikmuseum in Frankfurt am Main, Schaumagazin fuer Kuenstlernachlaesse in der Abtei Brauweiler (NRW), Residenzschloss Dresden und Internationales Tanzzentrum Pina Bausch. Angesichts des rasanten gesellschaftlichen Wandels (Demografie, Digitalisierung, Integration etc.) sollte die kulturelle Infrastruktur in Deutschland fortentwickelt, modernisiert und an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Barrierefreiheit kultureller Einrichtungen und Baudenkmaeler. Gemeinsam mit den Laendern will die Koalition neue Arbeitsformen und Kooperationsmodelle entwickeln, um die Potenziale des demografischen Wandels im Kulturbereich aufzuzeigen und die identitaetsstiftende Wirkung von Kunst und Kultur herauszustellen. Der Analyse, dem Austausch und der Reflexion dienen eine verstaerkte Kulturpolitikforschung und eine gegebenenfalls gesetzlich zu sichernde Kulturstatistik. Dazu gehoert auch die Weiterentwicklung einer qualifizierten Besucherforschung, die wertvolle Rueckmeldungen zu kuenstlerischen Angeboten gibt. Die Kulturlandschaft in Deutschland zeichnet sich durch kulturelle Vielfalt und viele freie Initiativen und Projekte aus, die immer wieder neu anzuregen und zu vitalisieren sind. Das Engagement des Bundes fuer die Foerderung der freien, zeitgenoessischen Zusammenhalt der Gesellschaft 129 und darstellenden Kunst und Kultur ist vor allem auch im Hinblick auf interkulturelle Belange zu verstaerken. Der Kulturstiftung des Bundes (KSB) kommt als Foerderin und als Dachorganisation fuer die Zuwendungen an die Kulturfonds eine wesentliche Rolle zu, die weiter gestaerkt werden soll. Die Koalition will zudem die Autonomie und die Arbeit der bestehenden Fonds finanziell verstaerken. Mit der Musikfoerderung des Bundes will die Koalition den Ansatz einer konzeptorientierten Kulturfoerderung weiterentwickeln. Die Gruendung eines Musikfonds auf Bundesebene fuer die Entwicklung der zeitgenoessischen Musikkultur hilft, eine Luecke im Foerdersystem zu schliessen. Auch die Foerderung des Bundes fuer die innovative und international ausstrahlende Kunstform Tanz soll im Dialog mit den Laendern fortgesetzt und im Rahmen eines zeitgemaessen, nachhaltig wirkenden Foerderprogramms weiter entwickelt werden. Die besondere Verantwortung des Bundes in Berlin ist eine dauerhafte Aufgabe, der Hauptstadtfinanzierungsvertrag ist langfristig auszugestalten. Die Koalition wird mit dem Land Berlin einen Folgevertrag fuer den Ende 2017 auslaufenden Hauptstadtfinanzierungsvertrag vereinbaren, mit dem weiterhin alle grundsaetzlichen Fragen der gesamtstaatlichen Repraesentation des Bundes in der Hauptstadt und die damit verbundene Kulturfinanzierung einvernehmlich und verbindlich auf der Grundlage des Art. 22 Abs. 1 GG geregelt werden. Mit dem Berliner Schloss/Humboldtforum erhaelt Berlin einen zentralen staedtebaulichen Ankerpunkt zurueck. Die Arbeiten werden zuegig fortgesetzt. Der Bund wird die Stiftung Berliner Schloss/Humboldtforum bei ihrem Werben um Spenden weiter unterstuetzen.) Um den spaeteren Gebaeudebetrieb des Humboldt-Forums zu gewaehrleisten, die Bespielung des Hauses angemessen vorzubereiten und nach uebergabe an die Nutzer ein anspruchsvolles Kulturprogramm fuer alle zu ermoeglichen, wird die Koalition die Weiterentwicklung des Nutzungskonzeptes begleiten und dafuer in der Finanzplanung rechtzeitig die erforderlichen Mittel etatisieren. Die Koalition wird die Arbeit der Stiftung Preussischer Kulturbesitz staerken und die Stiftung Preussische Schloesser und Gaerten weiter unterstuetzen. Die Koalition bekennt sich zu dem Ziel, jedem Einzelnen unabhaengig von seiner sozialen Lage und ethnischen Herkunft gleiche kulturelle Teilhabe in allen Lebensphasen zu ermoeglichen. Kultur fuer alle umfasst Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit sowie interkulturelle oeffnung. Diese Grundsaetze sind auch auf die vom Bund gefoerderten Einrichtungen und Programme zu uebertragen. Kulturelle Bildung ist unverzichtbar fuer die Persoenlichkeitsentwicklung insbesondere junger Menschen, ihre sozialen Kompetenzen und fuer die gesellschaftliche Teilhabe. Dies schliesst auch Medienbildung mit ein. Dafuer bedarf es eines ausgewogenen Verhaeltnisses zwischen verlaesslicher Strukturfoerderung und innovativer Projektfoerderung. Das Programm „Kultur macht stark – Buendnisse fuer die Bildung“ soll auf seine Effizi- Zusammenhalt der Gesellschaft 130 enz ueberprueft, mit dem Kulturbereich und den Laendern abgestimmt und inhaltlich weiterentwickelt werden. Gedenken und Erinnern, kulturelles Erbe, Baukultur Das historische Gedaechtnis und insbesondere die Aufarbeitung der juengeren Geschichte unseres Landes bleiben dauerhafte Aufgaben. Unser Bewusstsein fuer Freiheit, Recht und Demokratie ist gepraegt durch die Erinnerung an NS-Terrorherrschaft, an Stalinismus und SED-Diktatur, aber auch durch positive Erfahrungen deutscher Demokratiegeschichte. Das bewaehrte Gedenkstaettenkonzept des Bundes ist weiterzuentwickeln. Besondere Bedeutung misst die Koalition der Zeitzeugenarbeit, der politischen Bildung sowie der Wirkung authentischer Orte bei. Die Gedenkstaette Geschlossener Jugendwerkhof Torgau wird in die institutionelle Foerderung des Bundes aufgenommen. Das im Gedenkstaettenkonzept enthaltene Themenfeld Opposition und Widerstand setzt die Koalition unter anderem um, indem das von der Robert-HavemannGesellschaft bewahrte Archiv der DDR-Opposition und die Open-Air-Ausstellung „Friedliche Revolution 1989" dauerhaft gesichert werden. Die Koalition unterstuetzt das Vorhaben, die ehemalige Stasi-Zentrale in BerlinLichtenberg kuenftig als Ort der Aufklaerung ueber Diktatur und Widerstand zu nutzen und fortzuentwickeln. Sie unterstuetzt auch den Umzug des Alliierten-Museums an den ehemaligen Flughafen Berlin Tempelhof. Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und den Widerstand gegen das NS-Regime auch in seiner europaeischen Dimension werden wir wachhalten. Dem systematischen Voelkermord an den europaeischen Juden sowie an anderen Voelkern und Gruppen wird in der deutschen Erinnerungskultur immer eine ausserordentliche Bedeutung zukommen. Bis heute ist der Verbleib von Kunstund Kulturguetern, die Eigentuemer aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten verloren haben, nicht vollstaendig geklaert. Die Folgen nationalsozialistischer Unrechtsmassnahmen bestehen fort. Um dem Anspruch bei der Restitution NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus juedischem Besitz, gerecht zu werden, will die Koalition die Mittel fuer die Provenienzforschung verstaerken. Die Koalition wird die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Ministerien und Bundesbehoerden vorantreiben. In einer Bestandsaufnahme soll der aktuelle Forschungsstand und bestehende Forschungsbedarf auf Bundesebene zur Aufarbeitung der fruehen Nachkriegsgeschichte von Ministerien und Behoerden in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR ermittelt werden. Angesichts der enormen Wissensdefizite bei Jugendlichen ueber die beiden deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert gilt es, wirksame Mittel fuer eine bessere Wissensvermittlung wie die schulische und ausserschulische politische Bildung zu nutzen. Authentischen Orten, wie beispielsweise dem ehemaligen „Reichsparteitagsgelaende“ in Nuernberg, kommt eine wesentliche Funktion fuer die Geschichtskultur in Zusammenhalt der Gesellschaft 131 Deutschland zu, die gemeinsam mit dem jeweiligen Land erhalten und genutzt werden soll. In der kommenden Legislaturperiode werden wir u. a. den 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges, 25 Jahre Mauerfall und Deutsche Einheit, das Gedenken an 70 Jahre Befreiung der Konzentrationslager, Ende des Zweiten Weltkrieges und 80 Jahre „Nuernberger Gesetze“ angemessen begehen. Die Koalition wird die Arbeit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur finanziell stabilisieren. Die Restitution von Kunstund Kulturgut, das von Behoerden in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone/DDR den rechtmaessigen Eigentuemern entzogen wurde, ist eine noch nicht abgeschlossene Aufgabe. Zur Klaerung der Ansprueche frueherer Eigentuemer muss auch in diesen Faellen die Provenienzforschung verstaerkt werden. Die Koalition will das Verstaendnis fuer unsere gemeinsame europaeische Geschichte weiterentwickeln und begruesst das Projekt „Europaeisches Kulturerbe-Siegel“. Das Europaeische Netzwerk Erinnerung und Solidaritaet kann mit anderen europaeischen Partnern den Nukleus dafuer bilden, Erinnerung und Gedenken im Geiste europaeischer Versoehnung und Demokratie, Austausch und gemeinsame Projekte zu vertiefen. Dabei wird die Koalition das Netzwerk unterstuetzen. Die Foerderung des kulturellen Erbes der Deutschen im oestlichen Europa gemaess § 96 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) ist ein Beitrag zur kulturellen Identitaet Deutschlands und Europas. Mit dem Ziel verstaerkter europaeischer Integration soll auch die „Konzeption 2000“ der Kulturfoerderung des Bundes nach § 96 BVFG angepasst und weiterentwickelt sowie die Umsetzung der Konzeption der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versoehnung (SFVV) erfolgen. Die Koalitionsparteien stehen zur gesellschaftlichen wie historischen Aufarbeitung von Zwangsmigration, Flucht und Vertreibung. Wir bekraeftigen unsere Verbundenheit mit den deutschen Minderheiten in Mittelund Osteuropa sowie mit den im Ausland lebenden Deutschen. Die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Die entsprechende Koordinierungsstelle bei der Staatsbibliothek zu Berlin wird auf Basis einer bereits geplanten Evaluierung und in Abstimmung mit den Laendern, gegebenenfalls ueber ein Bund-Laender-Foerderprogramm, ueber 2015 hinaus fortgefuehrt. Wir wollen einen breiten gesellschaftlichen Dialog zu baukulturellen Fragen foerdern – auch zu Bauvorhaben des Bundes. Die Bundesstiftung Baukultur als hierfuer wichtigen Partner wollen wir staerken. Auch der der Erhalt von Denkmaelern ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Der Bund wird die Denkmalschutz-Sonderprogramme sowie das Programm „National wertvolle Kulturdenkmaeler“ fortsetzen. Die Koalition setzt sich fuer ein „Europaeisches Jahr fuer Denkmalschutz“ ein. Die fuer die Baukultur und den Denkmalschutz bereitgestellten Mittel werden wir auf sachgerechtem Niveau fortfuehren. An der steuerlichen Foerderung von Baudenkmaelern und Gebaeuden in Sanierungsgebieten und staedtebaulichen Entwicklungsbereichen halten wir fest. Zusammenhalt der Gesellschaft 132 Zu den herausragenden internationalen Staetten unserer Denkmalschutzlandschaft zaehlen die UNESCO-Welterbestaetten. Der Bund wird den dafuer zustaendigen Laendern bei deren Pflege und Erhaltung weiterhin ein verlaesslicher Partner sein. Das bewaehrte „Investitionsprogramm Nationale UNESCO-Welterbestaetten“ soll in der Verantwortung der entsprechenden Ressorts fortgefuehrt und die Koordinierungsstelle Welterbe personell verstetigt werden. Mit der Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes will die Koalition ein, den Kulturgutschutz staerkendes, kohaerentes Gesetz schaffen, um sowohl illegal ausgefuehrtes Kulturgut anderer Staaten effektiv an diese zurueckzugeben, als auch deutsches Kulturgut besser vor Abwanderung ins Ausland zu schuetzen. Im Zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Kulturgueter aus Deutschland als „Beutekunst“ nach Russland und in andere Staaten, vor allem in Mittelund Osteuropa, verbracht. Ihre Rueckfuehrung ist und bleibt ein wichtiges Ziel der Bundesregierung. Das Bauhaus-Jubilaeum im Jahre 2019 wird als Ereignis von nationaler und weltweiter Strahlkraft auch durch den Bund unterstuetzt. Wir werden bei den drei BauhausEinrichtungen Stiftung Bauhaus-Dessau, Klassik-Stiftung Weimar und BauhausArchiv Berlin die notwendigen baulichen Voraussetzungen schaffen. Der Bund wird sich gemeinsam mit den im Bauhaus-Verbund zusammengeschlossenen Laendern an der Vorbereitung des Bauhaus-Jubilaeums beteiligen. Der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven im Jahr 2020 bietet herausragende Chancen fuer die Kulturnation Deutschland im Inund Ausland. Deshalb ist die Vorbereitung dieses wichtigen Jubilaeums eine nationale Aufgabe. Die Koalition wird das Bundesarchivgesetz novellieren, insbesondere durch Verbesserung der Nutzerund Wissenschaftsfreundlichkeit. Das Bundesarchiv muss in die Lage versetzt werden, die E-Verwaltung einfuehren zu koennen. Soziale Absicherung von Kuenstlern Die Koalition wird sich in der kommenden Legislaturperiode fuer die soziale Absicherung von Kreativen und Kuenstlern einsetzen und fuer weitere Verbesserungen sorgen. Luecken in der sozialen Absicherung von Kuenstlern werden wir identifizieren und Loesungen entwickeln. Wir werden die Kuenstlersozialkasse erhalten und durch eine regelmaessige ueberpruefung der Unternehmen auf ihre Abgabepflicht hin dauerhaft stabilisieren. Dafuer muessen wir einen weiteren Anstieg der Kuenstlersozialabgabe verhindern. Dies setzt voraus, dass alle abgabepflichtigen Unternehmen ihren Beitrag leisten. Ein effizientes Pruefverfahren soll die Belastungen fuer Wirtschaft und Verwaltungen minimieren und Abgabegerechtigkeit herstellen. Dabei wollen wir auch die Abgrenzung von ehrenamtlicher und kuenstlerischer Taetigkeit schaerfen. Zusammenhalt der Gesellschaft 133 Reform des Urheberrechts Wir wollen das Urheberrecht den Erfordernissen und Herausforderungen des digitalen Zeitalters anpassen. Dabei werden digitale Nutzungspraktiken beruecksichtigt. Ziel muss ein gerechter Ausgleich der Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern sein. Damit der Wert kreativer Leistungen staerker in den Mittelpunkt der Urheberrechtsdebatte rueckt, muss das Bewusstsein fuer den Wert geistigen Eigentums in der Gesellschaft gestaerkt werden. Die Koalition will deshalb entsprechende Massnahmen unterstuetzen. Zum effektiveren Schutz von Markeninhabern, Urhebern und anderen Kreativen vor Rechtsverletzungen im weltweiten digitalen Netz streben wir den Ausbau verbindlicher europaeischer und inter-nationaler Vereinbarungen an. Alle Massnahmen zum Schutz geistigen Eigentums muessen verhaeltnismaessig sein. Als wesentlichen Beitrag zum Schutz der Verbraucher und zur Eindaemmung von massenhaften Rechtsverletzungen sehen wir die Diensteanbieter im Internet staerker in der Verantwortung. Wir wollen die Rechtsdurchsetzung insbesondere gegenueber Plattformen verbessern, deren Geschaeftsmodell im Wesentlichen auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaut. Wir werden dafuer sorgen, dass sich solche Diensteanbieter nicht laenger auf das Haftungsprivileg, das sie als sogenannte Hostprovider geniessen, zurueckziehen koennen und insbesondere keine Werbeeinnahmen mehr erhalten. Um Rechtsverletzungen vorzubeugen, werden wir die Medienkompetenz der Internetnutzer staerken und sie besser in die Lage versetzen, zwischen legalen und illegalen Angeboten im Netz zu unterscheiden. Wir wollen die kollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften staerken und insbesondere die Aufsicht ueber die Verwertungsgesellschaften effektiver ausgestalten. Wir wollen Verhandlungen und Streitigkeiten ueber die Hoehe der Privatkopieverguetung schneller, effizienter und einfacher gestalten und werden eine Hinterlegungspflicht fuer gesetzliche Verguetungsansprueche einfuehren. Um die Position des Urhebers zu verbessern und Kreativen eine angemessene Verguetung zu ermoeglichen, bedarf es einer ueberarbeitung des Urhebervertragsrechts. Dabei muessen wir feststellen, ob Verhandlungsbzw. Konfliktloesungsmechanismen effizient genug ausgestaltet sind und ob das Verfahren insgesamt beschleunigt werden muss sowie die Verbindlichkeit des Schlichtungsverfahrens zu verbessern ist. Wir bekennen uns zur Vertragsfreiheit im Urheberrecht und sind uns bewusst, dass Inhalte oft unter (impliziten) Nutzungsbestimmungen angeboten werden. Gleichzeitig ist das Interesse der Verbraucher an einer langfristigen und geraeteunabhaengigen Nutzung ihrer legal erworbenen digitalen Inhalte zu beruecksichtigen. Unser Ziel ist es daher, die Portabilitaet gekaufter Inhalte zu ermoeglichen und zu foerdern. Geprueft werden soll zudem, wie urheberrechtlich sichergestellt werden kann, dass Technologiebrueche bei der Weiterversendung von Rundfunksignalen vermieden werden koennen. Zusammenhalt der Gesellschaft 134 Wir werden den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung und Bildung staerker Rechnung zu tragen und eine Bildungsund Wissenschaftsschranke einfuehren. Wir werden pruefen, ob den oeffentlichen Bibliotheken gesetzlich das Recht eingeraeumt werden sollte, elektronische Buecher zu lizensieren. Wir werden eine umfassende Open Access Strategie entwickeln, die die Rahmenbedingungen fuer einen effektiven und dauerhaften Zugang zu oeffentlich finanzierten Publikationen und auch zu Daten (open data) verbessert. Die Veraenderung der Medienwelt hat auch Folgen fuer die Printmedien, jedoch bleiben die Gruende fuer steuerliche Erleichterungen – Kulturund Medienangebote als Teil der Daseinsvorsorge – auch in der digitalen Welt die gleichen. Den verminderten Mehrwertsteuersatz fuer Buecher, Zeitungen und Zeitschriften will die Koalition beibehalten; er soll in Zukunft auch fuer Hoerbuecher gelten. Auf europaeischer Ebene wird die Koalition darauf hinwirken, dass auf E-Books, E-Paper und andere elektronische Informationsmedien kuenftig der ermaessigte Mehrwertsteuersatz Anwendung finden kann. Essentiell fuer die Erhaltung der Vielfalt der Buecher und Buchhandlungen ist die Buchpreisbindung, die europarechtlich auch im Hinblick auf E-Books abzusichern ist. Die Koalition wird auch in Zukunft an den Steuererleichterungen fuer kulturelle Leistungen festhalten und den bestehenden Standard der Steuererleichterungen fuer gemeinnuetzige Einrichtungen bewahren. Die Koalition wird pruefen, ob weitere Umsatzsteuererleichterungen fuer kuenstlerische Berufe moeglich sind. Medien Unabhaengige und vielfaeltige Medien sind Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie. Es ist deshalb erklaertes Ziel der Koalition, die Medienfreiheit, -vielfalt und unabhaengigkeit zu sichern. Die Digitalisierung und die damit einhergehende Konvergenz der Medien praegen die aktuelle Entwicklung der Medienwelt. Dabei soll nicht der Verbreitungsweg, sondern der Inhalt ueber das Regulierungsregime entscheiden. Deshalb unterstuetzt der Bund die Bemuehungen der Laender um eine der Medienkonvergenz angemessene Medienordnung. In diesem Zusammenhang setzt sich die Koalition fuer eine im Anschluss an die Vorarbeit der Laender einzusetzende zeitlich befristete Bund-Laender-Kommission ein, um erforderliche Kompatibilitaetsregeln und daran anknuepfende Anpassungen zum Beispiel an den Schnittstellen Medienaufsicht, Telekommunikationsrecht und Wettbewerbsrecht – zu erarbeiten. Insbesondere aufgrund europaeischer und internationaler Entwicklungen im Medienbereich ist es wichtig, mit einer abgestimmten und starken Stimme zu sprechen. Deshalb ist es notwendig, dass deutsche Interessen konsequent und in enger Abstimmung zwischen Bund und Laendern in Bruessel vertreten werden. Im Wissen um die Zustaendigkeit der Laender bekennt sich die Koalition zur dualen Medienordnung. Die Koalition will faire Wettbewerbschancen fuer alle Medienanbieter. Deshalb wollen wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen privatwirtschaftlicher Medienproduktion staerken. Sie setzt sich fuer das Prinzip der Plattformneutralitaet ein, d. h. bei Distributionsplattformen fuer Rundfunk und Telemedien insbesondere bei marktbeherrschenden Plattformbetreibern sind eine diskriminierungsfreie Informationsuebermittlung und der neutrale Zugang zu Inhalten sicherzustellen. Private und oef- Zusammenhalt der Gesellschaft 135 fentlich-rechtliche audiovisuelle Medienangebote und journalistisch-redaktionelle Inhalte, die einen Beitrag im Sinne des Public Value leisten, sollen einen diskriminierungsfreien Zugang zu Distributionswegen und eine herausgehobene Auffindbarkeit erhalten. Die Koalition wird sich fuer eine Revision der Richtlinie ueber audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) einsetzen, die den Entwicklungen einer konvergenten Medienwelt gerecht wird und u. a. Werberegeln dereguliert. Im Bereich Online-Werbung unterstuetzen wir die Selbstregulierungsansaetze der Branche. Es ist zu pruefen, inwieweit das Kartellrecht den aktuellen Entwicklungen im Sinne der Konvergenz anzupassen ist. Dabei darf die Wettbewerbsfaehigkeit unserer Medienunternehmen im internationalen Vergleich nicht beeintraechtigt werden. Bei der Frequenzplanung (Digitale Dividende II) werden wir auf nationaler und europaeischer Ebene im Einvernehmen mit den Laendern die Belange des hiervon betroffenen Rundfunks (DVB-T) und die Interessen der Nutzer drahtloser Produktionsmittel (z. B. in Kultureinrichtungen) beruecksichtigen. Die fuer den Umstieg auf DVB-T2 notwendigen Voraussetzungen muessen erhalten bleiben. Die Deutsche Welle ist eine wichtige Stimme Deutschlands in der Welt und muss dauerhaft und spuerbar gestaerkt werden. Die von Bund und Laendern im Sommer 2013 vereinbarte grundlegende Verstaerkung der Kooperation zwischen Deutscher Welle und ARD, ZDF und Deutschlandradio muss gerade im Informationsbereich umgesetzt werden. Journalistisch-redaktionell verantwortete Medien sind von zentraler Bedeutung fuer Demokratie, Informationsfreiheit und Meinungsbildung und zwar unabhaengig von der technologischen Verbreitung. Die Koalition unterstuetzt eine Initiative der Laender zur Wiedereinfuehrung des „amtlichen Presseausweises“. Die vielfaeltigen und wichtigen Initiativen der Bundeszentrale fuer politische Bildung insbesondere zur Staerkung des (Lokal-)Journalismus werden fortgesetzt und weiterentwickelt. Die Koalition will gemeinsam mit den Verlagen sowie Journalistinnen und Journalisten das Bewusstsein fuer den Wert und die Bedeutung von Zeitungen und Zeitschriften als Kulturgut in der Gesellschaft verankern. Wir wollen die Angebotsvielfalt in diesem Bereich, insbesondere auch auf regionaler Ebene, erhalten. Verlage und Journalisten brauchen verlaessliche Rahmenbedingungen von Seiten der Politik. Wir halten das Presse-Grosso als neutralen Vertriebsweg fuer unverzichtbar. Es darf durch europaeische Rechtsentwicklungen nicht beeintraechtigt werden. Wir werden uns bei den Laendern fuer eine presserechtliche Verankerung des Presse-Grosso einsetzen. Gemeinsam mit den Laendern wird der Bund die Mediendatenbank fortentwickeln und die Fortsetzung der Pressestatistik als Medienstatistik unterstuetzen. Zusammenhalt der Gesellschaft 136 Die Koalition will unabhaengige Buchhandlungen in ihrer Funktion als Ort der kulturellen Vermittlung und Begegnung und angesichts der stetigen Zunahme des durch grosse Marktakteure gepraegten Versandbuchhandels staerken, z. B. durch die Einfuehrung eines jaehrlichen Preises fuer besonders innovative und kulturell ausgerichtete Geschaeftsmodelle. Unser nationales Filmerbe muss dauerhaft gesichert und auch im digitalen Zeitalter sichtbar bleiben. Es bedarf hierfuer neben einer Digitalisierungsfoerderung des Bundes auch der Beteiligung der Laender und der Filmwirtschaft. Die Stiftung Deutsche Kinemathek ist als eine der zentralen Einrichtungen zur Bewahrung und Zugaenglichmachung des deutschen Filmerbes zu staerken. Die Koalition wird auch das Bundesarchiv personell und finanziell staerken. Der Deutsche Filmfoerderfonds (DFFF) hat in den vergangenen Jahren massgeblich zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Filmwirtschaft in Deutschland beigetragen und die internationale Wettbewerbsfaehigkeit des Produktionsstandorts Deutschland nachhaltig verbessert. Um die deutsche Filmwirtschaft zu staerken, werden wir die bisher geltende zeitliche Befristung des DFFF aufheben und das erfolgreiche Foerderprogramm fortsetzen. Die Koalition wird im Zuge der anstehenden Novellierung des Filmfoerderungsgesetzes (FFG) die Wirkung einzelner Instrumente der Filmfoerderung mit dem Ziel evaluieren, das FFG „zukunftsfest“ zu machen. Wir werden bei allen Verantwortlichen dafuer werben, die Staerkung des deutschen Kinderfilms zu einer Schwerpunktaufgabe zu machen. Wir wollen unsere vielfaeltige Kinolandschaft im Ganzen erhalten. Wir wollen in das erfolgreiche Foerderprogramm zur Digitalisierung auch solche Kinos einbeziehen, die als Kulturort eine besondere Funktion wahrnehmen und bisher die Mindestfoerdervoraussetzungen nicht erfuellen konnten. Digitale Medien Deutschland soll sich zu einem digitalen Kulturland weiterentwickeln. Unser kulturelles Erbe muss digitalisiert werden, um es fuer die kommenden Generationen zu sichern. Eine wichtige Aufgabe zur Sicherung unseres kulturellen Erbes uebernimmt die Deutsche Digitale Bibliothek als deutscher Beitrag zur europaeischen digitalen Bibliothek Europeana. Der Bund ist sich der Verantwortung fuer die digitale Erschliessung der kulturellen und wissenschaftlichen ueberlieferungen bewusst und treibt auf dieser Grundlage mit den Laendern und Kommunen eine abgestimmte Digitalisierungsstrategie voran. Die vom Bund gefoerderten Einrichtungen muessen in die Lage versetzt werden, ihre Bestaende einzubringen. Medienkompetenz ist eine elementare Schluesselkompetenz in unserer digitalen Gesellschaft und grundlegende Voraussetzung fuer einen selbstbestimmten Umgang mit den Medien und dem Netz fuer alle Generationen. Sie eroeffnet auch im Zusammenwirken mit Buergermedien Chancen der medialen Teilhabe und des Netzes und sen- Zusammenhalt der Gesellschaft 137 sibilisiert den Nutzer fuer moegliche Risiken. Die bisherigen Initiativen des Bundes sollen – unter Wahrung der Kompetenzen der Laender und in enger Abstimmung mit diesen – fortgesetzt und verstetigt werden. Initiativen wie das „Netz fuer Kinder“ / „Frag Finn“ ermoeglichen Kindern einen sachkundigen Umgang mit dem Internet. Die „Nationale Initiative Printmedien“ soll weiterentwickelt werden und insbesondere die Medienkompetenzvermittlung von Kindern und Jugendlichen in den Blick nehmen. Kinder und Jugendliche sollen die Chancen und Moeglichkeiten, die ihnen das Internet bietet, optimal nutzen koennen, ohne mit fuer sie schaedigenden Inhalten konfrontiert zu werden. Moderner Jugendmedienschutz muss Rahmenbedingungen fuer eine gemeinsam getragene Verantwortung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft schaffen. Im Dialog sind neue Instrumente fuer einen wirksamen Jugendmedienschutz zu entwickeln. Die Daten von Kindern und Jugendlichen in den sozialen Medien muessen besonders geschuetzt werden. Fuer einen wirksamen gesetzlichen Kinderund Jugendschutz ist eine Angleichung der gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Kindern unabhaengig vom Verbreitungsweg der digitalen Medien anzustreben. Dabei sollten die heute geltenden hohen Jugendschutzstandards fuer Traegermedien als Orientierung dienen. Im Zentrum fuer Kinderschutz im Internet (I-KiZ) arbeiten die Beteiligten zusammen an einer Gesamtstrategie, die Regulierung, Anbieterverantwortung und die Staerkung der Medienkompetenz miteinander verbindet und internationale Zusammenarbeit sicherstellt. Digitale Spiele praegen den Alltag vieler, insbesondere juengerer Menschen in unserem Land. Wir erkennen die Vielfalt hochwertiger Angebote, insbesondere paedagogisch wertvoller Computerspiele, sowie die grosse kreative Leistung und hohe technische Kompetenz der Spieleentwickler an. Dies wollen wir weiter foerdern, beispielsweise mit dem Deutschen Computerspielpreis. Diesen wollen wir zeitgemaess weiterentwickeln. Die gemeinsam durch den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung und die Computerspielewirtschaft initiierte und mittlerweile gegruendete Stiftung Digitale Spielekultur soll gemeinsam mit den Marktteilnehmern weiter ausgebaut werden, um in den Schwerpunkten Wirtschaft und Ausbildung, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur sowie Forschung und Wissenschaft neue Impulse setzen zu koennen. Wir wollen zudem das digitale Spiel fuer nachfolgende Generationen erhalten. Es gilt, geeignete Archivierungsmoeglichkeiten zu pruefen. Sport Sport hat eine herausragende gesellschaftspolitische Bedeutung und stellt die groesste Buergerbewegung Deutschlands dar. Die Bundesregierung versteht sich als fairer Partner des organisierten Sports. Wir wollen, dass Deutschland eine erfolgreiche Sportnation bleibt. Im Spitzensport verbessern wir die Rahmenbedingungen fuer hochqualifizierte Trainerinnen und Trainer durch gute Arbeitsbedingungen und langfristigere Perspektiven. Wir setzen uns dafuer ein, die Sportfoerderung mit Blick auf die Mittelvergabe fuer alle oeffentlich und nachvollziehbar zu gestalten. In einer Sportoffensive Bildung und Beruf im Sinne der „Dualen Karriere“ setzen wir uns gemeinsam mit den Bundeslaendern bei Hochschulen und Arbeitgebern fuer bessere Bedingungen bei der Vereinbarkeit von Studium, Ausbildung oder Arbeit mit dem Spitzensport ein. Wir machen uns dafuer stark, dass eine attraktive, ausgewogene und bedarfsorientierte Zusammenhalt der Gesellschaft 138 Infrastruktur fuer den Spitzen-, Leistungsund Breitensport erhalten bleibt. Die Interessen des Sports sind in immissionsschutzrechtlichen Konfliktlagen angemessen zu beruecksichtigen. Deshalb werden wir auch eine aenderung der einschlaegigen gesetzlichen Bestimmungen pruefen. Wir sorgen auch in Zukunft fuer eine verlaessliche Finanzierung des erfolgreichen Programms „Integration durch Sport“. Im Nationalen Aktionsplan Integration muss der Sport weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen und bei der Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention wird der Inklusionsgedanke bei der Sportfoerderung des Bundes konsequent ausgebaut. Sport wollen wir in eine ressortuebergreifende, bewegungsfoerderliche Gesamtpolitik einbinden, weil Sport, Gesundheitsfoerderung und Praevention zusammen gehoeren. Die Fankultur im Fussball soll in Deutschland erhalten bleiben. Gemeinsam mit Verbaenden, Vereinen und den friedlichen Fans wollen wir dafuer sorgen, dass Stadionbesuche sicher bleiben. Deshalb begruessen und unterstuetzen wir alle praeventiven Anstrengungen und werden alle gesetzlichen Rahmenbedingungen auf das Ziel ausrichten, Straftaeter aus den Fussballstadien fernzuhalten. Doping und Spielmanipulationen zerstoeren die ethisch-moralischen Werte des Sports, gefaehrden die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler, taeuschen und schaedigen die Konkurrenten im Wettkampf sowie die Veranstalter. Deshalb werden wir weitergehende strafrechtliche Regelungen beim Kampf gegen Doping und Spielmanipulation schaffen. Dazu kommen auch Vorschriften zur uneingeschraenkten Besitzstrafbarkeit von Dopingmitteln zum Zweck des Dopings im Sport sowie zum Schutz der Integritaet des sportlichen Wettbewerbs in Betracht. Dabei muessen die Grundsaetze der Bestimmtheit von Straftatbestaenden und die Verhaeltnismaessigkeit einer strafrechtlichen Sanktion gewaehrleistet sein. Eine gesetzliche Regelung darf weder die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie des Sports unzulaessig einschraenken, noch die Funktionsfaehigkeit der Sportgerichtsbarkeit beeintraechtigen. Die nachhaltige Finanzierung der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) stellen wir sicher. An der Umsetzung der „Berliner Erklaerung“ der 5. UNESCO-Weltsportministerkonferenz „MINEPS V“ wirken wir auf nationaler und internationaler Ebene weiterhin mit Nachdruck. Dazu werden wir unsere internationalen Aktivitaeten u. a. an der Erarbeitung einer entsprechenden Konvention des Europarats fortsetzen und den organisierten autonomen Sport in Deutschland bei der moeglichst flaechendeckenden Einfuehrung von „Good Governance Standards“ unterstuetzen. Bei der Vergabe von internationalen Sportgrossveranstaltungen setzen wir uns in Kooperation mit dem autonomen Sport fuer faire und nachhaltige Standards ein. 4.4. Digitale Agenda fuer Deutschland Chancen fuer eine starke Wirtschaft, gerechte Bildung und ein freies und sicheres Internet Digitales Leben und Arbeiten sind Alltag geworden und wir erleben den Wandel in eine digitale Gesellschaft. Die Nutzung moderner Technologien in Wirtschaft und Gesellschaft ist heute selbstverstaendlich. Die meisten Arbeitsplaetze sind durch Einsatz digitaler Technologien gepraegt. Die anstehende naechste Phase der Digitalisierung betrifft in besonderem Masse die Infrastrukturen: Erfolgsfaktor der Energiewende Zusammenhalt der Gesellschaft 139 ist die Digitalisierung der Energieversorgung. Verkehrsinfrastrukturen werden sowohl im Individualverkehr als auch im oeffentlichen Verkehr digitalisiert. Wesentliche Veraenderung im Gesundheitswesen ist der Aufbau der Telematikinfrastruktur. Massgeblicher Faktor der Digitalisierung ist die Globalisierung der Netze und die internationale Arbeitsteilung im Bereich der Informationstechnik. Das weltweite Netz ist ein globales Freiheitsversprechen. Doch spaetestens der NSA-Skandal hat die Verletzlichkeit der digitalen Gesellschaft aufgezeigt. IT-Sicherheit wird zu einer wesentlichen Voraussetzung zur Wahrung der Freiheitsrechte. Die gesellschaftlichen Chancen und oekonomischen Potenziale der Digitalisierung duerfen nicht gefaehrdet werden. Die Koalition wird fuer das Handeln aller Ressorts eine digitale Agenda 2014 – 2017 beschliessen und ihre Umsetzung gemeinsam mit Wirtschaft, Tarifpartnern, Zivilgesellschaft und Wissenschaft begleiten. Digitales Wachstumsland Nr. 1 in Europa Dazu gehoeren fuer uns Spitzenforschung im nationalen und europaeischen Rahmen, die Entwicklung und Anwendung von digitalen Technologien und optimale Wachstumsbedingungen fuer Unternehmen aller Branchen. Wir wollen Kernbereiche der deutschen Wirtschaft wie Fahrzeugund Maschinenbau, Logistik und Gesundheitswirtschaft bei der Digitalisierung unterstuetzen und die Rahmenbedingungen fuer Unternehmen so ausgestalten, damit diese global wettbewerbsfaehig bleiben. Die Digitalisierung der klassischen Industrie mit dem Zukunftsprojekt Industrie 4.0 werden wir vorantreiben und im naechsten Schritt um intelligente Dienstleistungen („Smart Services“) erweitern, sowie Projekte und Massnahmen im Bereich der Green IT staerken. Dazu ist es notwendig, Wissen aus der Spitzenforschung in konkrete Anwendungen zu ueberfuehren. Mittels Kompetenzzentren, Modellregionen und Pilotprojekten soll der Wissenstransfer in Mittelstand und klassische Industrie initialisiert werden. Neben dem Zukunftsprojekt Industrie 4.0 werden wir in den Bereichen intelligente Mobilitaet, Smart Grid, E-Health und Sicherheit Schwerpunkte setzen und damit die Position der deutschen Wirtschaft auf dem Weltmarkt festigen. Um das zu erreichen, werden Spitzencluster und Verbundprojekte ausund aufgebaut. Dabei sind oekologische, oekonomische und soziale Nachhaltigkeit massgebliche Faktoren. Wir werden Beratungsangebote zur Digitalisierung von bestehenden Wertschoepfungsketten in Industrie und Mittelstand im Hinblick u. a. auf Cloud-Computing und Wir wollen die Informationsund Kommunikations-Strategie (IKT-Strategie) fuer die digitale Wirtschaft weiterentwickeln. Um den globalen und sicherheitspolitischen Herausforderungen zu begegnen, foerdern wir die deutsche und europaeische IKT-Industrie, indem wir die Rahmenbe- dingungen dafuer verbessern und Buerokratie abbauen. Zusammenhalt der Gesellschaft 140 Big Data ausbauen. Die Themen IT-Sicherheit und die Abwehr von Wirtschaftsspionage sollen darueber hinaus eine besondere Rolle spielen. Wir werden die Forschungsund Innovationsfoerderung fuer „Big Data“ auf die Entwicklung von Methoden und Werkzeugen zur Datenanalyse ausrichten, Kompetenzzentren einrichten und disziplinuebergreifend strategische Anwendungsprojekte ins Leben rufen. Wir wollen die deutsche Spitzenposition im Bereich des Hoechstleistungsrechnens in Abstimmung mit den Laendern und Partnern in Europa weiterhin ausbauen. Wir moechten einen neuen Gruendungsgeist in Deutschland wecken und eine Kultur der zweiten Chance etablieren. Unser Ziel ist es dabei, die Zahl der Gruendungen von derzeit 10.000 in den naechsten Jahren kontinuierlich auf 15.000 pro Jahr zu steigern. Dafuer sollen Antragsverfahren entbuerokratisiert werden. Ausserdem werden wir Foerderinstrumente dahingehend ueberpruefen, dass sie die gesamte Innovationskette inklusive der Verwertungsmoeglichkeiten beruecksichtigen. Wir werden Unternehmensgruendungen im IT-Bereich erleichtern und ein innovatives Netzwerk fuer Start-Ups durch die Wirtschaft anstossen und dessen Internationalisierung unterstuetzen. Um Gruendungen aus der Beschaeftigung auch fuer Arbeitnehmer zu ermoeglichen, die weder auf ihr Einkommen verzichten noch das Risiko eines Jobverlusts auf sich nehmen koennen, werden wir analog dem Modell der Familienpflegezeit die Moeglichkeit einer "Gruendungszeit" einfuehren. Fuer Gruendungen aus der Arbeitslosigkeit soll das Instrument des Existenzgruenderzuschusses fortgefuehrt werden. Darueber hinaus stossen wir ein innovatives Netzwerk fuer Start-Ups durch die Wirtschaft an, das die besten Rahmenbedingungen fuer junge Unternehmen bereitstellen kann, und unterstuetzen dessen Internationalisierung. Stock-Options-Modelle sollen weiterentwickelt und standardisiert werden und als freiwilliger und ergaenzender Teil der Entlohnung attraktiver gestaltet werden. Die Kammern sind aufgefordert, faire Standardvertraege fuer Gruender zu entwickeln. Wir werden Deutschland als Investitionsstandort fuer Wagniskapital international attraktiv machen und dafuer ein eigenstaendiges Regelwerk (Venture-Capital- Wir wollen das Gruenden von Unternehmen leichter machen: Durch eine Vereinfa- chung der Prozesse (One-Stop-Agency) soll eine schnellere Unternehmensgruendung moeglich sein. Wir wollen bewaehrte Instrumente der Gruender- unterstuetzung in Zusammenarbeit mit der KfW weiter entwickeln. Die Gewaehrung der Instrumente kann dabei an die Nutzung von Crowdfunding („Schwarmfinanzierung“) geknuepft werden. Innovative Unternehmen brauchen kluge Koepfe. Deshalb muessen wir im eigenen Land mit Bildungsund Qualifizierungsmassnahmen die Zahl der IT-Fachkraefte erhoe- hen. Es ist wichtig, die Innovationskraefte der digitalen Wirtschaft zu staerken. Was mit dem Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ auf den Weg gebracht wurde, wollen wir fortsetzen und ausbauen. Zusammenhalt der Gesellschaft 141 Gesetz) abhaengig von den Finanzierungsmoeglichkeiten erlassen, das u. a. die Taetigkeit von Wagniskapitalgebern verbessert. Mit Investitionszuschuessen wollen wir den Einsatz von Wagniskapital weiter foerdern. Die Foerderund Finanzierungsinstrumente von Bund, Laendern und EU sind auf ihre Kompatibilitaet hin zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen. Digitale Bildung und Forschung – gerecht und innovativ Ein wichtiger Teil der Digitalisierungsstrategie ist es, die Medienkompetenz junger Menschen zu steigern, um sie zu einem sicheren und verantwortungsbewussten Umgang mit dem Internet zu emanzipieren. Wir sehen die Vermittlung von Medienund Informationskompetenz als zentrale Massnahme fuer den Datenschutz und die Sicherheit im Internet fuer jede einzelne Nutzerin und jeden einzelnen Nutzer. Die bestehenden Programme zur Foerderung von Medienkompetenz an Kitas und Schulen werden deshalb evaluiert und ausgebaut. Das Leitbild der „digitalen Selbstaendigkeit“ rueckt somit in den Fokus der Medienkompetenz. Wir befuerworten ein „Modellprojekt Freiwilliges Soziales Jahr Digital“, damit junge Menschen ihre technischen Fertigkeiten und Faehigkeiten im Umgang und in der Anwendung von neuen Medien in den Dienst von gemeinnuetzigen Einrichtungen stellen und diese bei der Umsetzung von digitalen Projekten und der Vermittlung von Medienkompetenz unterstuetzen. Die Initiative „Ein Netz fuer Kinder“ wird unterstuetzt und verbreitert, um in Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Institutionen qualitaetsvolle, altersgerechte und interessante digitale Angebote fuer Kinder zu schaffen. Der Aufbau, der Ausbau und die koordinierte nationale, europaeische und internationale Vernetzung von offenen (Forschungs-)Datenbanken, Repositorien und OpenAccess-Zeitschriften der Forschungseinrichtungen und der Hochschulen sind im Rahmen eines eigenen Programms zu foerdern. Die Grundlagenforschung zu Internet und digitaler Gesellschaft wird durch gezielte Initiativen zur Programmforschung und durch Bereitstellung entsprechender Mittel gestaerkt und verstetigt sowie institutionell gefoerdert. Ein mit oeffentlichen Mitteln finanziertes Internet-Institut, das gleichzeitig als Ausgangspunkt fuer ein interdisziplinaeres Kompetenznetz dient, soll sich mit den technischen und wirtschaftlichen, aber auch den politischen, rechtlichen und ethischen Aspekten des Internets beschaeftigen. Digitales Leben und Arbeiten – Chancen und Rechte staerken Die Digitalisierung eroeffnet eine Vielzahl von Moeglichkeiten, die das Leben der Menschen einfacher machen und neue Chancen fuer den Arbeitsalltag bieten. So gibt es durch die Digitalisierung neue Angebote wie z. B. flexible Arbeitszeitmodelle fuer die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir fordern die Wirtschaft auf, diese zu foerdern. Wir appellieren an die Tarifpartner, Telearbeitsmodelle zu foerdern und entsprechend Ausserdem wollen wir es attraktiver ma- chen, in junge Unternehmen und junge Wachstumsunternehmen zu investieren. Um Boersengaenge fuer junge, innovative und wachstumsstarke Unternehmen wieder zu beleben, werden wir die Einfuehrung eines neuen Boersensegments „Markt 2.0“ prue- fen. Zusammenhalt der Gesellschaft 142 auszubauen, sowie tarifvertragliche Modelle zu finden, die die Rechte von Beschaeftigten auf selbst zu bestimmende Telearbeitsplaetze staerken. Das Angebot an Telearbeitsplaetzen im oeffentlichen Dienst werden wir weiter ausbauen. oeffentliche Verwaltung und Tarifpartner sind aufgefordert, die Rechte der Beschaeftigten fuer eine erweiterte Arbeits-Autonomie und verbesserte Work-Life-Balance fuer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu staerken (z. B. Regelungen zur Nichterreichbarkeit). Wir begruessen darueber hinaus betriebsinterne Regelungen dazu. Neue digitale Qualifizierungsund Weiterbildungswerkzeuge fuer Unternehmen wie auch fuer den oeffentlichen Dienst werden wir zielgruppenspezifisch foerdern und ausbauen. Immer mehr Unternehmen nutzen Online-Plattformen, um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen (E-Recruiting). Hierbei muessen die Grenzen der Privatsphaere eingehalten werden. Eine Umgehung von Privatsphaere-Einstellungen in sozialen Netzwerken oder aehnlichen Plattformen ist nicht zu akzeptieren. Durch die Digitalisierung bieten sich vor allem fuer junge Muetter und Vaeter neue Moeglichkeiten fuer die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie zum Beispiel neue und flexiblere Arbeitszeitmodelle. Im Bereich der Gesundheit nutzen wir die Chancen der Digitalisierung und verstaerken die Telemedizin, z. B. zur engen Betreuung von Risikopatientinnen und patienten oder chronisch Kranken. Dabei ist ein Hoechstmass an Datenschutz zu gewaehrleisten. Wir werden verhindern, dass sensible Patientendaten unkontrolliert an Dritte weitergegeben werden. Buerokratische und rechtliche Hemmnisse in der Telemedizin sollen abgebaut werden, um die Anwendung grundsaetzlich zu vereinfachen. Wir wollen den Einsatz und die Entwicklung von E-Care-Systemen in sogenannten Smart-Home-Umgebungen foerdern, die aelteren, pflegebeduerftigen Menschen oder Menschen mit Behinderung die technische Unterstuetzung bieten, um ihnen den Alltag zu erleichtern. Ein weiterer Fokus liegt auf der Elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Die eGK soll ausgebaut werden, um den buerokratischen Aufwand fuer Patientinnen und Patienten zu verringern und die Kommunikation zu verbessern. Hoechste Datenschutzstandards sowie eine sichere Verschluesselung der Daten sind dabei die Grundvoraussetzung. Der digitale Alltag eroeffnet neue Moeglichkeiten, anderen Menschen zu helfen. Im Netz entstehen neue Formen des buergerschaftlichen Engagements ueber soziale Netzwerke und Nachbarschaftsinitiativen. Wir werden diese Entwicklung unterstuetzen und „Online Volunteering“-Projekte foerdern, z. B. die verbessernde Zusammenarbeit von Buergerinnen und Buergern mit der Verwaltung (Maengelmelder, Tauschund Ehrenamtsboersen). Wir wollen herausragende Projekte auszeichnen und einen Austausch der besten Beispiele initiieren. Zudem werden wir Projekte ins Leben rufen und foerdern, durch die Medienkompetenz vermittelt wird und damit dazu beitragen, die digitale Spaltung zu ueberwinden (z. B. Seniorinnen und Senioren lernen von Schuelerinnen und Schuelern). Wir foerdern die Entwicklung und den Einsatz von bundesweiten Warnund Informationssystemen, mit denen Buergerinnen und Buerger per SMS, E-Mail oder ueber eine App ueber Unfaelle, Gefahren und Katastrophen informiert werden koennen. Zusammenhalt der Gesellschaft 143 Wir fuehren Systeme ein (z. B. eine zentrale Nummer fuer SMS-Notrufe oder eine Notruf-App) und aendern das TKG so, dass sich Menschen in einer Notsituation bemerkbar machen und Hilfe anfordern koennen, ohne zurueckgerufen werden zu muessen. Im digitalen Zeitalter hat sich die Art der Kommunikation grundlegend veraendert und die Menschen tauschen sich online auf diversen Plattformen aus. Wir sprechen uns gegen einen allgemeinen Klarnamenzwang aus, weil anonyme Kommunikation oft nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig ist. Wir sehen neben den Chancen der Digitalisierung auch die Risiken. So wollen wir Praeventionsund Beratungsangebote zu online basiertem Suchtverhalten bundesweit ausbauen und wissenschaftlich begleiten. In den naechsten vier Jahren koennen die Weichen gestellt werden, damit Deutschland und Europa eine Fuehrungsrolle bei der konsequenten, sozialvertraeglichen, vertrauenswuerdigen und sicheren Digitalisierung der Gesellschaft und Wirtschaft einnehmen. Mit einer ausgewogenen Digitalisierungspolitik koennen Zukunftschancen unseres Landes, Potenziale fuer Demokratie und Teilhabe sowie Innovationsund Wettbewerbsfaehig langfristig gesichert werden. Deutschland wird zu einer echten digitalen Gesellschaft. Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 144 5. Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 5.1. Freiheit und Sicherheit Konsequenzen aus den Erkenntnissen des NSUUntersuchungsausschusses Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) hat parteiuebergreifend zahlreiche Reformvorschlaege fuer die Bereiche Polizei, Justiz und Verfassungsschutz, zur parlamentarischen Kontrolle der Taetigkeit der Nachrichtendienste sowie zur Zukunft der Foerderung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus erarbeitet. Soweit die Bundesebene betroffen ist, machen wir uns diese Empfehlungen zu Eigen und werden sie zuegig umsetzen. Soweit die Laender betroffen sind, werden wir im Dialog mit ihnen Wege fuer die Umsetzung dieser Empfehlungen erarbeiten, etwa bei der einheitlichen Verfahrensfuehrung der Staatsanwaltschaften. Wir staerken die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes fuer Verfassungsschutz (BfV), bauen dessen Koordinierungskompetenz im Verfassungsschutzverbund aus und verbessern die technische Analysefaehigkeit des BfV. Der gegenseitige Austausch von Informationen zwischen Bund und Laendern wird gemeinsame Lagebilder ermoeglichen. Wir wollen eine bessere parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste. Die Anforderungen an Auswahl und Fuehrung von V-Leuten des Verfassungsschutzes werden wir im Bundesverfassungsschutzgesetz regeln und die parlamentarische Kontrolle ermoeglichen. Die Behoerdenleiter muessen die Einsaetze der V-Leute genehmigen. Bund und Laender informieren sich wechselseitig ueber die eingesetzten V-Leute. Bei Polizei und Justiz staerken wir die interkulturelle Kompetenz und steigern die personelle Vielfalt. Die Moeglichkeiten fuer Opferbetreuung und -beratung staerken wir. Weil Opfer rassistischer, fremdenfeindlicher oder sonstiger menschenverachtender Straftaten den besonderen Schutz des Staates verdienen, wollen wir sicherstellen, dass entsprechende Tatmotive bei der konkreten Strafzumessung ausdruecklich beruecksichtigt werden. Kriminalitaet und Terrorismus Praevention Die Extremismuspraevention der Bundesregierung buendeln und optimieren wir. Antisemitismus bekaempfen wir, Radikalisierung, rassistischen und demokratiefeindlichen Strukturen treten wir entgegen. Wir staerken die Praevention u. a. indem wir Programme wie „Zusammenhalt durch Teilhabe“ verstetigen. Bei der Bekaempfung von Rechtsextremismus und Rassismus verknuepfen wir die zivilgesellschaftlichen Aktivitaeten mit denen im Bildungssektor und bei Polizei und Justiz. Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 145 Kriminalitaet in allen gesellschaftlichen Bereichen wirksam bekaempfen Mit Blick auf strafbares Verhalten im Unternehmensbereich bauen wir das Ordnungswidrigkeitenrecht aus. Wir brauchen konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln fuer Unternehmensbussen. Wir pruefen ein Unternehmensstrafrecht fuer multinationale Konzerne. Das Recht der Vermoegensabschoepfung werden wir vereinfachen, die vorlaeufige Sicherstellung von Vermoegenswerten erleichtern und eine nachtraegliche Vermoegensabschoepfung ermoeglichen. Wir regeln, dass bei Vermoegen unklarer Herkunft verfassungskonform eine Beweislastumkehr gilt, so dass der legale Erwerb der Vermoegenswerte nachgewiesen werden muss. Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen wollen wir unter Strafe stellen. Wir wollen unsere Unternehmen vor Wirtschaftsund Konkurrenzspionage aus aller Welt schuetzen und eine nationale Strategie fuer den Wirtschaftsschutz erarbeiten. An private Sicherheitsdienstleister stellen wir verbindliche Anforderungen an Seriositaet und Zuverlaessigkeit. Zur besseren Bekaempfung von Kinderpornographie im Internet werden wir im Strafrecht den veralteten Schriftenbegriff zu einem modernen Medienbegriff erweitern. Wir schliessen zudem inakzeptable Schutzluecken und beseitigen Wertungswidersprueche im Sexualstrafrecht. Zur Aufklaerung von Sexualund Gewaltverbrechen sollen bei Massen-Gentests auch sogenannte Beinahetreffer verwertet werden koennen, wenn die Teilnehmer vorab ueber die Verwertbarkeit zulasten von Verwandten belehrt worden sind. Zum Schutz der Bevoelkerung vor hoechstgefaehrlichen, psychisch gestoerten Gewaltund Sexualstraftaetern, deren besondere Gefaehrlichkeit sich erst waehrend der Strafhaft herausstellt, schaffen wir die Moeglichkeit der nachtraeglichen Therapieunterbringung. Die laengerfristige Observation von entlassenen Sicherungsverwahrten stellen wir auf eine gesetzliche Grundlage. Beim Stalking stehen vielen Strafanzeigen auffaellig wenige Verurteilungen gegenueber. Im Interesse der Opfer werden wir daher die tatbestandlichen Huerden fuer eine Verurteilung senken. Zudem werden wir Massnahmen zur Kontrolle der Einhaltung von Kontaktbzw. Naeherungsverboten erarbeiten. Einbruchskriminalitaet verunsichert die Menschen ueber die materiellen Schaeden hinaus. Die Taetergruppen agieren zunehmend grenzueberschreitend. Wir unterstuetzen nicht nur praeventive Massnahmen der Buerger, sondern bekaempfen diese Alltagskriminalitaet auch durch bessere Zusammenarbeit der Polizeibehoerden auf Landes-, Bundesund EU-Ebene. Sicherheitsvereinbarungen zwischen Bund und Laendern koennen dazu ein Instrument sein. Rocker-Clubs bieten einen Deckmantel fuer vielfaeltige Formen der Schwerkriminalitaet, wie z. B. Menschenhandel und Drogengeschaefte. Dieser organisierten Kriminalitaet kann durch den Entzug der Privilegien des Vereinsrechts entgegen getreten werden. Wir werden dazu das Vereinsrecht verschaerfen, die Verbotsfolgen bei Rockergruppierungen verstaerken und bei Verboten jegliche Neugruendung in den betroffenen Staedten und Kreisen ausschliessen. Die Kennzeichen verbotener Rockergruppen duerfen von anderen Gruppierungen im Bundesgebiet nicht weiter genutzt werden. Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 146 Wir verbessern den Schutz von Polizistinnen und Polizisten sowie anderen Einsatzkraeften bei gewalttaetigen uebergriffen. Effektive Strafverfolgung und wirksame Massnahmen zur Gefahrenabwehr Wir wollen das allgemeine Strafverfahren und das Jugendstrafverfahren unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsaetze effektiver und praxistauglicher ausgestalten. Dazu wird eine Expertenkommission bis zur Mitte dieser Wahlperiode Vorschlaege erarbeiten. Durch ein fruehzeitiges gemeinsames Vorgehen der Strafverfolgungsbehoerden und der Kinderund Jugendhilfe wollen wir kriminalitaetsgefaehrdete Kinder und Jugendliche vor einem Abgleiten in kriminelle Karrieren bewahren. Wird ein junger Mensch straffaellig, soll die Strafe der Tat auf dem Fusse folgen. Den Gedanken der Wiedergutmachung gegenueber Kriminalitaetsopfern werden wir im Jugendstrafrecht staerken. Um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen, fuer die eine Geldstrafe kein fuehlbares uebel darstellt, werden wir das Fahrverbot als eigenstaendige Sanktion im Erwachsenenund Jugendstrafrecht einfuehren. Bei Verkehrsdelikten streben wir an, zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration auf koerperliche Eingriffe zugunsten moderner Messmethoden zu verzichten. Eine Blutentnahme wird durchgefuehrt, wenn der Betroffene sie verlangt. Wir evaluieren die Vorschriften zur Kronzeugenregelung und zur Verstaendigung im Strafverfahren. Wir pruefen, inwieweit dem oeffentlichen Interesse an einem Gerichtsverfahren durch eine erweiterte Saaloeffentlichkeit Rechnung getragen werden kann. Im Strafvollzug verbessern wir den Datenaustausch zwischen den beteiligten Einrichtungen und Institutionen. Wir reformieren das Recht der strafrechtlichen Unterbringung in psychiatrischen Krankenhaeusern, indem wir insbesondere dem Verhaeltnismaessigkeitsgrundsatz staerker zur Wirkung verhelfen. Hierzu setzen wir eine Bund-Laender-Arbeitsgruppe ein. Um die Opfer von Straftaten dabei zu unterstuetzen, ihre zivilrechtlichen Ersatzansprueche gegen den Taeter durchzusetzen, foerdern wir die Durchsetzung von Schadensersatzanspruechen in Strafverfahren (Adhaesionsverfahren) und erleichtern es den Opfern, sich im Zivilprozess auf bindende Feststellungen eines Strafgerichts zu berufen. Menschen, die einen nahen Angehoerigen durch Verschulden eines Dritten verloren haben, raeumen wir als Zeichen der Anerkennung ihres seelischen Leids einen eigenstaendigen Schmerzensgeldanspruch ein, der sich in das deutsche System des Schadensersatzrechts einfuegt. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Antiterrordatei werden umgesetzt und die Analysefaehigkeit der Datei verbessert. Die Vorschriften ueber die Quellen-Telekommunikationsueberwachung werden wir rechtsstaatlich praezisieren, um unter anderem das Bundeskriminalamt bei seiner Aufgabenerfuellung zu unterstuetzen. Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 147 Vorratsdatenspeicherung Wir werden die EU-Richtlinie ueber den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen. Dadurch vermeiden wir die Verhaengung von Zwangsgeldern durch den EuGH. Dabei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren fuer Leib und Leben erfolgen. Die Speicherung der deutschen Telekommunikationsverbindungsdaten, die abgerufen und genutzt werden sollen, haben die Telekommunikationsunternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen. Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkuerzung der Speicherfrist auf drei Monate hinwirken Wir werden das Waffenrecht im Hinblick auf die technische Entwicklung und auf seine Praktikabilitaet hin anpassen. Die Sicherheit der Buergerinnen und Buerger hat dabei oberste Prioritaet. Wir streben eine erneute befristete Amnestie an. Zur Erhoehung der oeffentlichen Sicherheit werden wir darueber hinaus gemeinsam mit den Laendern schrittweise das nationale Waffenregister weiterentwickeln. Die Kriminalund Rechtspflegestatistiken machen wir aussagekraeftiger. Die Sicherheitsforschung wird besser koordiniert. Digitale Sicherheit und Datenschutz Ziel der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu bewahren. Cyberkriminalitaet Das Strafrecht passen wir – auch durch Abschluss internationaler Abkommen – an das digitale Zeitalter an. Wir schliessen Schutzluecken und systematisieren die bisher verstreut geregelten datenbezogenen Strafvorschriften. Wir verbessern den strafrechtlichen Schutz vor Beleidigungen in sozialen Netzwerken und Internetforen (Cybermobbing und Cybergrooming), da die Folgen fuer die vor einer nahezu unbegrenzten oeffentlichkeit diffamierten Opfer besonders gravierend sind. Cybermobbing und Cybergrooming in sozialen Netzwerken muessen einfacher gemeldet und angezeigt werden koennen. Eine zentrale Meldestelle fuer Phishing und aehnliche Delikte soll die Praevention verbessern und Ermittlungen erleichtern. IT-Infrastruktur und digitaler Datenschutz Wir schaffen ein IT-Sicherheitsgesetz mit verbindlichen Mindestanforderungen an die IT-Sicherheit fuer die kritischen Infrastrukturen und der Verpflichtung zur Meldung erheblicher IT-Sicherheitsvorfaelle. Dafuer setzen wir uns auch auf der EUEbene im Rahmen der europaeischen Cybersicherheitsstrategie ein. Um Freiheit und Sicherheit im Internet zu schuetzen, staerken und gestalten wir die Internet-Infrastruktur Deutschlands und Europas als Vertrauensraum. Dazu treten wir fuer eine europaeische Cybersicherheitsstrategie ein, ergreifen Massnahmen zur Rueckgewinnung der technologischen Souveraenitaet, unterstuetzen die Entwicklung Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 148 vertrauenswuerdiger ITund Netz-Infrastruktur sowie die Entwicklung sicherer Softund Hardware und sicherer Cloud-Technologie und begruessen auch Angebote eines nationalen bzw. europaeischen Routings. Wir bauen die Kapazitaeten des Bundesamtes fuer Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und auch des Cyber-Abwehrzentrums aus. Wir verbessern die ITAusstattung der deutschen Sicherheitsbehoerden. Um Buergerdaten besser zu schuetzen und zu sichern, werden wir die Buendelung der IT-Netze des Bundes in einer einheitlichen Plattform „Netze des Bundes“ anstreben. ITund TK-Sicherheit wollen wir zusammenfuehren. Die Bundesbehoerden werden verpflichtet, zehn Prozent ihrer IT-Budgets fuer die Sicherheit ihrer Systeme zu verwenden. Um Vertrauen wieder herzustellen muessen die Standardisierungsgremien transparenter werden. Zudem muss sich Deutschland staerker in diesen und anderen internationalen Gremien beteiligen, besonders solchen der Internetarchitektur und InternetGovernance. Wir pruefen, inwieweit ein Ausverkauf von nationaler Expertise und Know-how in Sicherheits-Schluesseltechnologien verhindert werden kann. Wir initiieren ein Spitzencluster „IT-Sicherheit und kritische IT-Infrastruktur“. Um zu gewaehrleisten, dass die Nutzerinnen und Nutzer ueber die Sicherheitsrisiken ausreichend informiert sind, sollen Internetprovider ihren Kunden melden, wenn sie Hinweise auf Schadprogramme oder aehnliches haben. Darueber hinaus streben wir einen sicheren Rechtsrahmen und eine Zertifizierung fuer Cloud-Infrastrukturen und andere sicherheitsrelevante Systeme und Dienste an. Zur Wahrung der technologischen Souveraenitaet foerdern wir den Einsatz national entwickelter IT-Sicherheitstechnologien bei den Buergerinnen und Buergern. Die Weiterentwicklung und Verbreitung von Chipkartenlesegeraeten, Kryptographie, DE-Mail und sicheren Ende-zu-Ende-Verschluesselungen sowie vertrauenswuerdiger Hardund Software gilt es erheblich auszubauen. IT-Hersteller und -Diensteanbieter sollen fuer Datenschutzund IT-Sicherheitsmaengel ihrer Produkte haften. Wir wollen das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Grundrecht auf Gewaehrleistung der Vertraulichkeit und Integritaet informationstechnischer Systeme mit Leben fuellen. Die Nutzung von Methoden zur Anonymisierung, Pseudonymisierung und Datensparsamkeit muessen zu verbindlichen Regelwerken werden. Wir werden den technikgestuetzten Datenschutz ("Privacy by Design") und den Datenschutz durch Voreinstellungen („Privacy by Default“) ausbauen. Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 149 Um die Grundund Freiheitsrechte der Buergerinnen und der Buerger auch in der digitalen Welt zu wahren und die Chancen fuer die demokratischen Teilhabe der Bevoelkerung am weltweiten Kommunikationsnetz zu foerdern, setzen wir uns fuer ein Voelkerrecht des Netzes ein, damit die Grundrechte auch in der digitalen Welt gelten. Das Recht auf Privatsphaere, das im Internationalen Pakt fuer buergerliche und politische Rechte garantiert ist, ist an die Beduerfnisse des digitalen Zeitalters anzupassen. EU-Datenschutzgrundverordnung Die EU-Datenschutzgrundverordnung muss zuegig weiter verhandelt und schnell verabschiedet werden, um europaweit ein einheitliches Schutzniveau beim Datenschutz zu garantieren. Die strengen deutschen Standards beim Datenschutz, gerade auch beim Datenaustausch zwischen Buergern und Behoerden wollen wir bewahren. Europa braucht ein einheitliches Datenschutzrecht fuer die Wirtschaft, in dem alle Anbieter, die in Europa ihre Dienste anbieten, dem europaeischen Datenschutzrecht unterliegen (Marktortprinzip). Die Grundsaetze der Zweckbindung, der Datensparsamkeit und -sicherheit, der Einwilligungsvorbehalt, das Recht auf Loeschen und das Recht auf Datenportabilitaet muessen in der Verordnung gewahrt bleiben. Bei den EU-Regelungen zur justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit muss sichergestellt werden, dass das deutsche Datenschutzniveau bei der uebermittlung von Daten an andere EU-Staaten nicht unterlaufen werden darf. Bei deren Ausgestaltung ist darauf zu achten, dass bestehenden Refinanzierungsmoeglichkeiten journalistisch-redaktioneller Medien erhalten bleiben und dass das fuer Presseund Medienfreiheit unabdingbare Medienprivileg effektiv ausgestaltet wird. Konsequenzen aus der NSA-Affaere Wir draengen auf weitere Aufklaerung, wie und in welchem Umfang auslaendische Nachrichtendienste die Buergerinnen und Buerger und die deutsche Regierung ausspaehen. Um Vertrauen wieder herzustellen, werden wir ein rechtlich verbindliches Abkommen zum Schutz vor Spionage verhandeln. Damit sollen die Buergerinnen und Buerger, die Regierung und die Wirtschaft vor schrankenloser Ausspaehung geschuetzt werden. Wir staerken die Spionageabwehr. Unsere Kommunikation und Kommunikationsinfrastruktur muss sicherer werden. Dafuer verpflichten wir die europaeischen Telekommunikationsanbieter, ihre Kommunikationsverbindungen mindestens in der EU zu verschluesseln und stellen sicher, dass europaeische Telekommunikationsanbieter ihre Daten nicht an auslaendische Nachrichtendienste weiterleiten duerfen. Die Koalition tritt fuer die europaweite Einfuehrung einer Meldepflicht fuer Unternehmen an die EU ein, die Daten ihrer Kundinnen und Kunden ohne deren Einwilligung an Behoerden in Drittstaaten uebermitteln. Wir werden zudem in der EU auf Nachverhandlungen der Safe-Harbor und Swift-Abkommen draengen. Zivilschutz und Schutz kritischer Infrastrukturen Wir werden das fachuebergreifende Rahmenkonzept fuer den Zivilschutz an neuen Herausforderungen orientiert fortentwickeln und das Leistungsspektrum sowie die Aufgaben des Technischen Hilfswerks (THW) unter Beruecksichtigung des Schut- Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 150 zes kritischer Infrastrukturen anpassen. Wir werden das Ehrenamt als Basis des Zivilund Katastrophenschutzes – insbesondere mit Blick auf die sozialen und demografischen Veraenderungen – foerdern und staerken. Wir staerken das Bundesamt fuer Bevoelkerungsschutz und Katastrophenhilfe als strategischen Knotenpunkt des Bundes im Beziehungsgeflecht aller Akteure im Bevoelkerungsschutz. Vor dem Hintergrund des durch den Klimawandel veraenderten Schadenpotentials werden wir die Einfuehrung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung pruefen. Die Betreiber kritischer Infrastrukturen halten wir durch Kooperation und gesetzliche Vorgaben dazu an, Widerstandsfaehigkeit (Resilienz) und Schutzmassnahmen zu verbessern. Bundespolizei und Schutz unserer Grenzen Die Ergebnisse der Evaluierung der Neuorganisation der Bundespolizei setzen wir in der jetzt erforderlichen Konsolidierungsphase um. Wir wollen die Bundespolizei als kompetente und effektive Strafverfolgungsbehoerde staerken, gut qualifizierte und ausgestattete Bereitschaftspolizeien vorhalten und die Einsatzmittel der Bundespolizei modernisieren. An Kriminalitaetsschwerpunkten im Aufgabenbereich der Bundespolizei setzen wir mit zusaetzlichen Mitteln mehr Videotechnik ein. Weitere Einreiseerleichterungen nach Europa setzen ein Einreiseund Ausreiseregister im europaeischen Verbund voraus. Wir treten fuer einen Ausbau der internationalen Zusammenarbeit mit den Nachbarlaendern und ein noch besseres Ineinandergreifen der Arbeit der Sicherheitsbehoerden im foederativen Gefuege ein. Umgang mit SED-Unrecht Die monatlichen Zuwendungen fuer Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen SBZ/DDR (SED-Opferrente) erhoehen wir. Fuer SED-Opfer, die haftbedingte Gesundheitsschaeden erlitten haben und deshalb Versorgungsleistungen beantragen, werden wir gemeinsam mit den Laendern die medizinische Begutachtung verbessern. Die Koalition wird eine Expertenkommission einsetzen, die bis zur Mitte der Legislaturperiode Vorschlaege erarbeitet, wie und in welcher Form die aus dem StasiUnterlagengesetz (StUG) resultierenden Aufgaben des Bundesbeauftragten fuer die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) fortgefuehrt werden und wann das geschieht. Die Koalition wird die Fortfuehrung des PilotProjektes „Virtuelle Rekonstruktion vorvernichteter Stasi-Akten“ sicherstellen. 5.2. Moderner Staat, lebendige Demokratie und Buergerbeteiligung Wirksam und vorausschauend regieren Die Koalition macht es sich zur Aufgabe, die Wirksamkeit des Regierungshandelns gezielt zu erhoehen und erarbeitet dazu eine ressortuebergreifende Strategie „Wirksam und vorausschauend regieren“. Koordinierende Stellen buendeln die Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 151 Massnahmen innerhalb der Ressorts und bei ressortuebergreifenden Zielen und Vorhaben. Wir staerken die Kompetenzen und Kapazitaeten der strategischen Vorausschau in den Ministerien, um Chancen, Risiken und Gefahren mittelund langfristiger Entwicklungen besser erkennen zu koennen. Wir nutzen vermehrt Wirkungsanalysen in der Phase der Entwicklung von politischen Massnahmen sowie Evaluationen bestehender Gesetze und Programme, um die Wirksamkeit systematisch zu pruefen. Wir wollen die Zielgenauigkeit und Wirksamkeit politischer Vorhaben dadurch erhoehen, dass wir politische Vorhaben staerker aus Sicht und mit Beteiligung der Buergerinnen und Buerger entwickeln. Dazu verbessern wir die Kompetenzen und Kapazitaeten in der Verwaltung, um neueste Erkenntnisse der Sozialwissenschaften besser zu nutzen. Buergerbeteiligung Parlament, Regierung und Verwaltung werden die Moeglichkeiten der Digitalisierung intensiv nutzen und die interaktive Kommunikation mit den Buergerinnen und Buergern sowie der Wirtschaft auf barrierefreien Websites ausbauen. Wir wollen die Potenziale der Digitalisierung zur Staerkung der Demokratie nutzen. Wir wollen die Informationen ueber politische Entscheidungen quantitativ und qualitativ verbessern und die Beteiligungsmoeglichkeiten fuer die Menschen an der politischen Willensbildung ausbauen. Gerade im Vorfeld von Entscheidungen ist frueh, offen, umfassend und verstaendlich zu informieren. Deutschland wird im Rahmen der „Digitalen Agenda“ der EUKommission einen „Digital Champion“ benennen. Den Sachverstand und die Meinung der Bevoelkerung suchen wir auch ueber digitale Beteiligungsplattformen, so dass konstruktive und fruehzeitige Einflussnahme von Buergerinnen und Buergern besser gelingt. Die Beteiligung der oeffentlichkeit an umweltpolitisch relevanten Entscheidungsprozessen wird gestaerkt, ohne die zuegige Umsetzung von Planungsvorhaben zu gefaehrden. Verkehrsinfrastrukturprojekte brauchen Akzeptanz und Transparenz. Wir werden deshalb die Buergerbeteiligung in der Vorphase der Planfeststellung weiter verbessern und hierfuer verbindliche Qualitaetsstandards gesetzlich festschreiben. Wir wollen Buergerinnen und Buerger und die Akteure der Zivilgesellschaft konsequent in die Diskussion um Zukunftsprojekte und die Ausgestaltung von Forschungsagenden einbinden. Wir wollen neue Formen der Buergerbeteiligung und der Wissenschaftskommunikation entwickeln und in einem Gesamtkonzept zusammenfuehren. Wir wollen die Partizipation Jugendlicher staerken. Wir wollen Anreize zur Staerkung partizipationsfoerdernder Kommunalpolitik legen. Jugendhilfeausschuesse und Jugendhilfeplanung bieten Ansatzpunkte guter Jugendpolitik. Wir unterstuetzen das ehrenamtliche und freiwillige Engagement Jugendlicher und wollen fuer mehr Anerkennung sorgen. Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 152 Transparenter Staat Die digitale Berichterstattung ueber den Bundestag und seine Sitzungen sowie ueber oeffentliche Ausschusssitzungen und Anhoerungen (z. B. in Streams) wollen wir ausbauen. So bald wie moeglich werden wir Bekanntmachungen wie beispielsweise Drucksachen und Protokolle in Open Data tauglichen Formaten unter freien Lizenzbedingungen bereitstellen. Wir wollen rechtliche Hemmnisse bei der Ausuebung des Wahlrechts fuer Analphabeten und Betreute abbauen. Wir erhoehen die Transparenz beim Einsatz externer Personen in der Verwaltung. Um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden, streben wir fuer ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretaerinnen und Staatssekretaere und politische Beamtinnen und Beamte eine angemessene Regelung an. Wir werden die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung neu regeln. Moderne Verwaltung Wir wollen ein buergerfreundliches „digitales Deutschland“. Ein Programm „Digitale Verwaltung 2020“ fuer verbindliche Standards zur flaechendeckenden Digitalisierung der Verwaltung soll dazu auf den Weg gebracht werden. Bei den Beschaffungen des Bundes werden wir die Prozesse standardisieren und nach Moeglichkeit digitalisieren. Durch E-Government ergeben sich umfassende Dienstleistungen fuer die Buergerinnen und Buerger und fuer die Wirtschaft, die die Erledigung von Formalia wie Behoerdengaengen wesentlich erleichtern koennen. Zahlreiche gute und erfolgreiche EGovernment-Projekte zeigen, dass es innovative technische Loesungen in Deutschland gibt, die allerdings noch nicht flaechendeckend und koordiniert umgesetzt sind. Der Bund wird den Laendern vorschlagen, die Programme des E-Governments unter Verantwortung des IT-Planungsrates zu konsolidieren und zu koordinieren. Dabei sind Technologien nach Moeglichkeit langfristig so zu planen, dass keine Abhaengigkeiten zu intransparenten Protokollen, Software, Hardware oder Herstellern entstehen. Bei der Anschaffung von IT-Technologie durch die oeffentliche Hand muessen im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsprinzips Innovationspotenziale und Nachhaltigkeit als mitentscheidende Kriterien bedacht werden. Bei Ausschreibungen sollen Sicherheitsstandards vorgegeben und wenn moeglich Open-Source-Loesungen erwogen werden. Voraussetzung fuer die Akzeptanz elektronischer Behoerdendienste sind Datenschutz und Sicherheit der Kommunikation und Angebote. Die Identifizierungsfunktion des neuen Personalausweises und die Nutzung von Ende-zu-Ende-Verschluesselungen sind grundsaetzlich anzuwenden. Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 153 Eine bundesweite laufend aktualisierte Landkarte aller oeffentlich angebotenen Dienstleistungen schafft Transparenz, Koordinierung, Verbindlichkeit, Priorisierung und Fokussierung und gibt den Buergerinnen und Buergern einen ueberblick ueber die entsprechenden Angebote. Die Idee der einheitlichen Behoerdennummer 115 wollen wir ins Internet uebertragen (www.115.de) und zumindest die 100 wichtigsten und am haeufigsten genutzen Verwaltungsleistungen innerhalb der naechsten vier Jahre bundesweit einheitlich online anbieten. Wir erleichtern den Kommunen die Realisierung, indem wir die besten Umsetzungsloesungen haeufig genutzter Verwaltungsleistungen anbieten und dadurch eine bessere Vereinheitlichung mit niedrigeren Folgekosten erreichen. Die Buergerinnen und Buerger sollen auf Wunsch die Moeglichkeit haben, einen einheitlichen Stammdaten-Account, ein sogenanntes Buergerkonto zu verwenden, um die Kommunikation mit der Verwaltung zusaetzlich zu vereinfachen. Zur elektronischen Identifizierung soll der neue elektronische Personalausweis genutzt werden. Das Buergerkonto kann zum digitalen Dokumentenpostfach erweitert werden. Eine Systematisierung der bislang nebeneinanderstehenden Rechtsregelungen zum Internet (Internetgesetzbuch) wird geprueft und in diesem Zusammenhang das Leistungsschutzrecht hinsichtlich der Erreichung seiner Ziele evaluiert. Erste Open-Data-Projekte in Deutschland zeigen das Potential offener Daten. Die Bundesverwaltung muss auf der Basis eines Gesetzes mit allen ihren Behoerden Vorreiter fuer die Bereitstellung offener Daten in einheitlichen maschinenlesbaren Formaten und unter freien Lizenzbedingungen sein. Wir wollen fuer Bund, Laender und Kommunen ein Open-Data-Portal bereitstellen. Die Koalition strebt einen Beitritt Deutschlands zur internationalen Initiative Open Government Partnership an. oeffentlicher Dienst Der oeffentliche Dienst ist Grundlage einer funktionierenden staatlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Das Berufsbeamtentum ist dabei Garant einer leistungsfaehigen und unabhaengigen Verwaltung. Zur Sicherung der Fachkraeftebasis und zur Gewinnung qualifizierten Nachwuchses brauchen wir eine demografievorsorgende Stellenund Personalpolitik, moderne, attraktive und familienfreundliche Arbeitsbedingungen sowie partnerschaftliche Personalvertretungen. Wir wollen die Leistungsfaehigkeit des oeffentlichen Dienstes weiterhin sicherstellen, indem wir die Zugangsvoraussetzungen kuenftig auch staerker an gewonnenen berufspraktischen Erfahrungen oder besonderen wissenschaftlichen Qualifikationen orientieren und beispielsweise den Zugang zum hoeheren Dienst des Bundes auch fuer Bachelor-Absolventen mit Promotion oder mehrjaehriger beruflicher Erfahrung oeffnen. Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum. Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 154 Moderne Justiz Wir wollen einen buergernahen und effizienten Zivilprozess. So werden wir den Laendern die Moeglichkeit einraeumen, bei den Landgerichten spezialisierte Spruchkoerper einzurichten. Wir wollen ausserdem die Neutralitaet gerichtlich beigezogener Sachverstaendiger gewaehrleisten und in Zusammenarbeit mit den Berufsverbaenden die Qualitaet von Gutachten insbesondere im familiengerichtlichen Bereich verbessern. Die Rechtsgrundlagen fuer den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte in der Justiz werden wir weiterentwickeln und die praktische Umsetzung begleiten. Damit die Buerger einfacher Ersatz fuer die Schaeden erhalten, die sie durch fehlerhaftes Verhalten staatlicher Stellen erlitten haben, fassen wir das zersplitterte Staatshaftungsrecht zusammen. Wir wollen das Betreuungsrecht in struktureller Hinsicht verbessern und damit das Selbstbestimmungsrecht hilfebeduerftiger Erwachsener bedarfsgerecht staerken. Wir werden das Vormundschaftsrecht modernisieren. Wir wollen das Rechtssprechungsmonopol des Staates staerken. Illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden. Wir sind ueberzeugt, dass Recht und Rechtsordnung eine voelkerverbindende und friedenstiftende Wirkung entfalten. Wir werden zudem die Initiative „Law – Made in Germany“ fortfuehren und weiterentwickeln. Wir werden deshalb mit Nachdruck die bilateralen Rechtsstaatsdialoge foerdern. Die Bundesregierung foerdert institutionell das Institut zur Umsetzung der Nuernberger Prinzipien im Voelkerstrafrecht in Nuernberg. Fuer Toleranz und Demokratie Im Interesse der Lebendigkeit unserer Demokratie und unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung ist es erforderlich, ziviles Engagement und demokratisches Verhalten sowie den Einsatz fuer Vielfalt und Toleranz bei Kindern und Jugendlichen auf der kommunalen bzw. regionalen Ebene zu foerdern und zu staerken. Wir motivieren und unterstuetzen Vereine, Projekte und Initiativen, die sich der Foerderung von Demokratie und Toleranz widmen und gegen Gewalt und Hass, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus wenden. Der Einsatz fuer Demokratie und gegen Extremismus ist eine gesamtstaatliche Aufgabe und bedarf einer ressortuebergreifenden Gesamtstrategie. Die Extremismuspraevention der Bundesregierung buendeln und optimieren wir. Antisemitismus bekaempfen wir, Radikalisierung treten wir entgegen. Wir staerken die Praevention durch Verstetigung von Programmen. Die Umsetzung der einmuetig beschlossenen Empfehlungen des NSUUntersuchungsausschusses ist ein wichtiger Eckpfeiler unserer Bemuehungen zur Bekaempfung des Rechtsextremismus in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit und die ueberwindung von Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus und an- Moderner Staat, innere Sicherheit und Buergerrechte 155 derer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist eine Aufgabe von Bund, Laendern und Kommunen sowie der Zivilgesellschaft gleichermassen. Die bestehenden Programme werden langfristig finanziell sichergestellt und auf bundesgesetzlicher Grundlage, soweit Gesetzgebungskompetenz vorliegt, weiterentwickelt sowie neue Strukturformen entsprechend des Abschlussberichtes des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zur NSU etabliert. Die Haushaltsmittel stocken wir auf. Wir treten rassistischen und demokratiefeindlichen Strukturen mit der Staerkung von Forschung und politischer Bildung entgegen. Die Bundeszentrale fuer politische Bildung leistet einen unverzichtbaren Beitrag fuer die Demokratiefoerderung. Ihre Arbeit wollen wir staerken. Starkes Europa 156 6. Starkes Europa
Europapolitische Verantwortung Deutschlands Das europaeische Einigungswerk bleibt die wichtigste Aufgabe Deutschlands. Die Erwartungen unserer europaeischen Partner an Deutschland haben sich im Laufe der letzten Jahre gewandelt. Die Europaeische Union (EU) durchlaeuft eine historisch einzigartige Periode wirtschaftlicher, sozialer und institutioneller Veraenderungen und Neuerungen. In dieser Umbruchphase ist Deutschland als wirtschaftlich starker Mitgliedstaat und Stabilitaetsanker in eine gewachsene Verantwortung hineingewachsen und besonderen Erwartungen seiner Partner ausgesetzt. Unser Land muss in dieser Situation als Gruendungsmitglied der EU und vertrauensvoller Partner eine verantwortungsvolle und integrationsfoerdernde Rolle in Europa wahrnehmen. Deutschland wird alle seine Moeglichkeiten nutzen und ausschoepfen, das Vertrauen in die Zukunftsfaehigkeit des europaeischen Einigungswerkes wieder zu staerken und auszubauen. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um die Krise in Europa zu ueberwinden und einen neuen Aufbruch fuer ein politisch und wirtschaftlich starkes und sozial gerechtes Europa zu schaffen. Solide und nachhaltig tragfaehige Finanzen muessen mit Wachstum und Beschaeftigung, notwendige Eigenverantwortung der Staaten mit europaeischer Solidaritaet und Demokratie zusammengebracht werden. Um diese Aufgaben erfuellen zu koennen, braucht die EU handlungsfaehige Gemeinschaftsinstitutionen. Demokratisches Europa Europapolitische Entscheidungen greifen oft tief in die Lebensbedingungen unserer Buergerinnen und Buerger ein. Fuer das Vertrauen in Europa und die EU ist es daher wichtig, die demokratische Legitimation zu staerken und Entscheidungen der EU nachvollziehbarer zu gestalten. Hierfuer ist eine starke Rolle des Europaeischen Parlamentes ebenso notwendig wie eine enge Einbindung der nationalen Parlamente. Die Europaeische Kommission braucht ein stringentes und effizientes Kollegium mit klaren Zustaendigkeiten der Kommissare. Gerade auch fuer die Akzeptanz des Krisenmanagements im Euroraum ist es wichtig, dass dieses in die demokratischen Strukturen der EU und in das bewaehrte Zusammenwirken aus Kommission, Rat, Europaeischem Parlament und Mitgliedstaaten eingebettet ist. Die Gemeinschaftsmethode steht im Zentrum der europaeischen Einigung. Dort wo einige Staaten in der Integration voranschreiten, sollte es das Ziel sein, diese Politikbereiche unter Einschluss aller EU-Mitglieder so rasch wie moeglich unter das Dach der europaeischen Vertraege zu fuehren. Die Bundesregierung unterstuetzt die Einfuehrung eines einheitlichen europaeischen Wahlrechts, um verlaessliche Mehrheiten im Europaeischen Parlament fuer die Stabilitaet der Legislativverfahren der Union sicherzustellen. In diesem Zusammenhang sollte eine angemessene Mindestschwelle fuer die Zuteilung der Sitze festgelegt werden. Die Herausbildung einer europaeischen Zivilgesellschaft ist eine essentielle Voraussetzung fuer eine lebendige europaeische Demokratie. Besonders wichtig ist es, Starkes Europa 157 dafuer auch die Jugendpolitik weiterzuentwickeln. Europaschulen, Jugendwerke und eine erhoehte Jugendmobilitaet koennen hierzu beitragen. In diesem Zusammenhang setzen wir uns beispielsweise fuer die Errichtung eines deutsch-griechischen Jugendwerks ein. Die Reformbestrebungen in Griechenland werden weiterhin partnerschaftlich unterstuetzt, insbesondere wird die Deutsch-Griechische Versammlung fortgefuehrt und weiterentwickelt. Damit die Buerger eine vertiefte Integration Europas staerker akzeptieren, ist es unerlaesslich, das Subsidiaritaetsprinzip strikt einzuhalten. Danach wird die EU nur taetig, wenn und soweit ein Handeln der Mitgliedstaaten nicht ausreichend waere. Aufgaben muessen dort verortet werden, wo sie am besten geloest werden koennen: europaeisch, national, regional oder lokal. Ausserdem muessen sich Rechtsakte der EU am Verhaeltnismaessigkeitsgrundsatz messen lassen. Wir wollen ein buergernahes Europa verwirklichen, das die kommunale Selbstverwaltung achtet. Die Sprachen und Kulturen in den Kommunen und Regionen tragen wesentlich zur Vielfalt Europas bei, mit der sich die Menschen identifizieren. Wir treten dafuer ein, dass die EU die Eigenstaendigkeit und die vielfaeltigen Traditionen aller Mitgliedstaaten bewahrt. Die EU muss sich vor allem auf die grossen Zukunftsaufgaben konzentrieren. In diesen Bereichen brauchen wir eine starke, demokratische und geschlossen handelnde EU. Der Umgang mit der deutschen Sprache in den europaeischen Institutionen muss ihre rechtliche Stellung und ihren tatsaechlichen Gebrauch in der EU widerspiegeln. Deutsch muss auch in der Praxis den anderen beiden Verfahrenssprachen Englisch und Franzoesisch gleichgestellt werden. Herausforderungen – Europas Weg aus der Krise Wir wollen alles dafuer tun, dass Europa gestaerkt aus der gegenwaertigen Krise hervorgeht. Wir sind der festen ueberzeugung, dass dies moeglich ist, wenn Europa zusammenhaelt und eine umfassende politische Antwort auf die Herausforderungen im Euroraum gibt. Die Ursachen der Krise sind vielfaeltig: Sie reichen von einer uebermaessigen Verschuldung einzelner europaeischer Staaten ueber Defizite in der Wettbewerbsfaehigkeit, wirtschaftliche Ungleichgewichte und Konstruktionsmaengel in der Europaeischen Wirtschaftsund Waehrungsunion bis zu Fehlentwicklungen auf den Finanzmaerkten. Die Wachstumsaussichten haben sich juengst aufgehellt. Doch die Krise hat tiefe Wunden geschlagen und ist noch laengst nicht ueberwunden. Die Arbeitslosigkeit ist in vielen Mitgliedstaaten weiter unertraeglich hoch, insbesondere unter Jugendlichen. Viele kleine und mittlere Unternehmen koennen Investitionen nicht finanzieren. Und die Kombination aus hohen Schuldenstaenden und schwachem Wachstum machen Europas Volkswirtschaften weiterhin anfaellig. Damit Europa dauerhaft einen Weg aus der Krise findet, ist ein umfassender politischer Ansatz erforderlich, der Strukturreformen fuer mehr Wettbewerbsfaehigkeit und eine strikte, nachhaltige Haushaltskonsolidierung mit Zukunftsinvestitionen in Wachstum und Beschaeftigung in sozial ausgewogener Weise verbindet. Starkes Europa 158 Ziel beim weiteren europaeischen Krisenmanagement muss es sein, die wechselseitige Abhaengigkeit zwischen privater Verschuldung von Banken und oeffentlicher Verschuldung von Staaten zu ueberwinden ebenso wie sicherzustellen, dass kuenftig in erster Linie die Banken selbst fuer ihre Risiken haften und nicht die Steuerzahler. Auch muessen die Regeln fuer Banken und Finanzmaerkte so weiter veraendert werden, dass Akteure der Finanzmaerkte kuenftig nie wieder den Wohlstand von Staaten und Gesellschaften gefaehrden koennen. Die Finanzmaerkte muessen an den Kosten der Krise beteiligt werden und letztlich auf ihre dienende Funktion gegenueber der Realwirtschaft zurueckgefuehrt werden. Hinzukommen muessen weitere Reformschritte zur Staerkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung, besonders in der Wirtschaftsund Waehrungsunion. Die bewaehrten Regeln der Sozialen Marktwirtschaft muessen das Grundgeruest fuer die Wirtschaftsund Waehrungsunion der Zukunft sein. Fortentwicklung der Wirtschaftsund Waehrungsunion Die Krise im Euroraum hat Konstruktionsmaengel in der europaeischen Wirtschaftsund Waehrungsunion offen gelegt. Vor allem ist deutlich geworden, dass die Wirtschaftsund Waehrungsunion eine bessere und verbindlichere Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitik und eine effektivere Haushaltspolitik braucht, um Wettbewerbsfaehigkeit, Finanzstabilitaet, die Moeglichkeit zu Zukunftsinvestitionen und sozialen Ausgleich dauerhaft erfolgreich zu verbinden. Deutschland wird im Austausch mit seinen europaeischen Partnern dafuer eintreten, dass die Wirtschaftsund Waehrungsunion in diesem Sinne weiter entwickelt wird. Die Gemeinschaftsinstitutionen sollten im Rahmen ihrer institutionellen Rolle an der wirtschaftlichen Koordinierung beteiligt werden. Deutschland steht zur gemeinsamen Waehrung. Unser Ziel ist und bleibt es, Europa gestaerkt aus der Krise zu fuehren – fuer ein Europa der Stabilitaet und des Wachstums. Unser Grundsatz ist dabei: Solidaritaet und Eigenverantwortung gehoeren zusammen. Wir Europaeer muessen auch durch eine leistungsfaehigere Wirtschaft im globalen Wettbewerb bestehen. Eine verbesserte Wettbewerbsfaehigkeit durch Strukturreformen und nachhaltige Zukunftsinvestitionen sind der Schluessel Europas zum Wachstum. Nationale und europaeische Anstrengungen muessen Hand in Hand gehen. Wir bekennen uns zu den Regeln des gestaerkten Stabilitaetsund Wachstumspakts. Dessen glaubwuerdige Anwendung ist das Fundament fuer eine dauerhaft stabile gemeinsame Waehrung. Die Glaubwuerdigkeit unseres Handelns erfordert eine an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtete Haushaltsund Wirtschaftspolitik. Die hohen Staatsschuldenquoten der Eurolaender muessen daher zurueckgefuehrt werden. Das ist eine der Lehren aus der aktuellen Krise. Die Politik der Haushaltskonsolidierung muss fortgesetzt werden und mit Reformen fuer strukturelles Wachstum und nachhaltigen Zukunftsinvestitionen kombiniert werden. Deutschland ist weiterhin bereit, solidarische Unterstuetzung beispielsweise in Form von Hilfskrediten und technischer Hilfe zu leisten, um Reformpolitiken in den Empfaengerlaendern zur Rueckgewinnung von Wettbewerbsfaehigkeit und zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu ermoeglichen. Starkes Europa 159 Das Prinzip, dass jeder Mitgliedstaat fuer seine Verbindlichkeiten selbst haftet, muss aber erhalten werden. Jede Form der Vergemeinschaftung von Staatsschulden wuerde die notwendige Ausrichtung der nationalen Politiken in jedem einzelnen Mitgliedstaat gefaehrden. Nationale Budgetverantwortung und supranationale, gemeinsame Haftung sind unvereinbar. Hilfskredite aus europaeischen Rettungsprogrammen duerfen nur als Ultima Ratio gewaehrt werden, wenn die Stabilitaet der Eurozone als Ganzes gefaehrdet ist. Wir wollen, dass Krisenstaaten eine starke Eigenbeteiligung an der Krisenbewaeltigung leisten und eigene Mittel einsetzen, bevor sie Hilfskredite erhalten. Diese duerfen nur im Gegenzug zu strikten Auflagen bzw. Reformen und Konsolidierungsmassnahmen der Empfaengerlaender gewaehrt werden. Sie setzen einen klaren Plan voraus, wie die Schuldentragfaehigkeit gesichert werden kann. Darueber hinaus ist die demokratische Kontrolle aller Hilfen von herausragender Bedeutung: ESM-Mittel werden weiterhin nur nach Zustimmung des Bundestages bewilligt. Die Krise hat gezeigt, dass europaeische Korrekturen oftmals zu spaet greifen. Zur Vermeidung von kuenftigen Verwerfungen in der Waehrungsunion muessen deshalb Haushaltspolitiken und Schuldenentwicklung besser ueberwacht und wirtschaftliche Ungleichgewichte in der Eurozone durch koordinierte Anstrengungen aller EuroMitgliedstaaten verringert werden. Dafuer muessen wir den gestaerkten Stabilitaetsund Wachstumspakt und das Ungleichgewichteverfahren konsequent nutzen. Die neuen Regeln koennen nur dann glaubwuerdig sein, wenn sie konsequent angewendet und ueberwacht werden. Die Verwendung eines EU-Fortschrittsanzeigers (Score Board) fuer Beschaeftigung und soziale Entwicklungen und von Beschaeftigungsund Sozialindikatoren sollte weiterverfolgt werden, damit diese neuen Instrumente bereits fuer das Europaeische Semester 2014 genutzt werden koennen. Mit dieser groesseren Bandbreite von Indikatoren soll EU-weit ein breiteres Verstaendnis sozialer Entwicklungen erlangt werden. Die bereits im sogenannten Two-Pack eingefuehrte ueberwachung der nationalen Haushaltsplanung durch die EU-Kommission wollen wir zu einem effektiven Instrument ausbauen, das bei klaren Verstoessen gegen EU-Regeln einem nationalen Haushaltsgesetzgeber ermoeglicht, fruehzeitig selbst gegenzusteuern. Das bezieht auch Ziele fuer Wachstum, Innovation und Beschaeftigung mit ein. Wir setzen uns dafuer ein, dass die Eurostaaten verbindliche und durchsetzbare, demokratisch legitimierte vertragliche Reformvereinbarungen mit der europaeischen Ebene schliessen, die auf die Erreichung der Ziele Wettbewerbsfaehigkeit, solide und nachhaltig tragfaehige Finanzen, Wachstum und Beschaeftigung verbunden mit Solidaritaet gerichtet sind. Wir werden die vertraglichen Grundlagen der Wirtschaftsund Waehrungsunion anpassen. Die in den von der Krise besonders betroffenen Staaten der Eurozone eingeleiteten Reformen sind eine wichtige Grundlage, um vor Ort und fuer Europa als Ganzes nachhaltiges Wachstum zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist es auch noetig, die Moeglichkeiten der Europaeischen Investitionsbank (EIB) und des EU-Haushalts einschliesslich der EU-Strukturfondsmittel gezielt zum Aufbau der noetigen Infrastruktur einzusetzen. Ausserdem sollten die Moeglichkeiten des Kreditzugangs fuer kleine und Starkes Europa 160 mittlere Unternehmen wirksam verbessert werden. Auch hier kann die EIB in Zusammenarbeit mit nationalen Foerderbanken helfen. Mit diesem Instrumentenkasten sollen die wirtschaftliche Entwicklung gestaerkt, die Beschaeftigung erhoeht und die Fragmentierung der Finanzmaerkte in Europa reduziert werden. Wettbewerbsfaehigkeit und Beschaeftigung Der Binnenmarkt ist ein Eckpfeiler fuer die Sicherung des Wachstums und der Wettbewerbsfaehigkeit Europas. Er muss seine Wirkung voll entfalten koennen und muss weiter vertieft werden. Die Vollendung des Binnenmarkts, die Schaffung geeigneter Regelungen, aber auch die gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschluessen und Qualifikationen sowie die uebertragbarkeit von sozialer Absicherung in der EU koennen bedeutende Wachstumsimpulse setzen. Vor allem mit Wettbewerbsfaehigkeit, robustem strukturellem Wirtschaftswachstum und Zukunftsinvestitionen gelingt es, neue Arbeitsplaetze dauerhaft zu schaffen und den Wohlstand zu sichern. Dies gilt insbesondere in den Krisenlaendern des EuroWaehrungsgebietes, wo die Arbeitslosigkeit viel zu hoch ist und die Menschen in der Krise oft schmerzhafte Einschnitte beim Einkommen erfahren haben, in vielen Faellen verbunden mit dem Verlust des Arbeitsplatzes. Wir werden uns dafuer einsetzen, die Politik der haushaltspolitischen Konsolidierung und Strukturreformen unter Beruecksichtigung der sozialen Vertraeglichkeit konsequent weiterzuentwickeln und dabei durch verstaerkte Zukunftsinvestitionen fuer Innovation und Wachstum zu ergaenzen. Wir werden das wirtschaftliche Klima weiter verbessern, so dass hochwertige Produktion und Beschaeftigung mit guten Einkommen entstehen. In kluger Zusammenarbeit tragen der private Sektor mit seiner Dynamik und Leistungsfaehigkeit und der Staat durch den regulatorischen Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft, durch Bildung und durch Infrastruktur zur Erreichung dieses Zieles bei. Das gilt je nach Verantwortlichkeit auf nationaler und europaeischer Ebene. Um Europa zukunftsfest zu machen, brauchen wir hoehere Investitionen etwa in Infrastruktur, Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Verkehr, transeuropaeische Netze, digitale Medien oder Breitbandversorgung, Bildung sowie Forschung und Entwicklung ebenso wie notwendige Strukturreformen. Wir werden darauf dringen, dass der im Sommer 2012 geschlossene Pakt fuer Wachstum und Beschaeftigung (120 Mrd. Euro) mit Nachdruck umgesetzt wird. Wachstumspakt und Fiskalpakt sind gleichermassen wichtige Bestandteile einer Politik fuer nachhaltiges Wachstum und solide oeffentliche Haushalte. Von besonderer Bedeutung fuer die Foerderung von Wachstum und Beschaeftigung sind Massnahmen, die kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu Finanzmitteln erleichtern. Hierzu gehoeren die erhoehte Darlehensvergabe seitens der EIB sowie die verstaerkte Nutzung revolvierender Fonds zum Einsatz der Mittel aus den Strukturund Investitionsfonds. Die Bundesregierung wird darauf achten, dass die EIB effektiv und umfassend von den ihr zusaetzlich zugewiesenen Mitteln Gebrauch macht. Das in den Vereinbarun- Starkes Europa 161 gen zur mittelfristigen Finanzplanung vorgesehene Flexibilisierungsinstrument sollte fuer Investitionen, Wachstum und Beschaeftigung genutzt werden. Im Rahmen einer sparsamen EU-Haushaltsfuehrung setzen wir uns fuer eine aufgabengerechtere Gestaltung des EU-Haushaltes ein. Mit Blick auf die Revision des Mehrjaehrigen Finanzrahmens in 2016 muessen weitere Schritte hin zu einer klaren Prioritaetensetzung des europaeischen Haushaltes fuer Wachstum, Beschaeftigung und Innovation auf den Weg gebracht werden. Die Bundesregierung wird sich auf europaeischer Ebene fuer eine moeglichst fruehzeitige Evaluierung der Pilotphase zu europaeischen Projektanleihen einsetzen. Mit einer Absicherung von Projektanleihen aus dem Haushalt der EU koennen zusaetzliche wachstumsfoerdernde Investitionen angeregt werden. Europa ist die Wiege der modernen Industriegesellschaft. In weiten Teilen Europas hat die Industrie aber an Kraft verloren. Die EU hat die Bedeutung der Industrie fuer nachhaltiges Wachstum, Wohlstand, Lebensqualitaet und Beschaeftigung sowie das Problem der Deindustrialisierung Europas mittlerweile erkannt. Es ist aber noch nicht gelungen den negativen Trend umzukehren. Wegen der grossen Bedeutung einer starken europaeischen Industrie werden wir gemeinsam mit den europaeischen Institutionen und Partnern darauf hinarbeiten, dass die EU kuenftig wieder die Heimat einer starken und modernen Industrie wird. Hierzu muessen und werden wir ressortuebergreifend die Standortbedingungen der Industrie verbessern, die internationale Wettbewerbsfaehigkeit der Industrie bei den politischen Entscheidungen in Berlin und Bruessel mitberuecksichtigen und verstaerkt auf die Kosteneffizienz unserer industriepolitischen Entscheidungen achten. Besonders wichtig in Europa sind auch hoehere private und oeffentliche Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation, in gute Ausbildungssysteme, eine verbesserte Exportfoerderung besonders in Laendern mit niedriger Exportquote, eine moderne, auf den industriellen Bedarf ausgerichtete Infrastruktur und ein foerderlicher ordnungspolitischer Rahmen im europaeischen Binnenmarkt. Zur Staerkung der Wettbewerbsfaehigkeit Europas ist ein verringerter Regelungsaufwand auf Ebene der EU erforderlich. Die EU-Kommission muss Regelungsbereiche identifizieren, die das groesste Potenzial zur Vereinfachung und zur Verringerung der Regulierungskosten bieten, vor allem soweit sie fuer kleine und mittlere Unternehmen besonders relevant sind. Fuer diese Bereiche fordern wir konkrete Abbauziele. Dem Verbraucher-, Umweltund Arbeitnehmerschutz muss dabei Rechnung getragen werden. EU-Vorgaben wollen wir grundsaetzlich „eins zu eins“ umsetzen – das sichert auch Chancengleichheit im europaeischen Binnenmarkt. Auch die Energiewende muss im europaeischen Zusammenhang gedacht werden. Nur ein integrierter Energiebinnenmarkt und eine enge Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten, z. B. beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Transportnetze, sichern eine zuverlaessige, bezahlbare und umweltvertraegliche Energieversorgung, damit Deutschland auch langfristig Motor eines wettbewerbsfaehigen Wirtschaftsund Industriestandorts Europa bleibt. Starkes Europa 162 Die Rolle, die Europa im 21. Jahrhundert spielen wird, haengt auch entscheidend davon ab, ob es uns gelingt, im Bereich der digitalen Welt Anschluss zu halten, europaeische Standards zu setzen und damit unser europaeisches Gesellschaftsmodell zu bewahren. Deshalb treten wir fuer eine umfassende europaeische digitale Agenda ein, die Verbraucherschutz, Datenschutz, Innovation, Netz und Informationssicherheit zusammenbringen. Noetig ist zudem ein neuer internationaler Rechtsrahmen fuer den Umgang mit unseren Daten. Unser Ziel ist eine internationale Konvention fuer den weltweiten Schutz der Freiheit und der persoenlichen Integritaet im Internet. Die derzeit laufende Verbesserung der europaeischen Datenschutzbestimmungen muss entschlossen vorangetrieben werden. Auf dieser Grundlage wollen wir auch das Datenschutzabkommen mit den USA zuegig verhandeln. Bei der Koordinierung unserer Wirtschaftspolitik im europaeischen Rahmen behalten wir auch die globale Dimension fest im Blick. So werden wir beispielsweise den Abschluss eines Freihandelsabkommen mit den USA vorantreiben. Wir werden die Herausforderung der zunehmenden globalen Konkurrenz zwischen Unternehmen und Standorten meistern, indem wir uns an den bewaehrten Grundlinien unserer Sozialen Marktwirtschaft orientieren und der Sicherung der internationalen Wettbewerbsfaehigkeit unserer deutschen und europaeischen Wirtschaft hohe Prioritaet einraeumen. In einer sich rasch veraendernden Welt kann nur ein starkes Europa weiterhin seinen Einfluss behalten. Auch dafuer brauchen wir nachhaltiges Wirtschaften und hohe oekonomische und soziale Stabilitaet. Dem besonderen Schutzbeduerfnis von Kultur und Medien wird in der deutschen Europapolitik Rechnung getragen, insbesondere in der europaeischen Rechtsetzung, bei EU-Beihilfefragen oder bei Freihandelsabkommen mit Drittstaaten. Dies muss auch bei den Verhandlungen ueber ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA durch Ausnahmeregelungen beruecksichtigt und gesichert werden. Soziale Dimension staerken, Beschaeftigung schaffen, Jugendarbeitslosigkeit bekaempfen Die Erfahrung der Krise lehrt einmal mehr, dass die groesste Bedrohung fuer die Menschen und den sozialen Frieden in Europa der Verlust des Arbeitsplatzes ist. Deswegen ist der beste und auf Dauer einzig erfolgreiche Weg zur Sicherheit von Einkommen, persoenlicher Teilhabe und gesellschaftlicher Integration und Stabilitaet, die Arbeitslosigkeit zu ueberwinden und genuegend qualifizierte, dauerhaft wettbewerbsfaehige Arbeitsplaetze zu schaffen. Eigenverantwortung und die private Initiative, zu arbeiten und unternehmerisch Arbeit zu schaffen, muessen flankiert werden durch solidarische Unterstuetzung. Dies spiegelt sich auch in der europaeischen Strategie aus Solidaritaet und Soliditaet wieder: Strukturreformen der Mitgliedstaaten und Haushaltskonsolidierung sind ebenso wie Zukunftsinvestitionen eine wichtige Grundlage fuer Wachstum und Beschaeftigung und damit auch fuer die soziale Integration der Buerger. Die Arbeitslosigkeit junger Menschen ist in vielen europaeischen Laendern infolge der Krise dramatisch gestiegen. Diese jungen Menschen, die vielfach gut ausgebildet sind, darf Europa nicht im Stich lassen. Die Bekaempfung der Jugendarbeitslosigkeit muss deshalb eine Prioritaet europaeischer Politik sein. Starkes Europa 163 Deutschland wird bei der Umsetzung der vereinbarten Europaeischen Jugendgarantie mit gutem Beispiel vorangehen. Eine erfolgreiche Umsetzung in allen Mitgliedstaaten bedarf ausreichender finanzieller Unterlegung, um den Aufbau notwendiger Strukturen in den am staerksten betroffenen Laendern zu ermoeglichen. Wir begruessen einen Qualitaetsrahmen fuer Praktika. Die Bundesregierung wird sich fuer ueberpruefbare Ziele zur Bekaempfung der Jugendarbeitslosigkeit im Europaeischen Semester einsetzen. Dabei sollten die nationalen Parlamente und das Europaeische Parlament ihre Rolle wahrnehmen. Die Mittel, die im Rahmen der Beschaeftigungsinitiative fuer junge Menschen im naechsten europaeischen Haushalt vorgesehen sind, muessen schnellstmoeglich, in jedem Fall in den ersten zwei Jahren der kommenden Finanzperiode eingesetzt werden. Eine Aufstockung der finanziellen Mittel zur Bekaempfung der Jugendarbeitslosigkeit kann falls notwendig im Rahmen der bereits vereinbarten Re-Programmierung der europaeischen Strukturfonds sowie durch eine Buendelung noch verfuegbarer Haushaltsmittel erfolgen. Wir unterstuetzen Initiativen zur technischen Hilfe bei Abruf und Einsatz der Mittel. Die Finanzierung von Investitionen in Bildung und Ausbildung und befristeten Lohnkostenzuschuessen durch Kredite und Garantien der EIB begruessen wir ausdruecklich und setzen uns fuer eine verstaerkte Kombination von EIB-Krediten und europaeischen Fondsmitteln ein. Die Moeglichkeiten, die das Programm „Erasmus fuer alle“ fuer duale Ausbildung bietet, sollten besser ausgeschoepft werden. Auch werden wir einen gemeinsamen europaeischen Arbeitsmarkt foerdern, durch die bessere Vermittlung von Sprachen sowie eine bessere uebertragbarkeit von Bildungsabschluessen und sozialer Absicherung. Wir setzen uns dafuer ein, dass die Mobilitaet und Durchlaessigkeit in einem gemeinsamen europaeischen Ausbildungsund Arbeitsmarkt deutlich gestaerkt werden. Wir ergreifen gezielte Massnahmen, die es qualifizierten Jugendlichen aus anderen Mitgliedstaaten erleichtern, ihre Berufsausbildung in Deutschland zu absolvieren bzw. eine Beschaeftigung in Deutschland aufzunehmen. Wir wollen – unter Einbeziehung der Kammerorganisationen – ausserdem anderen Mitgliedstaaten bei der Einfuehrung des erfolgreichen deutschen Systems der dualen Ausbildung einschliesslich des Grossen Befaehigungsnachweises behilflich sein und zur erfolgreichen Umsetzung der europaeischen Ausbildungsallianz beitragen. Zur Schaffung zusaetzlicher Ausbildungsund Arbeitsplaetze setzen wir uns fuer eine Gemeinschaftsaktion von Unternehmen, Gewerkschaften und den Mitgliedstaaten der Europaeischen Union ein. Die Erfahrungen, die wir in Deutschland mit dem „Ausbildungspakt" gemacht haben, bringen wir in die Zusammenarbeit ein. Es sollten auch Programme fuer Existenzgruender – aehnlich dem deutschen Gruendungszuschuss – ausgebaut werden. Diese Programme sind durch eine umfassende Beratung zu begleiten. Mit Blick auf die primaere Zustaendigkeit der Mitgliedstaaten fuer Sozialpolitik respektiert die EU nationalstaatliche Traditionen. Im Rahmen des europaeischen Wirtschaftsund Sozialmodells unterstuetzen wir die Entwicklung gemeinsamer Prinzipien und Kriterien zur Bekaempfung von Lohnund Sozialdumping, um Wettbewerbsverzerrungen auch Starkes Europa 164 zum Schaden von Unternehmen und Arbeitnehmern im Binnenmarkt entgegen zu treten. Die Beschaeftigten in Europa muessen effizienter vor Ausbeutung und sittenwidrigen Arbeitsbedingungen geschuetzt werden. Dort, wo wirtschaftliche Aktivitaet grenzueberschreitend ist, duerfen Arbeitnehmerrechte nicht an den Grenzen Halt machen. Wir treten dafuer ein, die Einfuehrung von Standards fuer Mindestloehne zu pruefen, die national zu organisieren und zu definieren sind und die einen hohen Beschaeftigungsstand und faire Loehne garantieren wuerden – wobei die Wahl zwischen Gesetzgebung und Tarifvereinbarungen besteht. Ebenso muss sichergestellt werden, dass die Gleichrangigkeit sozialer Grundrechte aus der Charta der Grundrechte der Europaeischen Union gegenueber den Marktfreiheiten im europaeischen Binnenmarkt durchgesetzt wird. Der soziale Dialog der Tarifpartner hat auch auf europaeischer Ebene eine wichtige Funktion, die weiter gestaerkt werden sollte ebenso wie die europaeischen Betriebsraete und die Mitbestimmung in europaeischen Unternehmern. Bei den derzeit laufenden Verhandlungen ueber die Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie setzen wir uns fuer das in Deutschland geltende hohe Niveau mit klaren Haftungsregeln, umfassenden Informationsrechten der Behoerden sowie effizienten Kontrollrechten der Mitgliedstaaten ein. Die Bekaempfung von moeglichem Missbrauch darf nicht durch die Aufweichung von Kontrollbefugnissen erschwert werden. Der Missbrauch zum Beispiel durch Briefkastenfirmen und Scheinentsendungen muss entschlossen bekaempft werden. Das europaeische Entsenderecht sollte so weiter entwickelt werden, dass das Lohnniveau, d. h. gleiche Entlohnung fuer gleiche Taetigkeit, und die Arbeitsbedingungen des jeweiligen Ziellandes gelten. Die oeffentliche Daseinsvorsorge, insbesondere die Daseinsvorsorge auf regionaler und kommunaler Ebene (z. B. die Wasserversorgung) gehoert zum Kernbestand staatlicher Aufgaben. Der demographische Wandel und der Bevoelkerungsschwund in vielen laendlichen Gebieten verschaerfen die Handlungsnotwendigkeiten auf diesem Gebiet. Das Wettbewerbsprinzip des EU-Binnenmarktes, ein funktionierendes Gemeinwesen und sozialer Ausgleich muessen in einem ausgewogenen Verhaeltnis stehen; nur so wird eine Akzeptanz der Buergerinnen und Buerger erreicht. Die Gestaltungsmoeglichkeiten der Mitgliedstaaten, ihrer Regionen und Kommunen fuer ihre im oeffentlichen Interesse liegenden Aufgaben muessen erhalten bleiben. Wir werden jeder weiteren Einschraenkung der Daseinsvorsorge durch EU-Politiken offensiv entgegentreten. Nationale, regionale und lokale Besonderheiten in der oeffentlichen Daseinsvorsorge duerfen durch europaeische Politik nicht ausgehebelt werden. Europaeische Aussenund Sicherheitspolitik Wir wollen eine starke und selbstbewusste Europaeische Union, die den Globalisierungsprozess massgeblich mit gestaltet und dabei entschlossen fuer die Sicherung von Frieden, Freiheit und Wohlstand eintritt. Deutschland wird aktiv dazu beitragen, das Vertrauen in das europaeische Einigungswerk zu staerken. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Partnern ist fuer den gemeinsamen Erfolg unerlaesslich. Die Beruecksichtigung der Interessen der kleinen und mittleren Mitgliedstaaten ist konstitutiver Bestandteil unserer Europapolitik. Starkes Europa 165 Die Glaubwuerdigkeit der Europaeischen Union in ihrem internationalen Einsatz fuer Menschenrechte haengt massgeblich davon ab, wie konsequent sie ihre Werte lebt und deren Verletzung im Innern ahndet. Die Bundesregierung setzt sich auf Grundlage von Artikel 7 EUV fuer einen wirksamen Mechanismus zur Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Standards in Europa ein, um den Schutz der Werte, wie sie in Artikel 2 EUV verankert sind, zu gewaehrleisten. Die deutsch-franzoesische Partnerschaft ist in ihrer Breite und Tiefe einzigartig. Unsere Laender haben als starke Wirtschaftsnationen ein besonderes Interesse, aber auch besondere Moeglichkeiten, die europaeische Einigung massgeblich zu foerdern und Wohlstand, Sicherheit und Wettbewerbsfaehigkeit der EU zu staerken. Wir werden die am 22. Januar 2013 beschlossene deutsch-franzoesische Agenda Schritt fuer Schritt weiter umsetzen. Unsere Partnerschaft mit Polen weiter vertiefen und die vielfaeltigen nachbarschaftlichen Beziehungen weiterentwickeln. Die Arbeitsmoeglichkeiten des Deutsch-Polnischen Jugendwerks werden wir ausweiten und den Jugendbegegnungsstaetten in Kreisau und Auschwitz eine langfristige Perspektive geben. Wir werden die Zusammenarbeit mit Frankreich und Polen im Weimarer Dreieck intensivieren. Bilaterale Initiativen mit unseren mitteleuropaeischen Partnern wollen wir ausbauen. Dem deutsch-tschechischen Zukunftsforum und dem deutsch-tschechischen Zukunftsfonds sichern wir eine Perspektive ueber 2017 hinaus. Erweiterungen und oestliche Nachbarschaft Die Erweiterung der EU ist aktive europaeische Friedenspolitik. Die bisherigen EUErweiterungen sind im Interesse Deutschlands und Europas. Wir stehen dazu, dass dieser Prozess unter strikter Beachtung der Beitrittskriterien fortgesetzt wird und die Staaten des Westlichen Balkans eine Beitrittsperspektive haben. Sowohl Serbien als auch Kosovo muessen ihre eingegangenen Verpflichtungen erfuellen. Wir wollen KFOR im Einklang mit der Sicherheitsentwicklung schrittweise reduzieren und zum Abschluss fuehren. Gemeinsam mit unseren Partnern und Verbuendeten werden wir die Heranfuehrung der Laender des Westlichen Balkans an EU und NATO aktiv vorantreiben. Fuer die EU-Erweiterung sind die Anwendung strenger Kriterien und klar ueberpruefbarer Fortschritte wichtig. Massgeblich sind sowohl die Beitrittsfaehigkeit der Kandidaten als auch die Aufnahmefaehigkeit der Europaeischen Union. Die Tuerkei hat fuer Europa strategische und wirtschaftliche Bedeutung. Wir sind darueber hinaus mit der Tuerkei durch vielfaeltige Beziehungen zwischen den Menschen in unseren beiden Laendern eng verbunden. Wir moechten die Beziehungen zwischen der Europaeischen Union und der Tuerkei weiter vertiefen, einschliesslich einer engen strategischen Zusammenarbeit in aussenund sicherheitspolitischen Fragen. Wir sehen nicht nur die eindrucksvolle wirtschaftliche Entwicklung der Tuerkei, sondern begruessen vor allem die mit Blick auf die Beitrittsverhandlungen unternommenen Reformanstrengungen. Der Verhandlungsprozess laeuft mit der Eroeffnung neuer Verhandlungskapitel weiter. Die unbedingte Achtung der Werte, auf denen auch die EU fusst, wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie Religionsund Meinungsfreiheit, und deren innerstaatliche Durchsetzung sind Voraussetzung fuer weitere Fortschritte. Die 2005 aufgenommenen Verhandlungen mit dem Ziel des Beitritts sind ein Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begruendet und dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren laesst. Auch in der Tuerkei wird eine Diskussion ueber die Frage der EU-Mitgliedschaft gefuehrt. Sollte die EU nicht aufnahmefaehig oder die Tuerkei nicht in der Lage sein, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll Starkes Europa 166 und ganz einzuhalten, muss die Tuerkei in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhaeltnis zur EU und zu Deutschland weiter entwickelt, moeglichst eng an die europaeischen Strukturen angebunden werden. Es liegt im vitalen Interesse Deutschlands und der EU, Stabilitaet, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung auch in den anderen angrenzenden Regionen zu foerdern. In diesem Zusammenhang hat sich die Europaeische Nachbarschaftspolitik bewaehrt. Fuer die oestliche Partnerschaft bleiben Assoziierungs-, Freihandelsund Visaerleichterungs-Abkommen die besten Instrumente. Die Nachbarlaender an der suedlichen und oestlichen Kueste des Mittelmeers sind von strategischer Bedeutung fuer Europa. Eine engere Anbindung dieser Staaten an die EU kann zu einer Stabilisierung der Region beitragen. Ein starkes Europa in der Welt Wir wollen, dass die Europaeische Union ihrer Verantwortung als Traegerin des Friedensnobelpreises auch kuenftig gerecht wird. Sie muss in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts die internationale Politik mitgestalten und hierfuer eine starke eigenstaendige Rolle wahrnehmen. Die Bundesregierung wird anknuepfend an den EUGipfel im Dezember 2013 neue politische Initiativen zur Staerkung und Vertiefung der Gemeinsamen Aussenund Sicherheitspolitik ergreifen. Der Europaeische Rat sollte sich auf der Ebene der Staatsund Regierungschefs in der Regel einmal im Jahr mit Aussen-, Sicherheitsund Verteidigungspolitik befassen. Wir setzen uns dafuer ein, das Amt des/der Hohen Beauftragten fuer die Aussenund Sicherheitspolitik, zu staerken. Die Handlungsfaehigkeit des Europaeischen Auswaertigen Dienstes (EAD) fuer ein praeventives Krisenmanagement und fuer eine schnelle Krisenreaktion muss verbessert werden. Ein schlanker EAD hat eine funktionale und keine ueberwiegend repraesentative Aufgabe. Aussenpolitische Fragen, Handelspolitik sowie Entwicklungszusammenarbeit muessen zwischen EU-Kommission und EAD besser verknuepft und enger abgestimmt werden. Die Europaeische Union braucht mehr denn je eine strategische Diskussion, was sie mit vorrangig zivilen Mitteln oder gegebenenfalls auch militaerischen Einsaetzen erreichen kann und will. Die Europaeische Union und ihre Mitgliedstaaten koennen wertvolle Hilfe beim Aufbau von Demokratie, rechtsstaatlichen Systemen und einer leistungsfaehigen Verwaltung in Drittlaendern leisten. Das gilt insbesondere fuer die Bereiche der Polizei und Justiz. Wir setzen uns dafuer ein, die zivilen und militaerischen Instrumente der Europaeischen Union weiter miteinander zu verknuepfen und Europas zivile sowie militaerische Faehigkeiten zur Krisenpraevention und Konfliktbeilegung zu verbessern. Die Streitkraefteplanung in Europaeischer Union und Nordatlantischer Allianz ist enger aufeinander abzustimmen. Dopplungen sind zu vermeiden. NATOund EU-Faehigkeiten muessen komplementaer zueinander sein. Wir wollen, dass gemeinsame europaeische Einsaetze zur Wahrung und Staerkung der Sicherheit Europas vorrangig in unserer geographischen Nachbarschaft durchgefuehrt werden. Einsaetze jenseits dieser Nachbarschaft sollten vermehrt regionalen Partnern und Organisationen uebertragen werden, beispielsweise der Afrikanischen Union Starkes Europa 167 (AU), der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) oder dem GolfKooperationsrat (GCC). Diese und weitere regionale Organisationen sowie verlaessliche Partner vor Ort muessen bei der uebernahme von Verantwortung unterstuetzt werden. OSZE und Europarat Wir wollen die OSZE staerken. Die Bundesregierung erklaert sich in Absprache mit den OSZE-Partnernationen, insbesondere Polen und Frankreich, dazu bereit, mehr Verantwortung in der OSZE zu tragen. Wir wollen, dass der Europarat und seine Organe sich auf ihre Kernkompetenz als Hueter und Bewahrer elementarer Grundund Menschenrechte besinnen. Darauf wollen wir intensiv hinarbeiten. Verantwortung in der Welt 168 7. Verantwortung in der Welt Verlaesslicher Partner in der Welt Deutschland stellt sich seiner internationalen Verantwortung. Wir wollen die globale Ordnung aktiv mitgestalten. Dabei lassen wir uns von den Interessen und Werten unseres Landes leiten. Deutschland setzt sich weltweit fuer Frieden, Freiheit und Sicherheit, fuer eine gerechte Weltordnung, die Durchsetzung der Menschenrechte und die Geltung des Voelkerrechts sowie fuer nachhaltige Entwicklung und Armutsbekaempfung ein. Wir stehen bereit, wenn von unserem Land Beitraege zur Loesung von Krisen und Konflikten erwartet werden. Dabei stehen fuer uns die Mittel der Diplomatie, der friedlichen Konfliktregulierung und der Entwicklungszusammenarbeit im Vordergrund.
Wir stehen fuer Verlaesslichkeit und Buendnistreue. Wir wollen ein guter Partner bei der Gestaltung einer gerechten Weltordnung sein. Transatlantische Partnerschaft und NATO staerken Die transatlantische Zusammenarbeit ist sowohl fuer Europa als auch fuer Nordamerika von grundlegender Bedeutung. Die transatlantische Partnerschaft basiert auf einem Fundament gemeinsamer Werte und Interessen und ist deshalb auch heute der Schluessel zu Freiheit, Sicherheit und Wohlstand fuer alle. Dort, wo in juengster Zeit Vertrauen in Frage gestellt wurde, muss es wiederhergestellt werden. Dazu erwarten wir ein deutliches Bekenntnis und entsprechende Massnahmen der US-Administration. Wir wollen die Regeln, die fuer den Umgang zwischen Partnern gelten, klarer definieren und streben glaubhafte und ueberpruefbare Vereinbarungen an, um die Privatsphaere unserer Buergerinnen und Buerger zu schuetzen. Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA ist eines der zentralen Projekte zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen. Wir wollen, dass die Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss gefuehrt werden, ohne im Vertrag parlamentarische Kontrolle und gerichtlichen Schutz in Frage zu stellen. Unser Ziel ist dabei, bestehende Hindernisse in den transatlantischen Handelsund Investitionsbeziehungen so umfassend wie moeglich abzubauen. Die Zulassung begruendeter Ausnahmen muss fuer jede Vertragspartei Teil des Abkommens sein. Wir werden auf die Sicherung der Schutzstandards der Europaeischen Union insbesondere im Bereich des Datenschutzes, der europaeischen Sozial-, Umweltund Lebensmittelstandards sowie auf den Schutz von Verbraucherrechten und oeffentlicher Daseinsvorsorge sowie von Kultur und Medien Wert legen. Wir bekennen uns zur NATO und zu ihrem neuen strategischen Konzept. Die transatlantische Allianz ist und bleibt das zentrale Fundament unserer Sicherheitsund Verteidigungspolitik angesichts neuer Risiken und Bedrohungen einer globalisierten Welt. Sie ist die Organisation, in der die transatlantischen Partner ihre strategischen sicherheitspolitischen Vorstellungen gleichberechtigt konsultieren und koordinieren. Wir wirken im Buendnis aktiv mit und setzen uns auch auf diese Weise dafuer ein, dass die Bindungen zwischen Nordamerika und Europa tragfaehig bleiben und vertieft werden. Deutschland wird auch kuenftig seinen angemessenen Teil der Lasten im Buend- Verantwortung in der Welt 169 nis verlaesslich leisten. Gemeinsam mit unseren NATO-Partnern setzen wir konsequent die Beschluesse von Chicago zur strategischen Neuausrichtung der Allianz um. Wir unterstuetzen die Verteidigungskooperation auf Grundlage der Smart-Defence Initiative, militaerische Faehigkeiten gemeinsam zu planen, zu beschaffen und bereitzustellen und die Interoperabilitaet der Streitkraefte im Buendnis zu erhalten. Deutschland ist bereit, als Rahmennation dazu beizutragen, zusammen mit anderen NATOPartnern Faehigkeiten fuer das Buendnis zu erbringen. Das Instrument des NATO-Russland-Rates wollen wir weiterhin nutzen und den strategischen Wert dieses Gremiums staerken. Gerade beim Abzug der ISAF-Truppen aus Afghanistan hat sich gezeigt, dass die Kooperation zwischen NATO und Russland moeglich und im gegenseitigen Interesse ist. Diese positiven Erfahrungen sollten auch fuer andere sicherheitspolitische Herausforderungen, wie die Gespraeche ueber den Aufbau der NATO-Raketenabwehr, genutzt werden. Die Bundesregierung bekennt sich zu ihren buendnispolitischen Zusagen und wird ihren Beitrag zum Aufbau der NATO-Raketenabwehr leisten, die wir fuer den effektiven Schutz vor der Bedrohung durch Raketen in den Haenden von Risikostaaten benoetigen. Die Bundesregierung wird dabei mit ihren NATO-Partnern gemeinsame und kooperative Loesungen suchen, die nicht zu neuen Spannungen und Ruestungswettlaeufen fuehren. Offener Dialog und breitere Zusammenarbeit mit Russland Deutschland und Russland sind durch eine wechselvolle Geschichte eng miteinander verbunden. Russland ist der groesste und wichtigste Nachbar der Europaeischen Union. Ein modernes, wirtschaftlich starkes und demokratisches Russland liegt in deutschem wie europaeischem Interesse. Wir wollen die Modernisierungspartnerschaft auf weitere Bereiche ausdehnen, um gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich zu Fortschritten zu kommen. Wir werden dazu mit der russischen Fuehrung offen ueber unterschiedliche Vorstellungen einer Modernisierungspartnerschaft sprechen. Wir begruessen und unterstuetzen die vielfaeltigen Bemuehungen um eine Verbreiterung und Vertiefung der Beziehungen auf staatlicher und zivilgesellschaftlicher Ebene. Wir streben die Weiterentwicklung des Petersburger Dialogs an. Darueber hinaus wollen wir neue Formen des gesellschaftlichen Dialogs mit Russland ins Leben rufen und die bilateralen Kontakte zu Vertretern der neuen russischen Mittelschicht und Zivilgesellschaft intensivieren. Russland ist gefordert, rechtsstaatliche und demokratische Standards einzuhalten, zu denen sich Russland auch international verpflichtet hat. Das gilt auch fuer die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen. Wir streben eine weitere Liberalisierung der Visaregelungen fuer Unternehmer, Wissenschaftler, zivilgesellschaftliche Akteure und Studenten an. Wir wollen die Russlandund Osteuropa-Kompetenz in Deutschland auf eine solide Grundlage stellen. Dazu wollen wir die wissenschaftlich-analytische Expertise ueber diese Region staerken. Wir werden uns in der Europaeischen Union fuer mehr Kohaerenz in der RusslandPolitik einsetzen. Wir verfolgen auch weiterhin die Ziele eines neuen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europaeischen Union und Russland, des Ausbaus der Ostseezusammenarbeit sowie der Verstaerkung der Zusammenarbeit in der Aussenund Verantwortung in der Welt 170 Sicherheitspolitik. Dabei kommt der Vertiefung des trilateralen Dialogs zwischen Deutschland, Polen und Russland eine Schluesselrolle zu. Bei der Gestaltung unserer Beziehungen zu Russland wollen wir die berechtigen Interessen unserer gemeinsamen Nachbarn beruecksichtigen. Sicherheit in und fuer Europa laesst sich nur mit und nicht gegen Russland erreichen. Dabei wollen wir gemeinsam mit Russland vor allem die Regelung von Konflikten in der gemeinsamen Nachbarschaft voran bringen und erwarten insbesondere in der Transnistrienfrage Fortschritte. Neue Dynamik fuer Abruestung und Ruestungskontrolle Abruestungsund Ruestungskontrollpolitik sind ein bedeutsames Element deutscher Aussenund Sicherheitspolitik. Ruestungskontrolle, Abruestung und Nichtverbreitung tragen wesentlich zum Frieden sowie zu unserer Sicherheit und Stabilitaet bei. Wir treten fuer allgemeine und weltweite Abruestung und Ruestungskontrolle sowohl von konventionellen als auch von Massenvernichtungswaffen ein. Gemeinsam mit unseren NATO-Partnern haben wir uns auf dem Gipfel von Chicago zum Ziel gesetzt, die Bedingungen fuer eine Welt ohne Kernwaffen zu schaffen und bis dahin die Rolle von Nuklearwaffen zu reduzieren. Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben. Die Bundesregierung wird sich dafuer einsetzen, dass zwischen den USA und Russland Verhandlungen zur verifizierbaren, vollstaendigen Abruestung im substrategischen Bereich beginnen, und entsprechende Schritte beider Partner engagiert unterstuetzen. Erfolgreiche Abruestungsgespraeche schaffen die Voraussetzung fuer einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Atomwaffen. Gleichzeitig braucht die konventionelle Abruestung und Ruestungskontrolle in Europa neue politische Impulse. Wir werden uns ueber das KSE-Vertragswerk hinaus fuer die Modernisierung der Ruestungskontrollarchitektur in Europa auf Grundlage verifizierbarer Transparenz einsetzen. Wir wollen das Open-Sky-Abkommen durch eine deutsche Beobachtungsplattform unterstuetzen. Wir werden uns international fuer die vollstaendige Implementierung des VNKleinwaffenabkommens einsetzen und die Umsetzung in adaequate nationale Kontrollmechanismen unterstuetzen. Alle im nichtstaatlichen Bereich in Deutschland gehandelten und gefuehrten sowie fuer den Export vorgesehenen und vom VNKleinwaffenaktionsprogramm erfassten Kleinund Leichtwaffen sollten in Zukunft mit einer moeglichst unausloeschlichen Markierung versehen werden, um deren Nachverfolgbarkeit zu ermoeglichen. Auch die weltweite Umsetzung des internationalen Waffenhandelsvertrags (ATT) wollen wir energisch vorantreiben. Deutschland wird regionale Abmachungen zu massenvernichtungswaffenfreien Zonen unterstuetzen. Mit einem gemeinsamen EU-Standpunkt wollen wir zum Gelingen der bevorstehenden ueberpruefungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag im Jahr 2015 beitragen. Verantwortung in der Welt 171 Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien hat deutlich gemacht, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, um die globale Gueltigkeit des Chemiewaffenuebereinkommens (CWue) mit neuen Initiativen voranzutreiben. Exporte dual-use-faehiger chemischer Substanzen und Anlagen in Nicht-CWue-Staaten muessen einer besonders strikten Kontrolle unterzogen werden. Vereinte Nationen, globaler Dialog und strategische Partnerschaften Den Vereinten Nationen kommt eine Schluesselrolle fuer die Wahrung des Friedens und zur Bewaeltigung von globalen Herausforderungen zu. Mit neuen Initiativen, die wir mit unseren europaeischen Partnern abstimmen, wollen wir unseren Beitrag zur Erneuerung und Weiterentwicklung der Strukturen der Vereinten Nationen leisten, einschliesslich einer Reform und Erweiterung des Sicherheitsrates. Deutschland bleibt bereit, mehr Verantwortung auf Ebene der Vereinten Nationen zu uebernehmen, auch mit der uebernahme eines staendigen Sitzes im Sicherheitsrat. Wir streben fuer die Zukunft einen staendigen Sitz der Europaeischen Union an. Zur Erfuellung ihrer friedenswahrenden Aufgaben benoetigen die Vereinten Nationen eine angemessene Ausstattung fuer ihre Friedensmissionen (Peacekeeping) und der politischen Missionen der Weltorganisation, damit effektive multilaterale Friedenspolitik betrieben werden kann. Zur Besetzung von Fuehrungspositionen in den Vereinten Nationen streben wir ein effektives Personalkonzept an. Dafuer werden wir auch die ressortuebergreifende Koordinierung der VN-Politik aufwerten. Wir werden den VN-Standort Bonn staerken.
Eine Weiterentwicklung des Voelkerrechts muss dazu beitragen, dass die Vereinten Nationen einen wirksameren Beitrag zur weltweiten Durchsetzung von Freiheit und Menschenrechten leisten. Das Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) bedarf der weiteren Ausgestaltung und einer voelkerrechtlich legitimierten Implementierung. Dabei gilt es vor allem die praeventive Saeule der Schutzverantwortung international zu staerken. Die Koalition erkennt die Schluesselrolle von Frauen sowohl bei der Praevention als auch bei der Regelung von Konflikten an. Sie wird den Nationalen Aktionsplan zur VN-Resolution 1325 in enger Abstimmung mit der Zivilgesellschaft schrittweise umsetzen. Wir wollen unser Engagement fuer Sicherheit und Frieden auch im aussereuropaeischen Raum durch strategische Partnerschaften konsequent fortentwickeln. Deutschland wird im Jahr 2015 erneut die G8-Praesidentschaft uebernehmen. Wir werden darueber hinaus die Kooperation mit den Partnern der G20 engagiert fortsetzen. Wir werden das „Internationale Deutschlandforum“ fortfuehren. Naher Osten und arabische Welt Wir bekennen uns zu der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenueber Israel als juedischem und demokratischem Staat und dessen Sicherheit. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind fuer uns nicht verhandelbar. 2015 feiern wir das 50jaehrige Jubilaeum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Staat Israel. Dieses Jubilaeum wird die Bundesregierung angemessen wuerdigen. Verantwortung in der Welt 172 Deutschland und Europa haben ein hohes Interesse an Frieden und Stabilitaet im Nahen und Mittleren Osten. Unser Ziel ist eine Zweistaaten-Loesung mit einem Staat Israel in anerkannten und dauerhaft sicheren Grenzen sowie einem unabhaengigen, demokratischen und lebensfaehigen palaestinensischen Staat, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben. Wir unterstuetzen die Transformationsprozesse derjenigen arabischen Staaten, in denen sich eine positive Entwicklung zur Demokratie und zum gesellschaftlichen Pluralismus abzeichnet. Die begonnenen Transformationspartnerschaften wollen wir fortfuehren. Der Umgang mit der jeweiligen Opposition, die Gewaehrung elementarer Grundund Freiheitsrechte einschliesslich des Rechts auf Religionsfreiheit sowie die Existenz einer freien Presseund Medienlandschaft sind fuer uns ausschlaggebende Kriterien fuer die Unterstuetzung dieser Staaten. Religioese Minderheiten muessen ihren Glauben frei ausueben koennen und vor Gewalt geschuetzt werden. Das Urteil gegen Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung und die mehrjaehrigen Haftstrafen duerfen keinen Bestand haben. Die deutsch-aegyptische Erklaerung vom Januar 2013 muss Gueltigkeit haben. Die deutschen politischen Stiftungen muessen in aegypten frei arbeiten duerfen. Wir beobachten mit grosser Sorge, dass die Lage der Christen und anderer religioeser und ethnischer Minderheiten in Nordafrika, dem Nahen oder Mittleren Osten nach dem Sturz der autoritaeren Regime sich zum Schlechteren entwickelt. Auch deshalb werden wir die Entwicklung von pluralistischen Gesellschaften, in denen Religionsfreiheit garantiert und umgesetzt wird, dort mit aller Kraft unterstuetzen. Christen muessen in dieser Region eine Zukunft haben. Deutschland wird sich gemeinsam mit seinen Partnern aktiv an der Suche nach einer politischen Loesung des Syrienkonflikts beteiligen. Gemeinsam mit der internationalen Staatengemeinschaft werden wir den Druck auf das Regime in Damaskus aufrecht erhalten, die gemachten Zusagen vollstaendig einzuhalten. Den wachsenden Einfluss islamistischer Kraefte betrachten wir mit Sorge. Wir wollen das Leiden der syrischen Fluechtlinge und Vertriebenen in den Anrainerstaaten lindern helfen und setzen uns fuer einen humanitaeren Zugang von Hilfsorganisationen innerhalb Syriens ein. Wir werden uns gemeinsam mit dem UNHCR gegenueber anderen EU-Mitgliedstaaten fuer eine gemeinsame europaeische Initiative zur Aufnahme syrischer Fluechtlinge einsetzen. Wir fordern den Iran auf, alle Zweifel am ausschliesslich friedlichen Charakter seines Atomprogramms auszuraeumen. Ein nuklear bewaffneter Iran stellte eine Gefahr fuer die gesamte Region und darueber hinaus dar und wuerde den weltweiten Bemuehungen um Abruestung und Nonproliferation schweren Schaden zufuegen. Um die Gefahr abzuwenden, dass der Iran die Faehigkeit hat, Nuklearwaffen herzustellen, unterstuetzen wir im Rahmen der Verhandlungsgruppe von Grossbritannien, Frankreich, Deutschland USA, Russland und China, (E 3 plus 3) alle Anstrengungen fuer eine diplomatische Loesung des Irankonflikts. Dabei halten wir am „doppelten Ansatz“ fest. Die Politik der internationalen Gemeinschaft gegenueber dem Iran, die auf Kooperationsangebote und gezielte Sanktionen setzt, hat zu Bewegung in den zuvor festgefahrenen Verhandlungen gefuehrt. Unser Ziel ist die Rueckgewinnung des Iran als vertrauensvoller Partner auf der internationalen Buehne. Verantwortung in der Welt 173 Asien Wir wollen die Beziehungen mit den Staaten Asiens auf der Basis universeller Werte weiter intensivieren. Wir wollen die staerkere Orientierung der amerikanischen Aussenpolitik auf den asiatisch-pazifischen Raum auch als Chance nutzen und dazu beitragen, dass auch in dieser Region die Politik der Kooperation und des Interessensausgleichs Vorrang bekommt vor einer Politik der Konfrontation. Die Freundschaft mit Japan ist ein wichtiger Eckpfeiler der deutschen Aussenpolitik. Wir begruessen die laufenden Verhandlungen zum Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Europaeischen Union und Japan. China ist aufgrund einer Vielzahl gemeinsamer Interessen strategischer Partner Deutschlands und der EU. Wir werden unsere vielfaeltige politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit auch im Rahmen unserer regelmaessigen Regierungskonsultationen weiter intensivieren. Wir setzen uns dafuer ein, dass in China die in der Verfassung garantierten Rechte wie die Gewaehrleistung der universellen Menschenrechte fuer alle Buerger respektiert werden. Der Schutz des geistigen Eigentums und unsere CyberSicherheit sollen gestaerkt werden. China ist aufgefordert, im Rahmen der Vereinten Nationen einen Beitrag zur internationalen Konfliktloesung zu erbringen, der seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung entspricht. Indien ist unser strategischer Partner. Die politische, wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit wollen wir ausbauen. Dem dienen auch unsere regelmaessigen Regierungskonsultationen. Wir unterstuetzen die Verhandlungen der EU mit Indien fuer ein Freihandelsabkommen. Afghanistan Nach ueber zehn Jahren wird sich unser sicherheitspolitisches Engagement in Afghanistan veraendern. Mit einem ressortuebergreifenden Engagement streben wir eine gefestigte Zukunft Afghanistans an. Der Kampfeinsatz ISAF in Afghanistan ist bis Ende 2014 abzuschliessen und die militaerische Handlungsfaehigkeit zur Sicherung des Abzuges bis zu diesem Zeitpunkt zu erhalten. Die Menschen in Afghanistan und die internationale Gemeinschaft koennen sich darauf verlassen, dass wir zu unseren Zusagen stehen – gerade auch mit Blick auf die zivile Hilfe, die Schwerpunkt unseres Afghanistan-Engagements wird. Dabei wollen wir auch den bestmoeglichen Schutz unserer zivilen Kraefte erreichen. Afghanische Ortskraefte, die fuer uns in Afghanistan gearbeitet haben und deren Sicherheit und Leben nach Beendigung des Einsatzes bedroht sind, sollen zusammen mit ihren Familien in Deutschland eine Aufnahme angeboten bekommen. Die Koalition steht zu einer angemessenen Beteiligung Deutschlands im Rahmen einer Beratungsmission unter NATO-Fuehrung, fuer den Fall, dass die voelkerrechtlichen Voraussetzungen und die Beteiligung unserer Partner sichergestellt sind. Afrika und Lateinamerika Der wachsenden Bedeutung Afrikas und seiner zunehmenden Eigenverantwortung wollen wir verstaerkt Rechnung tragen und die Moeglichkeiten der Zusammenarbeit ausbauen. Deutschland hat ein besonderes Interesse, dass die Staaten Afrikas regionale Probleme selbst loesen koennen. Deshalb werden wir die Bemuehungen zur Staer- Verantwortung in der Welt 174 kung subund interregionaler Zusammenarbeit unterstuetzen. Wir setzen auf Kooperation und partnerschaftlichen Umgang auf Augenhoehe, indem wir die Institutionen unserer afrikanischen Partnerlaender staerken, den Privatsektor foerdern und gute Regierungsfuehrung verstaerkt in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Die Bemuehungen zur Schaffung einer Sicherheitsstruktur im Rahmen der Afrikanischen Union werden wir weiter unterstuetzen und uns im Rahmen der Vereinten Nationen und der Europaeischen Union an Friedensinitiativen beteiligen. Die starke Partnerschaft zwischen Deutschland, der EU und Lateinamerika basiert auf gewachsenen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen, die von gemeinsamen Werten und Interessen gepraegt sind. Diese traditionellen Gemeinsamkeiten und Bindungen wollen wir vertiefen. Unsere strategische Partnerschaft mit Brasilien wollen wir ausbauen. Gemeinsam mit allen Staaten Lateinamerikas wollen wir Fortschritte bei den draengenden globalen Herausforderungen erzielen. Wir wollen die Wirtschaftschancen zum beiderseitigen Vorteil nutzen und dafuer die wirtschaftlichen Beziehungen weiter ausbauen und Investitionen und Handel foerdern. Wir werden unseren Beitrag zur Staerkung der grenzueberschreitenden Vernetzung von Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kultur leisten. Dabei wollen wir uns insbesondere auf die Laender konzentrieren, die unsere Werte teilen. Auswaertige Kulturund Bildungspolitik Die Auswaertige Kulturund Bildungspolitik bleibt die dritte Saeule der deutschen Aussenpolitik. Die zur Verfuegung stehenden Mittel sollen fuer die Foerderung des Dialoges der Kulturen und zur Krisenpraevention im weiteren Sinn sowie fuer die Vermittlung von Werten der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte eingesetzt werden. Der kulturelle Austausch und deutsche Kultureinrichtungen wie das Deutsche Archaeologische Institut, die Goethe-Institute, der DAAD, die Humboldt-Stiftung sowie die deutschen Auslandsschulen und Wissenschaftskooperationen uebernehmen dabei wichtige Brueckenfunktionen. Das Goethe-Institut wird insbesondere fuer die Programmund Spracharbeit adaequat ausgestattet und bleibt wie die deutschen Auslandsschulen – fester Bestandteil der Auslandsaktivitaeten der Bundesregierung. Mit unserer Auswaertigen Kulturund Bildungspolitik wollen wir ein positives und wirklichkeitsgetreues Bild unseres Landes im Ausland vermitteln, Interesse an der deutschen Sprache und Kultur wecken und fuer den Wirtschafts-, Wissenschaftsund Innovationsstandort Deutschland werben. Die Vermittlung und Foerderung der deutschen Sprache im Ausland ist eine herausragende Aufgabe der auswaertigen Kulturund Bildungspolitik. Wir werden die internationalen Bildungskooperationen im schulischen und universitaeren Bereich ausbauen, die erfolgreichen Stipendienprogramme staerken und dem im Ausland gestiegenen Interesse am dualen Ausbildungssystem Rechnung tragen, auch durch berufsbildende Angebote an den deutschen Auslandsschulen, die weiterhin gemeinwohlorientiert arbeiten. Dem Dialog mit der islamischen Welt messen wir in unserer Auswaertigen Kulturund Bildungspolitik eine besondere Bedeutung zu. Dabei ist es in unserem Interesse, die moderaten Kraefte in ihrem Streben nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu un- Verantwortung in der Welt 175 terstuetzen. Das entschiedene Eintreten gegen jede Form von Antisemitismus ist auch ein Kennzeichen unserer Aussenpolitik. Europa ist auch ein kulturelles Projekt. Deutschland mit seinen Mittlerorganisationen traegt eine besondere Verantwortung fuer einen gemeinsamen europaeischen Kulturraum. Die Koalition bekennt sich zu der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt und zu der UNESCO-Konvention zum Kulturgueterschutz. Sie wird die Initiative ergreifen, auch dem UNESCO-uebereinkommen zum Schutz des kulturellen Erbes unter Wasser beizutreten. Politische Stiftungen Die politischen Stiftungen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum internationalen Dialog und staerken damit auch das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland. Wir wollen die internationale Arbeit der politischen Stiftungen auch in Zukunft unterstuetzen und rechtlich sichern. Dabei wollen wir neue regionale Schwerpunkte durch die Bereitstellung entsprechender Ressourcen staerken. Aussenund Sicherheitspolitik ressortuebergreifend gestalten Die Koalition bekennt sich zur Staerkung einer ressortuebergreifenden Zusammenarbeit im Verstaendnis einer effektiven Aussenund Sicherheitspolitik, fuer deren Erfolg sich zivile und militaerische Instrumente ergaenzen muessen. In der Aussenund Sicherheitspolitik denken und handeln wir vernetzt. Im Konzept von Krisenfrueherkennung, Krisenpraevention, Ursachenbekaempfung und Konfliktbewaeltigung ist die Entwicklungszusammenarbeit integraler Bestandteil. Eine besondere Bedeutung kommt der zivilen Krisenpraevention zu, deren Strukturen wir staerken und weiterentwickeln werden. Wir werden die Foerderung der Friedensund Konfliktforschung in den kommenden vier Jahren ausweiten. Die bestehenden deutschen Institutionen der Friedensfoerderung und Friedensforschung wie das Zentrum fuer Internationale Friedenseinsaetze (ZIF), der Zivile Friedensdienst, die Bundesakademie fuer Sicherheitspolitik und die Deutsche Stiftung Friedensforschung haben sich bewaehrt und sollen staerker in die Politikberatung einbezogen werden. Wir werden durch gezielte Massnahmen deutsche Beamte, Richter und Staatsanwaelte ermutigen, an Auslandseinsaetzen teilzunehmen. Wir wollen die rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen fuer den Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in Friedensmissionen verbessern. Hierzu wird die Bundesregierung in der naechsten Legislaturperiode mit den Bundeslaendern eine umfassende Bund-LaenderVereinbarung verhandeln, die der gemeinsamen Verantwortung gerecht wird. Unseren Soldaten, Polizisten, Diplomaten, Entwicklungsund Aufbauhelfern gebuehren unser Dank und unsere Anerkennung. Ihnen gilt unsere besondere Fuersorge. Verantwortung in der Welt 176 Neuausrichtung der Bundeswehr Wir bekennen uns zu einer starken Verteidigung mit modernen und leistungsfaehigen Streitkraeften. Die Bundeswehr hat sich als Armee in der Demokratie und fuer die Demokratie bewaehrt. Das zentrale Leitbild der Inneren Fuehrung und des Soldaten als Staatsbuergers in Uniform praegt auch weiterhin den Dienst in der Bundeswehr und den Einsatz der Bundeswehr fuer Frieden und Freiheit weltweit. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz. Mit ihrer Neuausrichtung wird sie auf die veraenderten sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtet. Wir werden diese Neuausrichtung konsequent fortsetzen und zum Erfolg fuehren. Die Umsetzung ist mit erheblichen Anpassungsprozessen fuer die gesamte Bundeswehr verbunden. Die Angehoerigen der Bundeswehr und ihre Familien brauchen Berechenbarkeit und Planungssicherheit. Die bestehende mittelfristige Finanzplanung bildet dafuer die Grundlage. An den getroffenen Entscheidungen halten wir besonders im Sinne der Planungssicherheit fuer die Soldatinnen und Soldaten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsaetzlich fest. Wo sich im Rahmen der bis spaetestens Ende 2014 laufenden Evaluierung der Neuausrichtung aenderungsbedarf ergibt, werden wir entsprechend nachsteuern. Auch bei der Umsetzung der naechsten Schritte werden wir streng auf Wirtschaftlichkeit, Funktionalitaet, Attraktivitaet und Praesenz in der Flaeche achten. Der festgelegte militaerische Personalumfang von bis zu 185.000 Soldatinnen und Soldaten entspricht dem Bedarf einer leistungsfaehigen aufgabenund einsatzorientierten Bundeswehr und der Rolle Deutschlands im Vergleich zu unseren europaeischen Partnern. Den Bereich der Zivilbeschaeftigten wollen wir aufgabenbezogen evaluieren. Eine weitere Reduzierung des Personalumfangs der Bundeswehr ist keine Perspektive. Attraktivitaet Wichtig ist es, dass der Dienst in der Bundeswehr attraktiv bleibt. Wir werden eine Attraktivitaetsoffensive voranbringen: Wir setzen uns fuer mehr Familienfreundlichkeit ein, insbesondere fuer den Aufbau der Kinderbetreuung, bei Bedarf in Absprache mit den Kommunen. Mit Blick auf die hohen Pendlerzahlen streben wir eine moeglichst heimatnahe Verwendung an. Darueber hinaus werden wir die Wahlmoeglichkeit zwischen der Gewaehrung von Trennungsgeld und Zusage der Umzugskostenverguetung dauerhaft schaffen. Durch die Neuausrichtung sind Dienststellen, in denen militaerisches und ziviles Personal gemeinsam arbeiten, die Regel. Das Soldatenbeteiligungsgesetz werden wir entsprechend anpassen. Wir streben Regelungen an, die die Besonderheiten des Soldatenberufes und die Sicherstellung der Einsatzbereitschaft mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Einklang bringen. Wir wollen die Nachversicherung fuer Zeitsoldaten nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst so gestalten, dass sie hinsichtlich ihrer sozialen Absicherung keine Nachteile erfahren. Die Koalition wird die geltenden Beschraenkungen des Hinzuverdienstes fuer ausgeschiedene Soldaten bei spaeteren Verwendungen in der Wirtschaft aufheben. In der Mitte der Gesellschaft Wir treten dafuer ein, das Verstaendnis fuer die Besonderheiten des Soldatenberufes zu erweitern und so die breite Anerkennung fuer den Dienst in den Streitkraeften sicherzustellen. Feierliche Geloebnisse etwa sind Ausdruck der Verankerung der Bundeswehr Verantwortung in der Welt 177 in der demokratischen Gesellschaft. Die Koalition unterstuetzt den fortgesetzten Dialog der Bundeswehr in und mit der Gesellschaft. Die Verantwortung fuer unsere Veteranen wollen wir gemeinsam tragen. Dies gilt auch fuer die Fuersorge fuer Verwundete und Versehrte und die wuerdige Gestaltung der Erinnerung an unsere Gefallenen und Toten. Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information ueber den Auftrag der Bundeswehr. Wir begruessen es, wenn moeglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und aehnlichen Foren ist fuer uns selbstverstaendlich. Der neue Freiwillige Wehrdienst hat sich bewaehrt. Die gegenwaertig moeglichen Verpflichtungszeiten des Freiwilligen Wehrdienstes werden ueberprueft und gegebenenfalls angepasst. Die Koalition erkennt den Wert der Reserve fuer die Auftragserfuellung der Bundeswehr und als Bindeglied und Mittler zwischen Bundeswehr und Gesellschaft an. Die Regionalen Sicherungsund Unterstuetzungskraefte werden fuer ihre Aufgaben im Bereich der zivil-militaerischen Zusammenarbeit angemessen ausgestattet. Zur Steigerung der Attraktivitaet des Reservistendienstes pruefen wir die Anpassung und Vereinfachung der Verguetung wie der rentenrechtlichen Absicherung. Wir werden die Vereinbarkeit von Reservistendienst und zivilberuflichem Fortkommen gezielt foerdern. Dafuer kommt dem oeffentlichen Dienst eine Vorbildfunktion zu. Auf die Einsaetze der Zukunft vorbereitet sein Die Bundeswehr wird auch in Zukunft in Auslandseinsaetzen gefordert. Das setzt ein breites militaerisches Faehigkeitsspektrum voraus. Wir setzen uns, so weit es sinnvoll und moeglich ist, fuer eine gemeinsame Nutzung nationaler militaerischer Kapazitaeten im Rahmen der EU (pooling and sharing) ebenso ein wie fuer eine staerkere Aufgabenteilung. Das gilt auch fuer die entsprechenden Aktivitaeten der NATO (smart defence). Der Ansatz hierzu koennte die Anlehnungspartnerschaft bzw. das Konzept der Rahmennation sein, bei der sich Staaten zu Gruppen wechselseitiger Unterstuetzung zusammenfinden. Gemeinsam mit unseren Buendnispartnern wollen wir zu schwach ausgebildete Faehigkeiten staerken und die Durchhaltefaehigkeit erhoehen. Wir streben einen immer engeren Verbund der europaeischen Streitkraefte an, der sich zu einer parlamentarisch kontrollierten europaeischen Armee weiterentwickeln kann. Die Bundeswehr bleibt auch in Zukunft Parlamentsarmee. Die parlamentarische Beteiligung an der Entscheidung ueber den Einsatz der Bundeswehr hat sich bewaehrt. Sie ist eine Grundlage fuer die breite Verankerung der Bundeswehr und ihrer Einsaetze in der Gesellschaft. Der Parlamentsvorbehalt ist keine Schwaeche Deutschlands, sondern eine Staerke. Wir wollen die Beteiligung des Parlaments an der Entscheidung ueber den Einsatz deutscher Soldaten auch angesichts vermehrter Zusammenarbeit und Arbeitsteilung mit unseren Partnern sicherstellen. Eine zunehmende Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Staeben auf NATOund EU-Ebene muss mit dem Parlamentsvorbehalt vereinbar sein. Deshalb wollen wir eine Kommission einsetzen, die binnen Jahresfrist prueft, wie auf dem Weg fortschreitender Buendnisintegration und trotz Auffaecherung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden koennen. Die Kommission wird darauf aufbauend Handlungsoptionen formulieren. Einsaetze des Kommandos Spezialkraefte (KSK) sind immer mit einer hohen Gefaehrdung unserer Spezialkraefte verbunden und unterliegen der Geheimhaltung. Wir wer- Verantwortung in der Welt 178 den die Unterrichtung des Parlaments ueber KSK-Einsaetze in der bewaehrten Form sicherstellen. Ausruestung, Beschaffung und Nutzung Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen die bestmoegliche Ausruestung. Dabei steht ihre Sicherheit im Mittelpunkt. Die Bundeswehr beschafft, was sie braucht, und nicht, was ihr angeboten wird. Der Staat kann erwarten, dass bestellte militaerische Ausruestungsgueter vertragsgerecht, puenktlich und unter Einhaltung der verabredeten Preise und Qualitaet geliefert werden. Die Vertragsbeziehungen mit der Industrie muessen klar und deutlich sein. Die juengsten Erfahrungen mit Grossgeraeten zeigen, dass Projektbegleitung und Controlling auf allen Ebenen verbessert werden muessen. Die mit der Neuausrichtung begonnene Neustrukturierung des Beschaffungsprozesses muss konsequent umgesetzt werden. Die Information des Verteidigungsund des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags ueber den jeweiligen Sachstand bei der Entwicklung und Beschaffung von Geraet und Material wird verbessert. Deutschland hat ein elementares Interesse an einer innovativen, leistungsund wettbewerbsfaehigen nationalen Sicherheitsund Verteidigungsindustrie. Wir setzen uns fuer den Erhalt ausgewaehlter Schluesseltechnologien und industrieller Faehigkeiten, insbesondere auch bei mittelstaendischen Unternehmen, ein. Wir setzen auf eine verstaerkte europaeische und euroatlantische Ruestungskooperation, die konkrete gemeinsame Ausruestungsund Beschaffungsvorhaben nach den gleichen Standards fuer alle Nationen umsetzt. Hierbei spielt die Europaeische Verteidigungsagentur eine Schluesselrolle. Eine Voraussetzung fuer die Verbesserung der militaerischen Zusammenarbeit in der EU und in der NATO sind einheitliche Standards bei Zertifizierung und Zulassung militaerischer Geraete. Dies gilt in besonderer Weise fuer die militaerische Luftfahrt. Deutschland wird hier mit gutem Beispiel vorangehen: Vom Fruehjahr 2014 an wird eine einheitliche militaerische Luftfahrtbehoerde aufgebaut. Unbemannte Luftfahrzeuge spielen bereits heute beim Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan bei der Aufklaerung und dem Schutz unserer Soldaten eine wichtige Rolle. Auch kuenftig wird die Bundeswehr auf derartige Faehigkeiten angewiesen sein. Die Koalition wird eine europaeische Entwicklung fuer unbemannte Luftfahrzeuge voranbringen. Europa braucht schnell ein gemeinsames Regelwerk fuer ihre Zulassung und Teilnahme am europaeischen Luftverkehr. Die Koalition wird die entsprechenden Initiativen hierzu weiterfuehren. Extralegale, voelkerrechtswidrige Toetungen mit bewaffneten Drohnen lehnen wir kategorisch ab. Deutschland wird fuer die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in internationale Abruestungsund Ruestungskontrollregime eintreten und sich fuer eine voelkerrechtliche aechtung vollautomatisierter Waffensysteme einsetzen, die dem Menschen die Entscheidung ueber den Waffeneinsatz entziehen. Vor einer Entscheidung ueber die Beschaffung qualitativ neuer Waffensysteme werden wir alle damit im Zusammenhang stehenden voelkerund verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfaeltig pruefen. Dies gilt insbesondere fuer neue Generationen von unbemannten Luftfahrzeugen, die ueber Aufklaerung hinaus auch weitergehende Kampffaehigkeiten haben. Verantwortung in der Welt 179 Staatliches Gewaltmonopol schuetzen Die in internationalen Auslandseinsaetzen vermehrt zu beobachtende Auslagerung von militaerischen Aufgaben auf private Unternehmen kommt fuer uns nicht in Frage. Der Bundestag erteilt der Bundeswehr das Mandat fuer Auslandseinsaetze, einschliesslich der Anwendung von militaerischen Mitteln im Bedarfsfall. Militaerische Aufgaben duerfen nicht auf private Unternehmen uebertragen werden. Die Bundesregierung wird sich in der OSZE dafuer einsetzen, dass im Rahmen des OSZE-Verhaltenskodex zu politisch-militaerischen Aspekten der Sicherheit private militaerische Sicherheitsfirmen in die nationale Berichterstattung einbezogen werden. Schutz und Foerderung der Menschenrechte Menschenrechte sind unteilbar und universell gueltig. Wir setzen uns fuer ihren Schutz und ihre Foerderung ein, sowohl innerstaatlich als auch in den auswaertigen Beziehungen. Verstoesse gegen die Menschenrechte verletzen nicht nur die Wuerde der jeweils Betroffenen, sondern sie koennen auch den Frieden und die internationale Sicherheit bedrohen. Unser Ziel ist eine menschenrechtlich konsequente und kohaerente Politik. Die Basis bilden das Grundgesetz, die europaeischen und internationalen Menschenrechtskonventionen sowie das humanitaere Voelkerrecht. Wir unterstuetzen die neue Strategie der EU-Menschenrechtspolitik. Wir engagieren uns weiterhin konsequent fuer die weltweite Abschaffung der Todesstrafe sowie fuer das Verbot von Folter. Gemeinsam mit den Laendern unterstuetzen wir die Arbeit der Nationalen Anti-Folter-Stelle. Die Menschenrechte von Frauen und Kindern sind besonders gefaehrdet. Wir bekaempfen alle Formen von Menschenhandel, Sklaverei, Organhandel, Zwangsprostitution und -verheiratung, Genitalverstuemmelung, Anschlaege im Namen der „Ehre“ sowie andere menschenverachtende Praktiken. Die Chancen von Kindern auf ein Leben in Wuerde wollen wir verbessern. Kinder brauchen Nahrung, Bildung und medizinische Versorgung. Wir unterstuetzen alle Bemuehungen, dass sie nicht als Arbeitsund Sexsklaven oder als Soldaten missbraucht werden. Wir treten fuer die Religionsfreiheit als elementares Menschenrecht ein. Dies gilt auch fuer das Recht, keiner Religionsgemeinschaft anzugehoeren und die Religion zu wechseln. Die Solidaritaet mit benachteiligten und unterdrueckten religioesen Minderheiten ist uns ein besonderes Anliegen. In vielen Laendern der Welt werden besonders Christen wegen ihres Glaubens bedraengt, verfolgt und vertrieben. Religioese Konflikte vermischen sich oftmals mit sozialen und wirtschaftlichen Spannungen. Wir treten international fuer Presseund Meinungsfreiheit als wesentliches Fundament einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft ein. Wir stuetzen und schuetzen mutige Menschenrechtsverteidiger und foerdern zivilgesellschaftliche Kraefte, die unsere Hilfe brauchen. Wir verurteilen homophobe Tendenzen und foerdern tolerante lebendige Zivilgesellschaften. Verantwortung in der Welt 180 Wir setzen uns bei den Vereinten Nationen fuer die weltweite aechtung von Vertreibung sowie fuer die Erweiterung des Weltfluechtlingstages um das Gedenken an die Opfer von Vertreibungen ein. Die Mehrheit der Fluechtlinge auf der Welt sind Vertriebene innerhalb der Grenzen ihres Landes. Deshalb foerdern wir die Verbreitung und Umsetzung der UN-Leitlinien fuer Binnenfluechtlinge, damit auch diese Menschen Schutz und humanitaere Hilfe erhalten. Wir setzen uns fuer einen hoeheren Stellenwert des Menschenrechtsschutzes und fuer die Staerkung seiner Instrumente bei den Vereinten Nationen ein. Wir wollen, dass der VN-Menschenrechtsrat weltweit glaubwuerdig gegen Menschenrechtsverletzungen vorgeht. Fuer die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) machen wir uns stark und unterstuetzen seine Funktion als unabhaengiges Organ der Weltstrafjustiz. Bestrebungen, den Europaeischen Gerichtshof fuer Menschenrechte zu schwaechen, treten wir entschlossen entgegen. Die Bundesregierung wird sich aktiv an der Weiterentwicklung der humanitaeren Voelkerrechts beteiligen. Wir werden darauf dringen, dass transnationale Unternehmen soziale, oekologische und menschenrechtliche Standards einhalten. Die ILO-Erklaerung ueber multinationale Unternehmen und Sozialpolitik, die OECD-Leitsaetze und die UN-Leitprinzipien ueber Wirtschaft und Menschenrechte stecken hierfuer den Rahmen ab. Wir werden die UNLeitprinzipien auf nationaler Ebene umsetzen. Das Deutsche Institut fuer Menschenrechte soll eine stabile Grundlage auf der Basis der „Pariser Prinzipien“ erhalten. Humanitaere Hilfe Wir werden der Humanitaeren Hilfe gemaess ihrer groesser gewordenen Bedeutung ein hoeheres Gewicht einraeumen. Wir werden die internationalen humanitaeren Prinzipien staerken, u. a. durch die Umsetzung des „Europaeischen Konsens ueber die humanitaere Hilfe“. Wir werden uns auf EU-Ebene dafuer einsetzen, dass die fuer Humanitaere Hilfe zustaendigen Organisationen unabhaengig bleiben. Wir wollen unsere Humanitaere Hilfe an der Beduerftigkeit ausrichten und uns auch um die Menschen in den Krisengebieten kuemmern, die aus dem oeffentlichen Blickfeld geraten sind. Wir werden zur Praevention von Naturkatastrophen starkes Gewicht auf Fruehwarnsysteme, Katastrophenvorsorge und Reduzierung von Katastrophenrisiken legen und uns fuer die Entwicklung internationaler Instrumente bei dem zunehmend wichtigen Thema der Klimafluechtlinge engagieren. Wirtschaftliche Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung Ziel unserer Entwicklungspolitik ist es, auf der Grundlage unserer Werte und Interessen weltweit Hunger und Armut zu ueberwinden und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu staerken. Wir setzen uns ein fuer Frieden, Freiheit und Sicherheit, die Achtung und Verwirklichung der politischen und sozialen Menschenrechte sowie die Bewahrung der Schoepfung. Wir foerdern den Aufbau einer sozial und oekologisch ausgerichteten Marktwirtschaft, gute Regierungsfuehrung und die Mitwirkung der Zivilgesellschaft. Unsere Entwicklungspolitik leistet Hilfe zur Selbsthilfe. Wir verstehen Entwicklungspolitik auch als globale Strukturpolitik und wollen die Globalisierung nachhaltig und Verantwortung in der Welt 181 gerecht fuer alle Menschen gestalten. Entwicklungspolitik hat praeventiven Charakter und ist damit auch vorausschauende Friedenspolitik. Wir richten uns an den Millenniumszielen und an deren Weiterentwicklung im Rahmen der Post-2015Entwicklungsagenda aus. Gestaltung der Rahmenbedingungen Wir setzen uns ein fuer den Schutz globaler oeffentlicher Gueter und fuer gerechte Welthandelsbedingungen. Deshalb streben wir insbesondere einen entwicklungsorientierten Abschluss der WTO-Welthandelsrunde und einen fairen Interessenausgleich mit den Entwicklungslaendern an. Das muss auch fuer den weltweiten Agrarhandel gelten. Wir wollen die Arbeitsbedingungen in den Entwicklungslaendern verbessern. Wir setzen uns fuer verbindlich festgeschriebene, international anerkannte menschenrechtliche, oekologische und soziale Mindeststandards wie der ILO-Kernarbeitsnormen ein. Wir setzen uns deshalb fuer die Aufnahme dieser Standards in allen Handelsabkommen der EU ein. Wir streben fuer die Zeit nach 2015 Nachhaltigkeitsziele (SDG) an, die auf breitenwirksames, inklusives, ressourcenschonendes und kohlenstoffarmes Wachstum ausgelegt sind. Wir wollen eine aktive Rolle dabei spielen, dass die Weiterentwicklung der Millenniumsziele zu universellen Entwicklungsund Nachhaltigkeitszielen fuehrt. Entwicklungspolitik soll prominent auf den Tagesordnungen der G8und G20-Gipfel behandelt werden. Wir werden dafuer sorgen, dass entwicklungspolitische GipfelZusagen in Zukunft schneller umgesetzt werden koennen. Die Institutionen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wollen wir im Sinne des Effizienzgedankens weiter verbessern. Die Zusammenarbeit zwischen GIZ und KfW soll intensiviert werden. Die entwicklungsorientierte ressortuebergreifende Zusammenarbeit wollen wir verbessern. Unsere Beitraege an multilaterale Entwicklungsorganisationen richten wir an deren Wirksamkeit und Leistungsfaehigkeit aus, die wir bewerten wollen. In diesem Sinne werden wir die bilateralen und multilateralen Instrumente entsprechend ihrer komparativen Vorteile flexibel einsetzen. Wo die Rahmenbedingungen wie eine effektive und transparente Kontrolle der Mittelverwendung sichergestellt sind, kann Budgethilfe ein Instrument zur Steigerung der Eigenverantwortung sein. Nachhaltige Finanzierung Wir halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens fuer oeffentliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfuegung zu stellen. Wir werden uns diesem Ziel durch jaehrliche Steigerungen der Mittel fuer Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des Bundeshaushalts annaehern. Wir wollen Deutschland weiter auf einen Finanzierungspfad zum 0,7-ODA-Ziel fuehren. Deutschland wird fuer international gegebene Zusagen ein verlaesslicher Partner in der Welt sein. Wir werden mit internationalen Partnern und mit wissenschaftlicher Unterstuetzung Vorschlaege fuer eine Weiterentwicklung des ODA-Konzepts entwickeln. Wir wollen eine zweckentsprechende Verwendung der ODA-Mittel sicherstellen. Wir ste- Verantwortung in der Welt 182 hen zu den in Kopenhagen eingegangenen Verpflichtungen. Die damit verbundenen Ausgaben sollen in fairer Weise zwischen den Ressorts verteilt werden. Thematische Schwerpunkte Im Rahmen der grundsaetzlichen Ausrichtung unserer Entwicklungszusammenarbeit foerdern wir insbesondere die laendliche Entwicklung. Unverantwortlicher Spekulation mit Nahrungsmitteln treten wir entgegen und wollen die Freiwilligen Leitlinien der Ernaehrungsund Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zur verantwortungsvollen Landnutzung umsetzen. Fuer uns ist das internationale Engagement fuer die Sicherung der Welternaehrung und fuer das Recht auf Nahrung von zentraler Bedeutung. Deshalb wird die Bundesregierung als verlaesslicher Partner in internationalen Organisationen wie der FAO fachlich mitwirken. Gesundheit bildet die Grundlage fuer nachhaltige Entwicklung. Der Globale Fonds spielt hierbei eine wichtige Rolle, die sich in der Politik der Bundesregierung widerspiegeln soll. Zur besseren Absicherung gegen Lebensrisiken wollen wir beim Aufbau grundlegender sozialer Sicherungssysteme helfen. Dazu gehoert auch der Aufbau funktionierender und gerechter Steuersysteme. Wir wollen die Gleichstellung von Frauen und Maennern und die Durchsetzung der Rechte von Maedchen und Frauen zu einer Querschnittsaufgabe deutscher Entwicklungszusammenarbeit machen. Bildung ist der Schluessel fuer eine zukunftsfaehige Entwicklung. Wir wollen fuer Frauen und Maenner, Maedchen und Jungen gleichermassen gute Bildungsund Ausbildungsmoeglichkeiten schaffen. Die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen soll in der Entwicklungszusammenarbeit staerker verankert und systematischer ausgestaltet werden. Wir werden unseren Fokus auf den Schutz der natuerlichen Lebensgrundlagen, wie auf Massnahmen des Klimaschutzes einschliesslich einer effizienten und erneuerbaren Energieversorgung, des Schutzes der Waelder und der biologischen Vielfalt richten. Entwicklungslaender muessen bei der Anpassung an den Klimawandel und dessen Folgen unterstuetzt werden. Wir unterstuetzen Massnahmen der zivilen Krisenpraevention, der gewaltfreien Konfliktbearbeitung und der Post-Konfliktbewaeltigung. Regionale Schwerpunkte und Kooperationspartner Um noch nicht erreichte Millenniumsziele und die ueberwindung von Hunger und Armut zu erreichen, werden wir kuenftig unsere Anstrengungen in den aermsten Laendern staerken. In fragilen Staaten wollen wir einen besonderen Schwerpunkt setzen. Zwischenstaatliche Zusammenarbeit mit Laendern, in denen das Regierungshandeln systematisch im Widerspruch zu unseren Werten steht, soll nur erfolgen, wenn unsere Unterstuetzungsmassnahmen zu Veraenderung beitragen koennen, wenn dies aus humanitaeren Gruenden geboten ist oder wenn es Frieden und Sicherheit dient. Verantwortung in der Welt 183 Die bilaterale staatliche Zusammenarbeit mit Schwellenlaendern muss deren hoehere Leistungsfaehigkeit und gewachsene internationale Verantwortung beruecksichtigen. Von den Schwellenlaendern muss die eigenverantwortliche Verwirklichung der Menschenrechte auf Nahrung, Gesundheit und Bildung fuer die eigene Bevoelkerung eingefordert werden. Wir konzentrieren uns auf den Schutz globaler oeffentlicher Gueter, die Suche nach rohstoffschonenden nachhaltigen Entwicklungspfaden sowie fallweise auch auf Dreieckskooperationen zugunsten armer Entwicklungslaender. Die Foerderung der Zivilgesellschaft in diesen Laendern sowie der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit ist besonders wichtig. Unsere Entwicklungszusammenarbeit unterstuetzt die Transformationsprozesse im suedlichen und oestlichen Mittelmeerraum sowie in den Mitgliedstaaten der oestlichen Partnerschaft. Diese Regionen sind neben Subsahara-Afrika ein besonderer Schwerpunkt unserer Entwicklungspolitik. Die Bundesregierung wird das zivilgesellschaftliche Engagement foerdern und die Wahrnehmung entwicklungspolitischer Verantwortung von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen, politischen und privaten Stiftungen und der Wirtschaft sowie von Kommunen staerken. Dies gilt bei uns hierzulande ebenso wie in den Partnerlaendern. Intensive Kooperationen wie Kammerund Verbandspartnerschaften sowie Berufsbildungspartnerschaften sollen weiter gestaerkt werden. Wir wollen die entwicklungspolitische Bildungsarbeit staerken und den fairen Handel unterstuetzen. In der Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft (PPP) unterstuetzen wir auf der Basis einer ausgeglichenen Rollenverteilung von Staat und Privatwirtschaft den Aufund Ausbau des privaten Sektors in den Entwicklungslaendern, sofern dies einer nachhaltigen, sozialen und oekologischen Entwicklung dient. Arbeitsweise der Koalition 184 8. Arbeitsweise der Koalition Kooperation der Parteien Diese Koalitionsvereinbarung gilt fuer die Dauer der 18. Wahlperiode. Die Koalitionspartner verpflichten sich, diese Vereinbarung im Regierungshandeln umzusetzen. Die Partner tragen fuer die gesamte Politik der Koalition gemeinsam Verantwortung. Die Koalitionspartner CDU, CSU und SPD werden ihre Arbeit in Parlament und Regierung laufend und umfassend miteinander abstimmen und zu Verfahrens-, Sachund Personalfragen Konsens herstellen. Die Koalitionspartner treffen sich regelmaessig zu Koalitionsgespraechen im Koalitionsausschuss. Darueber hinaus tritt der Koalitionsausschuss auf Wunsch eines Koalitionspartners zusammen. Er beraet Angelegenheiten von grundsaetzlicher Bedeutung, die zwischen den Koalitionspartnern abgestimmt werden muessen, und fuehrt in Konfliktfaellen Konsens herbei. Die Koalitionsparteien werden sich einvernehmlich auf die Besetzung des Koalitionsausschusses verstaendigen. Kooperation der Fraktionen Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch fuer Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen. ueber das Verfahren und die Arbeit im Parlament wird Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen hergestellt. Antraege, Gesetzesinitiativen und Anfragen auf Fraktionsebene werden gemeinsam oder, im Ausnahmefall, im gegenseitigen Einvernehmen eingebracht. Die Koalitionsfraktionen werden darueber eine Vereinbarung treffen. Rechte der Opposition Eine starke Demokratie braucht die Opposition im Parlament. CDU, CSU und SPD werden die Minderheitenrechte im Bundestag schuetzen. Auf Initiative der Koalitionspartner wird der Bundestag einen Beschluss fassen, der den Oppositionsfraktionen die Wahrnehmung von Minderheitenrechten ermoeglicht sowie die Abgeordneten der Opposition bei der Redezeitverteilung angemessen beruecksichtigt. Arbeit in der Bundesregierung Im Kabinett wird in Fragen, die fuer einen Koalitionspartner von grundsaetzlicher Bedeutung sind, keine Seite ueberstimmt. In allen Ausschuessen des Kabinetts und in allen vom Kabinett beschickten Gremien, Beiraeten und Ausschuessen sind die Koalitionsfraktionen nach ihren Kraefteverhaeltnissen vertreten. Die Besetzung erfolgt im gegenseitigen Einvernehmen. Grundsaetzlich sind alle Koalitionspartner vertreten, sofern es die Anzahl der Vertreter des Bundes zulaesst. Arbeitsweise der Koalition 185 Europapolitische Koordinierung Um eine bestmoegliche Vertretung deutscher Interessen auf europaeischer Ebene zu erreichen, wird die Bundesregierung ein geschlossenes Auftreten gegenueber den europaeischen Partnern und Institutionen sicherstellen. Dazu werden sich die Koalitionspartner unter Beibehaltung der bewaehrten Zustaendigkeitsverteilung innerhalb der Bundesregierung eng abstimmen. Diese Abstimmungsverantwortung wird durch die Bundesministerinnen und Bundesminister im Rahmen ihrer Fachund Koordinierungszustaendigkeiten und im engen Zusammenwirken mit der Bundeskanzlerin und dem Vizekanzler wahrgenommen. Die Koalitionspartner treten bei der Europawahl gemaess der Zugehoerigkeit zu ihren jeweiligen europaeischen Parteienfamilien sowie in den kommenden Kommunalund Landtagswahlen in einem fairen Wettbewerb gegeneinander an. Ressortverteilung Die Bekanntgabe der Ressortverteilung erfolgt nach Beschlussfassung der Parteien. Das Vorschlagsrecht fuer die jeweiligen aemter liegt bei den verantwortlichen Parteien. Die Zahl der Parlamentarische Staatssekretaere und der Staatsminister bemisst sich nach dem Kraefteverhaeltnis der Parteien. Analog wird mit den Beauftragten der Bundesregierung verfahren. Das Vorschlagsrecht fuer beamtete und Parlamentarische Staatssekretaere sowie Staatsminister, liegt bei den jeweiligen Bundesministerinnen und Bundesministern.